3. Kapitel

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"Was?", ungläubig weitete ich die Augen. Ich konnte es nicht glauben. Ein einziges Mal war ich nicht in der Schule gewesen und schon verpasste ich so viel.

Nachdem ich heute Morgen aufgestanden war und ich in den Spiegel geguckt hatte, war mir sofort klar gewesen, dass ich nicht in die Schule gehen konnte. Es war mir nicht möglich gewesen, den blauen Fleck abzudecken oder zu verstecken. Ich rief in der Schule an, meldete mich krank, wartete bis Colin und Tia die Wohnung verließen und kroch wieder ins Bett. Dort befand ich mich auch, als Freya anrief, um mich auf den neusten Stand zu bringen und sich zu erkundigen, wie es mir geht. Freya war meine beste Freundin. Wir verbrachten jede freie Minute zusammen und eigentlich erzählten wir uns auch alles, doch über die Probleme mit meinem Vater konnte ich mit ihr nicht reden. Ich wollte allein damit fertig werden und ich wollte nicht, dass sie sich unnötige Gedanken machte.

Sie war gerade dabei mir zu erzählen, dass wir einen neuen Mitschüler bekommen hatten. Ich war sehr überrascht, denn wir waren die Abschlussklasse und wer wechselt denn bitte in seinem Abschlussjahr die Schule? In einem halben Jahr würden wir unser Abitur haben und  fertig mit der Schule sein. Naja hoffentlich...

"Logan heißt er", fuhr Freya fort, "Seine Eltern kommen aus Amerika. Meiner Meinung nach ist der Typ stinkreich! Alle Mädchen haben ihm nachgeschaut. Zu verübeln ist es ihnen nicht. Er sieht schon gut aus."

Freya klang nun sehr aufgeregt. Sie erzählte und erzählte und war nicht mehr zu stoppen. "Ihh. Ist ja ekelhaft!", erwiederte ich mit einer genervten Stimme. Wir führten  inzwischen kein Gespräch mehr, sondern es glich eher einem Monolog. Nun wollte auch etwas zu dem Gespräch beitragen und mich einbringen. "Ist da etwa jemand verliebt?", ich liebte es Freya aufzuziehen und ein wenig zu ärgern. Ich stellte mir ihr hübsches, immer perfekt geschminktes Gesicht vor, das langsam rot wurde, was mich sehr amüsierte. Daraufhin sagte sie mit ernster Stimme: "Bei dem hab ich doch sowieso keine Chance." Ich war sehr gespannt. Ich wollte diesen Logan endlich kennenlernen. Ich wollte wissen, welcher Typ meiner besten Freundin den Kopf verdrehte. Von dem was ich von Freya gehört hatte, wirkte Logan  auf mich eher unsympathisch. Niemand sagte mehr etwas und eine unangenehmen Pause entstand. Ich räusperte mich und wollte mich schließlich verabschieden und auflegen, doch dann räusperte sich auch Freya und fing an zu reden: "Wie blöd von mir, ich habe dich gar nicht gefragt, wie es dir geht. Warum warst du eigentlich nicht in der Schule?" "Es ist nichts besonderes. Mir geht es gut.", erwiderte ich schnell. Wahrscheinlich zu schnell, denn Freya bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. "Was ist los? Du kannst mir ruhig vertrauen. Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte sie weiter. "Ne, ne. Es ist alles gut. Wirklich.", murmelte ich. Ich überlegte kurz, ob ich noch eine Ausrede herunterleiern sollte, doch entschied mich kurzerhand dagegen. Ich wollte Freya nicht noch mehr anlügen. Freya bemerkte, dass ich nicht weiter darüber reden wollte. Sie respektierte es und fragte nicht weiter nach. Wir redeten noch eine Weile über belanglose Dinge und legten dann auf.

Ich schaute auf die Uhr. 17:00 Uhr. In einer Stunde würde meine Schicht im Restaurant anfangen. Ich quälte mich aus dem Bett und ging ins Bad. Dort zog ich mich um und kämmte meine Haare. Währenddessen überlegte ich die ganze Zeit, was ich mit dem blauen Auge machen könnte. Ich konnte die Arbeit nicht schon wieder absagen. Ich schaffte es mit sehr viel Schminke den blauen Fleck einigermaßen zu übermalen. Er war zwar noch deutlich zu sehen, aber so schlimm sah er nicht mehr aus. Zufrieden ging ich aus dem Haus. So könnte ich auch morgen in die Schule gehen und endlich diesen geheimnisvollen Logan kennenlernen. Das Gespräch von eben spukte noch immer in meinem Kopf herum. Freya klang echt sehr verliebt. So kannte ich sie gar nicht. Ich ließ meine Gedanken schweifen und ging weiter. Dann lief ich etwas schneller, denn ich musste mich beeilen. Diese Schminkaktion hatte ziemlich viel Zeit gekostet.

Etwas gestresst kam ich an. Das Restaurant war nicht groß, aber gemütlich und liebevoll eingerichtet und schön dekoriert. Aus eigener Erfahrung konnte ich sagen, dass das Essen hier vorzüglich schmeckte. Die Besitzer waren sehr lieb und fürsorglich und ich wurde auch nicht schlecht bezahlt. Ich hatte sehr viel Glück mit meiner Stelle. Ich zog schnell die Arbeitsklamotten an, die aus einem roten Hemd und einer schwarzen Schürze bestanden und schon konnte es los gehen. So früh am Abend waren nicht viele Leute in dem Restaurant und ich hatte nicht viel zu tun. Je später es wurde, umso mehr füllte sich das Restaurant. Ich bediente gerade eine ältere Dame, als die Tür aufging und jemand meinen Namen schrie. Ich schaute mich um. Die Stimme kannte ich. Es war Colin. Schnell nahm ich die Bestellung der Dame auf und rannte zu Colin. "Alles okay?", fragte ich außer Atem. Ich war besorgt:, "Was willst du hier? Ist etwas passiert?" Colin schaute mich an und antwortete: "Zu Hause macht niemand auf und ich habe meinen Schlüssel vergessen." So langsam wurde ich wütend. Ich hatte mir echt Sorgen gemacht, irgendetwas Ernsthaftes wäre passiert. Ich schaute ihn wütend an und fragte im ernsten Ton: "Colin ist das dein Ernst? Ich mache mir hier Gedanken. Du kommst hier angerannt und schreist rum. Ich habe gedacht es wäre sonst was passiert. Man, du bist 15 Jahre alt. Da kann man selbst an seine Sachen denken. Ich kann doch nicht an alles denken!" Ich kramte in meiner Hosentasche und zog meinen Haustürschlüssel heraus. Wortlos zeigte ich auf die Tür, um Colin zu verdeutlichen, dass er verschwinden sollte. Er murmelte noch leise: "Danke und Entschuldigung!" und so schnell wie er gekommen war, war er auch wieder weg. Ich machte mich wieder an die Arbeit, doch es fiel mir schwer mich zu konzentrieren. So viele Sachen schwirrten in meinem Kopf herum. Ich machte mir Gedanken um Colin und Tia. Freya war heute auch komisch gewesen. Einen Streit mit ihr konnte ich nicht ertragen. Und wie lange ich noch Papas Schläge aushalten würde, war auch unklar. Ich bekam Kopfschmerzen und es war immer schwieriger sich zu konzentrieren, deshalb war ich froh, als ich um 22:00 Uhr, also eine Stunde früher als sonst gehen durfte, weil nicht mehr viele Gäste im Reataurant waren.

Die frische Luft auf dem Heimweg tat mir gut und leerte ein bisschen mein Kopf, doch zu Hause angekommen ging der ganze Stress wieder von vorne los. Papa war zu Hause, aber schreite Tia und Colin nur an. Tia war am Heulen und Colin war alles egal. Es herrschte totales Chaos und natürlich musste ich alles wieder geradebiegen. Ich schnappte mir Tia und Colin und zerrte sie in unser Zimmer. Papa ging ich aus dem Weg, denn einen Streit mit ihm wollte ich vermeiden. Ich tröstete Tia, brachte sie ins Bett und laß ihr so lange eine Gutenachtgeschichte vor, bis sie tief und fest schlief. Im Wohnzimmer war es inzwischen leise geworden. Ich öffnete die Tür und sah, dass das Licht auch ausgeschaltet war. Papa musste also entweder im Bett oder nach draußen gegangen sein. Wo er war, war mir eigentlich egal, hauptsache er kam Colin, Tia und mir nicht in die Quere. Colin hatte sich inzwischen auch ins Bett gelegt und versuchte zu schlafen. Ich war noch viel zu aufgeregt, um zu schlafen. Ich ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Ich sah eine Quizshow und verfolgte, wie die Kandidaten Frage für Frage meisterten. So bemerkte gar nicht, wie ich langsam auf dem Sofa einschlief.

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