Lilith Thunderman

~5~

Am nächsten Morgen wurde ich von Nora geweckt, welche auch eben erst aufgestanden ist. Meiner Erfahrung nach wird dies das einzige Mal sein, dass sie mich am Tag bemerkt. Aber was solls, ich bin es ja gewohnt. Ich richtete mich und ging mit meinem Rucksack nach unten ins Esszimmer. Nach dem Frühstück begleitete Max mich zum Kindergarten bevor er selber in die Schule ging. Er macht dies jeden Tag, weil er genauso gut wie ich weiß, dass niemand anderes daran denken würde. Also geht Max eben früher los damit ich nicht alleine laufen muss. Im Kindergarten ist es für gewöhnlich immer langweilig aber heute würde es anders sein. Da war ich mir zu hundert Prozent sicher.
Während alles aufgebaut wurde, für die Schattenspiele nahmen wir unsere Taschenlampen aus unseren Rucksäcken heraus. Ich stand wie immer alleine in der Ecke herum und wartete, dass wir anfangen würden. Zumindest bis einige der anderen Kinder zu mir kamen. Monty und seine Freunde, Justin und Zach, stellten sich als eine Gruppe zusammen. "'Hab gesehen, dein Bruder hat dich wieder gebracht. Anscheinend interessieren sich deine Eltern ebenso wenig für dich wie alle anderen. Ich könnte glatt Mitleid haben." Dies war nicht das erste Mal, dass Monty so etwas zu mir sagt. Kinder können grausam sein, weshalb ich es ihm gleich tat. Ich schaute auf meine umgebaute Taschenlampe und stieß ihm das Glas für einige Sekunden in den Bauch. Für Justin und Zach sah es so aus als hätte ich ihn nur damit geschlagen aber ich wusste es besser. Es fühlte sich gut an mich endlich zu rächen. Seit meinem ersten Tag im Kindergarten in Hiddenville machte er mich zu seinem Opfer.
Justin holte eine der Erzieherinnen und Zach half Monty, der auf die Knie gefallen war. Und was machte ich? Ich grinste blöd vor mich hin, während ich dieses befriedigende Gefühl der Rache genoss. Das Grinsen verflog sofort als die Erzieherin auftauchte. Ich konnte ihr nicht zeigen, dass ich es toll fand wie Monty dort zusammengekauert vor mir lag. Um das ganze Prozedere mit den Aufsichtspersonen zu beschleunigen, komme ich gleich zum Punkt wie es abgelaufen ist. Montys und meine Eltern wurden angerufen, um uns früher abzuholen und nun sitze ich neben meinen Eltern im Büro der Leiterin des Kindergartens. Alle Erwachsenen wollten, dass ich mich entschuldige. Monty hat nichts zu der Situation gesagt, weil er Angst vor mir hat. Mein Ziel wurde also erfüllt, ich hab endlich meine Ruhe vor ihm. "Warum muss ich mich entschuldigen, wenn es nicht einmal klar ist, dass ich ihn geschlagen habe? Er hätte auch selber in die Taschenlampe laufen können oder er ist einfach selber zu Boden gegangen und seine Freunde wollten mir eins auswischen. Dadurch dass Monty nichts dazu sagt, können wir es nicht wissen." "Hast du ihn geschlagen, ja oder nein?" "Meine Eltern haben mir beigebracht, nicht zu lügen, daher will ich ehrlich sein. Nein, ich habe ihn nicht geschlagen." Ob ihr's glaubt oder nicht, ich habe keinen Ärger bekommen. Wir mussten beide früher nach Hause gehen und das war's. Daheim fragten mich Mum und Dad nochmal, ob ich gelogen hatte. Was ich tat, aber das mussten sie ja nicht wissen. "Ihr habt mir beigebracht die Wahrheit zu sagen." "Und Max hat dir was anderes beigebracht." Ich ging einfach an ihnen vorbei in mein Zimmer.
Als Max nach Hause kam, ging ich in sein Versteck. "Ich hab gehört was passiert ist." "Was genau hast du gehört? Ich hab' es nämlich geschafft jeden davon zu überzeugen, dass nichts passiert ist." "Das ist 1A Manipulation", schaltete sich Colosso ein. Ich schenkte ihm ein Lächeln bevor meine Aufmerksamkeit wieder Max galt, der ernster wirkte als Colosso. "Du hast einen Jungen die Taschenlampe in den Bauch geschlagen. Ich dachte, wir waren uns einig nicht zu töten." "Und ich sagte, dies ist nicht meine Intention. Es waren nur ein paar Sekunden, dazu nicht mal annähernd genug Volt um jemanden zu töten. Ich wollte ihm nur eine Lektion erteilen." Anstatt zu fragen, sah Max mich einfach mit einem Blick an der sagte, dass ich weiter darauf eingehen soll. "Dass man sich nicht mit mir anlegen sollte. Ich lass mich nicht mehr mobben, weil meine Eltern sich einen Scheiß für mich interessieren." "Warte, was? Warum hast du nie was gesagt?" "Welchen Unterschied hätte es gemacht? Mein großer Bruder, der mich immer zum Kindergarten bringt, verteidigt mich, weil kein anderer sich für mich interessiert. Ja, das macht definitiv alles besser." Beim letzten Satz triefte meine Stimme vor Ironie. "Ich hab selber gehandelt. Anders gesagt, ich hab mich gerächt und nun hat er Angst vor mir. So sehr, dass er niemanden gesagt hat was passiert ist. Nur dadurch war ich in der Lage allen weis zu machen, dass ich unschuldig bin." Während Max diese Informationen erst noch verdaute, fing Colosso an Fragen zu stellen. "Wie hast du dich gefühlt als er vor dir zu Boden ging durch den Elektroschock?" "Ich hatte mich endlich gerächt, also großartig. Als Monty vor mir auf dem Boden kauerte, ich hab mich gefühlt als könnte ich nicht glücklicher sein. Ich stand über ihm, buchstäblich." "Deswegen wolltest du die Erfindung bauen." Max traf den Nagel auf den Kopf. "Ich hatte genug. Und vielleicht dachte ich für eine Sekunde, dass wenn ich mich 'schlecht' benehme wie du, Mum und Dad mich endlich mal bemerken würden. Oder zumindest mal mit mir reden würden." Ich zuckte am Ende mit den Schultern bevor Max mir sagte, ich solle in mein Zimmer und meinen Triumph genießen. 

Max POV.

"Du weißt, was das bedeutet, Max. Sie hat großes Potenzial ein Schurke zu werden." "Was sie getan und gefühlt hat, ist mehr als nur vielversprechend, ja. Dennoch muss sie selber entscheiden, ob sie diesen Weg gehen wird." "Und dann bringen wir ihr alles bei, was sie wissen muss."