Der Tag hat seine Spuren hinterlassen. Als die schwere Eichenholztür hinter mir ins Schloss fällt und ich den langen Flur in unserem, in meinem Haus betrachte wird mir bewusst, wie schmerzvoll es immer noch ist das Haus alleine vorzufinden, in vollkommener Stille. Den Mantel schmeiße ich achtlos über den Vintage Garderobenständer, den Jason und ich gemeinsam auf einer Auktion erworben haben und mache meinen Weg schnurstracks durch den Flur hindurch geradewegs zum Treppenabsatz, welcher in die obere Etage des Hauses führt. Die Dielen knarzen und noch immer läuft mir ein Schauer den Rücken entlang, wenn ich nur daran denke, dass noch jemand im Haus sein könnte. Ich habe darüber nachgedacht das Haus zu verkaufen.
Ich liebe dieses Haus nach wie vor und es symbolisiert die Erfüllung eines Lebenstraumes. Eines Traumes, den wir beide träumten und genau aus dieser Tatsache heraus. Aus der Tatsache heraus, dass es unser gemeinsamer Traum war, kommt es mir falsch vor das Haus zu behalten. Es scheint kein Ort zu sein, wo ich im Moment hingehöre. Stattdessen habe ich das Gefühl fehl am Platz zu sein. Wie bei einem Puzzle. Wenn ein Puzzleteil nicht passt, dann passt es nicht. Auch wenn man immer und immer wieder versucht ein anderes hineinzufügen wird man das Bild letztendlich doch nicht vervollständigen können. Ich bin ein Puzzleteil. Das Haus ist ein Puzzleteil und gemeinsam scheinen wir einfach kein Gesamtwerk mehr zu ergeben. Es scheint, als ob das Haus abschätzig auf mich hinunter sieht. Als ob es sich fragt, was ich noch immer hier mache. Ich bin mir sicher, dass es schon vielerlei Sachen erlebt hat. Es ist alt, aber sein Charme ist nach wie vor vorhanden.
Ich bemerke, dass ich mitten auf dem Treppenabsatz stehen geblieben bin. Vielleicht signalisiert es meine Unentschlossenheit. Die Unentschlossenheit darüber, wie es eigentlich weiter gehen soll.
Ich bin mir nicht sicher, ob man Unentschlossenheit als eine Emotion ansehen kann, aber die Unentschlossenheit verursacht einen Strom neuer Emotionen. Verunsicherung, Trauer, Zukunftsangst, Aufregung.
Ich erinnere mich ein weiteres Mal an Matthew Lewis Worte.
Sie müssen ihre Schlachten anfangen zu schlagen, bevor es jemand anderes für sie macht.
Ich habe lange über ihre Bedeutung nachgedacht und trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, sie nicht vollkommen in ihrer Kernaussage zu verstehen. Sie können die unterschiedlichsten Bedeutungen haben, doch eines weiß ich.
Ich weiß, dass ich anfangen muss, mich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen. Ich weiß, dass ich anfangen muss seinen Verlust zu akzeptieren, bevor ich mich selber zerstöre. Bevor ich mich einer Wunschvorstellung, einer nicht realen Welt hingebe, in der die Hoffnung auf seine Rückkehr immer noch besteht.
Ich habe meine Freunde weggestoßen. Ich konnte es nicht ertragen, ihre mitleidigen Blicke auf mir zu spüren. Ihr trauererfüllter Blick, ihre ernste Miene, die aufmunternden Worte ihrerseits.
Sie haben mich besucht, als ich wie ein menschliches Wrack vor mich hinvegetiert bin und mich fragte, wieso er tot ist und ich noch lebe. In dieser Zeit habe ich mir gewünscht, selbst tot zu sein. Sie alle wollten bleiben, bei mir sein, mir Halt geben, doch ich habe sie weggeschickt, bat sie zu gehen und mich alleine zu lassen. Mein Anrufbeantworter war voll mit ihren Anrufen. Unzählige Nachrichten hinterließen sie und doch rief ich keinen von ihnen zurück. Ich habe bis heute nicht zurückgerufen. Es war meine Art, die Dinge zu regeln. Ich wollte niemanden sehen, niemanden hören und schon gar nicht ihr Mitleid erregen.
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Puppenspieler
Mystery / ThrillerEs mag ein Zufall sein, dass gerade du dieses Buch liest, aber ich glaube an Zufälle. Es ist dein Schicksal. Nach dem Mord an ihrem Mann verlor Psychologin und Verhaltensanalytikern Lilith Kinsey den Boden unter den Füßen, doch der Albtraum hat gera...