Es ist dunkel und es ist stickig in dem Raum, den ich sonst als sichersten Ort in dieser unnahbaren Welt empfunden habe. In dem meine Träume, meine Ängste, meine Gedanken und Gefühle vereint waren, doch jetzt scheint er nur noch einer dieser ganz normalen Orte zu sein, ein weiteres Zimmer, in diesem Haus, welches mir nun kalt und trostlos vorkommt.
Ich fühle mich, als ob ich Fieber habe und Schweißtropfen bedecken meinen ganzen Körper. Angefangen an den Haaransätzen über meine Stirn hinweg zieht es sich wie ein roter Faden entlang bis hin zu meiner großen Zehe. Ich bin bedeckt von ihnen, wie eine schützende Hülle, ein Film, aus kleinen Tropfen, die bei der kleinsten Berührung zu bersten drohen, Dies führt dazu, dass mein Nachthemd aus pflaumenblauer Seide an meinem Körper klebt, wie Kaugummi an einer Schuhsohle. Es ist nur einer dieser Träume, die ich habe, doch trotzdem kommt er mir realer vor, als das Leben, was ich zurzeit führe.
Ich habe von dem Moment geträumt, an dem ich ihn das letzte Mal lebend gesehen habe. Das letzte Mal seinen Blick auf mir spürte, seine Lippen auf meinen, seinen Duft, der mir allgegenwertig zu sein scheint und seine Stimme, die ich so schmerzlich vermisse, dass diese Träume zu Albträumen werden. Mein Schädel brummt und ich sehe nur verschwommene Bilder vor meinen Augen. Bilder, die längst nicht mehr der Realität angehören und trotzdem noch einen Teil von mir auszumachen scheinen.
Die Angst steigt in mir hoch und ich fange an zu zittern, als ich bemerke, dass er nicht neben mir liegt. Es fühlt sich an, als ob diese Angst mich förmlich verschlingt und jede Faser meines Körpers wird davon überwältigt. Meine Augen weiten sich und jetzt scheinen sie nur noch leuchtende Feuerbälle in der Dunkelheit zu sein. Mein langes Haar umgibt mein Gesicht, wie ein schützender Vorhang, der dafür sorgt, dass ich wie ein wildes Tier, ein verwahrloster Mensch, wie irgendein Primat aussehen muss. Ich rolle mich unter der Bettdecke zusammen, ich verstecke mich darunter, als ob es die Dämonen längst vergangener Zeiten verscheuchen würde. Ich benehme mich, wie ein kleines Kind, wie eine Kreatur, die weniger Mensch, als Monster ist, wie ein verletzliches Baby, wie jemand, der dem Teufel Angesicht zu Angesicht stand, dem Tod begegnet ist oder etwas gesehen hat, von dem man den Rest seines Lebens verfolgt werden wird. Da liege ich nun im meinem extragroßen Wasserbett, eingebettet, in die teuerste Bettwäsche, die das Geschäft zum Kaufzeitpunkt zur Auswahl hatte und trotzdem fühle ich mich unbehaglich und das Zittern will nicht stoppen. Noch nicht. Stell dir vor du liegst nackt auf der Straße, dir ist kalt und ganz plötzlich zieht ein Gewitter über dir auf. Du hast keine Chance dich zu verstecken, dich vor dem aufkommenden Sturm zu schützen und jeder ist in der Lage dich zu beobachten. Jeder kann einen Blick auf deine Seele werfen, deine Geheimnisse und alles, was du je versucht hast, an dem dunkelsten Ort deiner Seele zu verstecken. Der Ort, an dem nicht nur ein einziger Sonnenstrahl gelangt und all das scheinen in nur einem Augenblick zerstört. Es muss ein Gefühl der kompletten Zerstörung und Einsamkeit sein, etwas, was du nicht einmal deinen Feinden wünschst. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass diese Qual, dieser Schmerz endlich ein Ende hat.
Es ist nur einer dieser Träume und er treibt mich aus dem Bett. An Schlaf ist schon lange nicht mehr zu denken. Ich zittere immer noch. Ich starre in den dunklen Raum und mein Blick bleibt an dem großen, kupfergerahmten Spiegel, an der gegenüberliegenden Wand hängen. Ich starre eine Weile in den Spiegel und betrachte mich darin, etwas was ich in letzter Zeit versucht habe zu vermeiden, denn jedes Mal treibt es die Erinnerung an ihn in mir hoch und auch jetzt, wenn ich die Augen schließe kann, ich ihn deutlich neben mir spüren und die Erinnerung an ihn wird für immer sein.
Die Wirkung die Erinnerungen auf uns haben sind beachtlich. Es sind einzigartige Momente, die wir tief in uns tragen und die einen unentbehrlichen Teil unserer Seele einnehmen. Es ist die Reflexion unserer selbst. Schauen wir in den Spiegel, dann sehen wir die unverblümte Wahrheit. Es ist kein Lug oder Trug möglich, keine Verschönerung oder Verherrlichung unserer Selbst. Wir sehen uns, unser Leben und die Entwicklungen, die wir durchgemacht haben. Eine unverfälschte Projektion unserer selbst. Etwas, was wir viel zu selten nach außen hin zeigen, denn ein Scheinbild steht uns natürlich besser, als die Wahrheit jemals könnte.
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Puppenspieler
Tajemnica / ThrillerEs mag ein Zufall sein, dass gerade du dieses Buch liest, aber ich glaube an Zufälle. Es ist dein Schicksal. Nach dem Mord an ihrem Mann verlor Psychologin und Verhaltensanalytikern Lilith Kinsey den Boden unter den Füßen, doch der Albtraum hat gera...