4. Advent

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Gut, ich müsste eigentlich noch nicht den Baum schmücken, aber ich hatte Zeit und war heute Morgen mit verheißungsvoller guter Laune an diesem spielfreien Sonntag.

Ich hatte die Kartons mit der Weihnachtsdekoration aus der Abstellkammergeholt und den Baum reingeholt, der mir heute sowieso geliefert worden war.

Die Dekoration hatte mir meine Mutter geschenkt, als ich in meine letzte Wohnung in Leverkusen gezogen war. Einige Stücke waren auch Geschenke von Freunden, Teamkollegen und anderen Familienmitgliedern.

Den Baum hatte ich schnell aufgestellt und eine ungefähre Planung, wie ich schmücken werde. Als erstes war die rote Kugel-Girlande dran. (AN: kleine Kugeln, ca. 1 cm Durchmesser, an einer Kette)

Mit der Girlande fertig holte ich die Verpackung mit der Lichterkette aus einer der größeren Kartons hervor. Bemüht die einzelnen Leuchtelemente der Lichterkette gleichmäßig zu verteilen wanderte ich um den Baum und befestigte die einzelnen Lichter an den Zweigen.

Zufrieden mit dem Zwischenergebnis holte ich den ersten Karton mit roter größerer Kugel hervor und versuchte auch diese gleichmäßig und ansprechend zu verteilen. Balou, welcher zuvor eher misstrauisch zugeschaut hatte, nahm seinen ganzen Mut zusammen und beschnüffelte nun den Karton aus dem ich die Kugeln nahm. Er schien sie als ungefährlich einzustufen und schaute sich mein Spektakel genauer an.

Die großen Roten gefiel mir recht schnell im Baum und ich holte die Kiste mit dem goldenen großen Kugeln, die Zahlenmäßig zwar weniger vertreten waren, aber etwas Abwechslung reinbrachten.

Als vorletzte Sache fehlten nur noch die kleineren roten und goldenen Kugeln, auch hier sind die roten etwas in Überzahl. Aber anders, als bei den größeren Kugeln waren hier alle spiegelglänzend lackiert, bei den größeren Kugeln war die Hälfte bei beiden Farbversionen matt.

Balou hatte mittlerweile verstanden, dass das Verhalten von mir, den Baum zu schmücken und schief Weihnachtslieder mitzusingen, normal war und begann die kleinen Kugeln ausgiebig zu untersuchen. Kurzentschlossen nahm er eine der kleinen goldenen Kugeln an dem Aufhänger in sein Maul und brachte sie zu mir und legte sie mir vorsichtig auf die Handfläche, zur Belohnung bekam er eine Streicheleinheit, bevor ich die von ihm gebrachte Kugel ebenfalls in den Baum hängte.

Die restlichen Kugeln hängten wir mit dem gleichen Prinzip gemeinsam in den Baum. Erstaunlicherweise ging dabei keine einzige Kugel zu Bruch.

Zuletzt fehlten nur noch ein paar schleifen in rot und gold im Baum und ich konnte mein Meisterwerk betrachten. Freudig mit den Schwänzchen wedelnd brachte mir Balou die letzte Schleife, die ich feierlich und stolz in den Baum hängte.

Zusammen mit Balou setzte ich mich einige Sekunden auf den Teppich vor den nun erleuchteten Baum und betrachteten unser Werk. Meine Gedanken wanderten zu den Geschehnissen der letzten Woche.

Es hatte wieder alles irgendwie gepasst. Am Dienstag ging es nach Wolverhampton, wo ich tatsächlich in der Startelf stand und ein Tor geschossen hatte und somit hatte mich meine Auswechslung in der 67. Minute auch nicht mehr wirklich gestört, denn ich auch einige Torchancen kreiert hatte. Diese Entwicklung folgte nun endlich meinen Vorstellungen, die ich mir beim Wechsel ausgemalt hatte.

Ich und Balou wurden aus unserem Betrachten des fertig geschmückten Baumes gerissen, durch den mittlerweile bekannten Boten, welcher diesmal ein wirklich süßes und kleines Päckchen in der Hand hielt und mir es überreichte.

Beim öffnen viel mir als erstes ein Umschlag mit der Notiz, ‚Auch dieser Umschlag ist für den 24. Dezember. Ich hoffe dir gefällt die kleine Vorauswahl von Bildern. Frohen vierten Advent!' Ich legte ihn also sorgfältig zu dem größeren Umschlag, der neben der Couch auf dem Sideboard lag.

Nach einem griff in das Päckchen fischte ich drei Fotos heraus, in der Größe, dass sie optimal in die Puzzlestück-Bilderrahmen passten.

Direkt auf dem ersten Foto war eine Szene festgehalten worden, die mich trocken schlucken ließ. Ich war in mitten meiner Esel-Herde abgebildet und fütterte sie mit Äpfeln und Möhren. Am Bildrand konnte ich den Kopf von Nala erkennen, und erinnerte mich zurück an diesen Tag, an dem ich mit Jule und Mitch bei den Eseln gewesen war um sie einander vorzustellen. Es ist schlimm die Herde zurückzulassen, auch wenn ich wusste, dass sie liebevoll umsorgt wurden und ich sie, nach der Pandemie natürlich, besuchen kann, wenn ich Zeit dafür hatte. Aber ich hätte ihnen den Stress eines Umzuges dieser Art nicht zumuten können. Vorsichtig und erneut schluckend packte ich das Bild ans Ende des kleinen Stapels und legte somit das nächste Bild frei.

Diesmal war es ein Bild mit allen Mannschaftskollegen aus Leverkusen, inklusive Jule. Wir waren alle in Ausgehkleidung Kleidung, um Jule zu verabschieden. Es war schrecklich gewesen, auch wenn ich auf dem Bild lächelte war mir damals so gar nicht danach gewesen. Am Tag danach hatte ich Jules Umzugswagen hinterher gewunken und mich danach zwei Tage zum Trauern und zum versinken in Liebeskummer in meiner Wohnung verschanzt und mich praktisch in Selbstmitleid und Tränen zu ertränken, bis mich die Bender Zwillinge gemeinsam rausholten und mich beschäftigten, um mich abzulenken und verarbeiten zu können.

Vielleicht waren ja auch die Zwillinge hinter den Geschenken. Sie waren schließlich die Teaminternen Heimwerker und hatten bisher bei jedem anstehenden Ein- und Auszug und jeder Renovierung geholfen. Ich lächelte über diesen Gedanken, es wäre ein echt nettes Geschenk von den beiden, obwohl mich das Gefühl von Heimweh in diesem Moment vollkommen einnahm, neben dem wieder hochkommenden Liebeskummer.

Das letzte Bild aus dem Stapel war das Bild, was meine Dämme schließlich brechen ließ und ich fing an leicht zu weinen und zu schluchzen. Jule und ich saßen auf seiner Couch im Wohnzimmer seiner Leverkusener Wohnung und zockten Fortnite. Wir saßen aneinander gekuschelt da, wie wir es so oft getan hatten, ich in seinen Armen und an seinen Oberkörper gelehnt. Wir tragen beide ein glückliches Lächeln auf unseren Lippen, was unser beider Augen strahlen ließ. Das Bild war aufgenommen worden, bevor ein Wechsel von Jule irgendwo hin überhaupt im Gespräch gewesen war und wir noch unbekümmert waren.

Ich konnte nur noch im Tränenschleier die Bilder auf dem Kaffeetisch vor mich legen, bevor ich mit Balou im Arm, welcher sich vor Sorge wegen meinen Tränen schon vorher auf meinen Schoß geklettert war um mir Trost zu spenden, endgültig zusammenbrach.



Der Baum ist geschmückt und alles für das anstehende, aber ziemlich einsame, Fest ist vorbereitet.

Ich schwöre, dies ist das letzte Mal, das Kai wegen Liebeskummer weinen wird in dieser Geschichte.

Ist das Verhalten von Balou nicht einfach nur knuffig? Ich wünsche mir auf jeden Fall auch einen!

Ich hoffe es gefällt euch, lasst gerne eure Meinung und Verbesserungen da.

LG,

Ju


(20.12.2020)

A Creative Christmas Tale (Bravertz)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt