(Video von Humanoide VFX / Pixabay)
»Okay. Du hast mir eine Hintergrundgeschichte zum Thema Ursprung des Bösen gegeben. Du hast meine strikt naturalistische Weltsicht hinterfragt. Du hast dich bemüht, mir das Thema Leid etwas zu erklären und hast viel von der Liebe Gottes, sogar in den Geboten, gesprochen. Aber ehrlich! Das passt doch alles gar nicht zusammen!«, brummte ich.
Mein Gegenüber zog die Augenbraue hoch: »Was meinst du damit?«
Hilflos ruderten meine Arme durch die Luft: »Wie bekommst du bitte schön alles unter einen Hut? Wie kann dein Gott ein Gott der Liebe sein, wenn er ungläubige Menschen bis in alle Ewigkeit mit Feuer und Schwefel in der Hölle quält? Und jetzt komm mir nicht mit dem Schmarrn: Gott ist unendlich heilig und die Sünde ist für ihn unendlich schlimm und darum wäre das gerecht!« Sie seufzte. Dann sagte sie: »Macht er ja auch nicht.«
Ich glaubte mich verhört zu haben und mein Gehirn ging diese fünf Wörter erneut durch: »Macht er ja auch nicht.« – Ja, das waren ihre Worte. Nun überlegte ich, ob ich den Sinn verstand. Konnten diese Worte noch einen anderen Sinn haben als den des direkten Widerspruchs zu meiner Aussage? Nein. Ob diese Biologiestudentin, die täglich ihre Nase in die Bibel steckte, vielleicht irgendwie ... ähm... etwas beschränkt war? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Ich wusste doch genau, was in der Bibel steht. Ich hatte diese miesen Textstellen höchstpersönlich mit einem roten Bundstift in meiner »Konferbibel« angestrichen. »Aber das steht doch in der Bibel!«, platzte ich heraus und sprang auf, um die Bibel aus dem Bücherregal zu nehmen. Aus irgendeinem Grund hatte die Bibel in meinem Studentenzimmer doch einen Platz gefunden. Ehe sie etwas sagen konnte (oder vielleicht sagte sie ja auch etwas, aber es erreichte mich nicht) zitierte ich: »Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!« (Matthäus 25,41). Laut klappte ich die Bibel zu. Ich hatte den Vers mit herausforderndem Ton vorgetragen und blickte nun auf, um meinen Diskussionsgegner ratlos zu sehen. Aber sie lächelte leicht. Ihre Ruhe war irritierend. Es war ungewohnt für mich, denn ich war doch im Recht. Es steht ja da: Schwarz auf Weiß. Und ich war nicht blöd oder Gehirn gewaschen – im Vergleich zu anderen. »Ich gebe zu«, begann sie und mein Herz schlug höher, »dass diese und andere Texte genau so klingen wie du sie offenbar verstehst. Es ist kein einfaches Thema, aber wenn man genauer prüft, was da eigentlich steht und Bibelstelle mit Bibelstelle vergleicht, dann wirst du sehen, dass alles ganz anders ist.« – Ich runzelte die Stirn: »Wie soll man das mit dem ewigen Feuer anders verstehen? Ewig ist ewig.«
»Eben nicht!«, sagte sie und stand auf. »Warte, ich habe etwas für dich!« sagte sie kurz und verschwand mit diesen Worten aus meinem Zimmer, um kurze Zeit später mit einem kleinen Büchlein zurückzukommen. »Schau dir das mal an und dann können wir über diese Bibelstellen in Ruhe reden.« – Misstrauisch nahm ich ihre Sektenliteratur entgegen. War nicht das erste Mal, dass ich irgendeinen Quatsch in die Hände gedrückt bekommen hatte.
Ich lass die eine Hälfte des Buches am Nachmittag, die zweite Hälfte am folgenden Tag. Der Autor stellte da so manche Vorstellung von mir auf den Kopf. Angefangen bei dem, was die Bibel über den Tod und die Seele sagt. Dann weiter mit den Begriffen Totenreich und Hölle und schließlich ging das Buch auf die Wiederkunft Jesu, die Neue Erde und die Bedeutungen von »ewig« ein.
Systematisch zeichnete der Autor ein ganz anderes Bild als jenes, das mir geläufig war und von dem man so oft gehört hatte – sei es durch »Geschichten«, z. B über einen Mann, der seine Chance aus dem Feuer der Hölle gerettet zu werden verwirkte, als er verhindern wollte, dass sich jemand mit ihm aus der Hölle ziehen ließ. Meine Oma erzählte mir diese Geschichte, als ich ein kleines Kind war. Es gab auch oft genug feurige Christen, die mit Pamphleten mich vor den ewigen Qualen im Feuer retten wollten. Als ich in England war, hatte mir mal ein Baptist so ein Pamphlet in die Hand gedrückt, auf dem auch viele Bibelstellen gedruckt waren. Dieses Schriftstück brachte ich sogar mit nach Deutschland – nicht, weil mich die Worte beeindruckten, sondern als eine faktische Demonstration dessen, was für ein Zeug die Christen doch glauben. Entsprechend hatte ich angenommen, dass alle Christen mehr oder weniger dieselben Vorstellungen zu dem Thema hatten: Nach dem Tod gehen die Seelen der Gläubigen in den Himmel – einen Ort ewiger Glückseligkeit oder, wenn die Menschen ungläubig oder böse waren, in die Hölle – einem Ort ewiger Qual. So einfach. So klar. Okay, die Katholiken hatten da noch irgendwie ihr komisches Fegefeuer als Zwischending. Aber sonst alles biblisch. Dachte ich. Das mit der Wiederkunft Jesu, dem Gericht und der Neuen Erde war mir irgendwie nicht sonderlich präsent. Klar hatte ich bestimmt davon mal gehört. So Fragmente. Dank Hollywood – die Apokalypse usw. In den Predigten in der Landeskirche wurde über diese Dinge nicht oder kaum gesprochen. Irgendwie hatte ich das alles nicht zu Ende gedacht, sondern hatte diese Vorstellungen einfach abgespeichert, und sie abgelehnt, und zutiefst verachtet: Was für ein grausamer Gott!
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Die fehlende Antenne - Und wo, bitteschön, ist Gott?
Non-FictionIn diesem Buch schildere ich meinen Glaubensweg - semi-christlich erzogen, dann Atheist, Agnostiker - am Ende Christ (so ein gaaanz schlimmer!). Bitte tut mir einen Gefallen: Lest dieses Buch NICHT, wenn für euch »Glaube« ein rotes Tuch ist. Versuch...