Es gibt verschiedene »Vorschriften« in der Bibel. Manche von ihnen sind uns vielleicht ein Dorn im Auge, andere selbstverständlich. Die »Zehn Gebote« sind die bekanntesten dieser göttlichen »Vorschriften«! Ich behaupte, wichtiger als die ausformulierten Regeln, ist das dahinterstehende Prinzip. Das kann sogar so weit gehen, dass es unter Umständen richtig wäre, gegen »göttlich ausformulierte Gesetze« zu verstoßen! (Ja, du hast richtig gelesen! Kurze Pause zum Durchatmen!)
Ich bin mir klar, dass ich mich hier auf extrem dünnen Eis bewege und meine Sicht wird sicherlich nicht von allen Christen geteilt. Über dieses Thema könnte man ein ganzes Buch schreiben! Und das haben manche schon getan! Auch hier möchte ich ein Werk empfehlen: »So verhalte ich mich richtig!? - Vom Umgang mit den Geboten Gottes und der Entscheidungsfreiheit« - ebenfalls von Harald Weigt geschrieben. Ich will versuchen, den Kerngedanken zusammenzufassen. Natürlich gibt es eine große Anzahl von Vorschriften in der Bibel. In den Zehn Geboten sind die wichtigsten zusammengefasst: Die ersten Gebote behandeln das Handeln, das Reden und das Denken der Menschen im Bezug auf Gott, die übrigen das Denken, Reden und Handeln im Bezug auf den Mitmenschen. Im Zentrum dieser auf- und absteigenden Reihenfolge stehen die Gebote bzgl. des Sabbats (Feiertags) und der Ehrung der Eltern.
Auf die Frage, welches das höchste Gebot im Gesetz sei, antwortete Jesus in Matthäus 22,37-40: »‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt' (5. Mose 6,5). Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst' (3. Mose 19,18). In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.«
Dieses sogenannte »Doppelgebot der Liebe«, fasst alle Gebote, das Gesetz und alles, was die Propheten zur Ermahnung gesagt haben, zusammen. Der Rest sind konkrete Ausformulierungen für verschiedene Fälle. Dahinter steht das Prinzip der Liebe.
Aber das Leben ist komplex! Und es gibt heute Möglichkeiten, die es damals nicht gab. Manchmal ist es sehr schwierig zu entscheiden, wie man sich recht verhalten soll. Nicht nur, dass es wohlmöglich keine passende direkte Antwort in der Bibel gibt, sondern auch, weil verschiedene Vorgaben in Konflikt miteinander stehen können. Jesus spricht dieses Problem in Lukas 14,1-6 selbst an: »Ist's erlaubt, am Sabbat zu heilen oder nicht?«
Manche Gesetzeslehrer und Pharisäer machten Jesus diesbezüglich Vorwürfe. War das Heilen nicht Arbeit? Und Arbeit war am Sabbat verboten! Auf der anderen Seite war es auch schon damals üblich, einen verunglückten Menschen oder ein verunglücktes Tier aus einem Brunnen zu retten - auch am Sabbat. Wenn man Tieren helfen durfte, damit sie nicht leiden, warum dann nicht auch Menschen?
An vielen Stellen, so etwa auch in der Bergpredigt (Matthäus 5) oder in der berühmten Aussage »Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.« (Markus 2, 27) versucht Jesus deutlich zu machen, worum es im Kern geht. So beginnt Ehebruch schon im Herzen und nicht erst in der Tat! Die Bergungsarbeiten an einem Sabbat sind für die meisten von uns kein Problem. Für die Menschen damals zum Teil schon. Aber wie ist es mit anderen Dingen? Darf man unter Umständen lügen? Stehlen? Die Ehe brechen? Oder gar töten? Kann man das in Einklang mit »Gottes Gesetz« bringen?
Bevor ich meine Ausführungen dazu vertiefe, möchte ich präventiv verteidigend ein paar Anmerkungen machen. Es geht mir in diesem Kapitel nicht darum, »Bibelstellen gegeneinander auszuspielen« oder »künstlich Gegensätze zwischen wichtigen Geboten und unwichtigen Geboten« und »unbiblische Unterscheidungen von kleinen und großen Sünden« einzuführen. Auch »der Zweck heiligt die Mittel« ist nicht mein Lebensmotto. Ich weiß, dass manche Christen dieses Kapitel nicht wohlwollend betrachten - vorsichtig formuliert. Ich behaupte, dass meine Sicht durchaus mit der Bibel verträglich ist. Es gibt zudem Fakten, die man nicht ausblenden darf: Die Welt ist nicht schwarz-weiß, sondern bunt.
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Die fehlende Antenne - Und wo, bitteschön, ist Gott?
Non-FictionIn diesem Buch schildere ich meinen Glaubensweg - semi-christlich erzogen, dann Atheist, Agnostiker - am Ende Christ (so ein gaaanz schlimmer!). Bitte tut mir einen Gefallen: Lest dieses Buch NICHT, wenn für euch »Glaube« ein rotes Tuch ist. Versuch...