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Jess

Stöhnend rieb ich mir die Augen. Ich war lange nicht mehr verkatert, wobei gesagt werden sollte, dass ich auch nicht wirklich viel verkraftete. Wanda lag neben mir auf dem Sofa und hatte eine genauso umgemütliche Schlafposition wie ich eingenommen. Einen Blick auf die Wanduhr verriet mir, dass wir kurz nach zehn hatten. "Pssssst, Wanda.", ich stupste sie mit meinem Fuß an. Dios, war es hell. Und warm, ich hatte vergessen, die Außenrollos herunter zu fahren. "Wanda!", rief ich nun etwas gereizter. "Hmm?", murmelte sie. "Wir haben unsere Kurse verpasst.", eröffnete ich ihr, "No, un Momento, deiner läuft gerade noch."

"Scheiße", murmelte sie nur. Ihre Schuld, hätte sie einfach den Weißwein bei sich gelassen. "Du hast mich abgefüllt.", gab sie mir die Schuld. "Soy? Du bist doch mit dem Zeug zu mir gekommen.", verteidigte ich mich. Gestern Abend stand sie vor meiner Wohnungstür. Mit Sushi und Wein. Dass ich unsere Verabredung vergessen hatte, behielt ich einfach für mich und behauptete, dass im Cafe sehr viel los war. Natürlich berichtete ich ihr auch von Matteo und seinem kleinen Bruder. Wanda, die nach meiner Erzählung komplett ausgerastet war, konnte sich kaum wieder einkriegen. Ich fand dies jedoch nicht so berauschend, immerhin wusste er jetzt, wo ich arbeitete. Er kannte meinen Rückzugsort. "Wir haben beide Schuld.", sagte Wanda nun und richtete sich auf. "Ich borge mir ein paar Sachen und benutze die Dusche.", fügte sie noch hinzu, bevor sie aus meinem Wohnzimmer verschwand. Seufzend begab ich mich in meine Mini-Küche, um mir mein heiß geliebtes Matcha zu machen. Mit Kaffee konnte ich nicht so viel anfangen, außerdem kickte Matcha mehr als Koffein aus dem Kaffee. In Gedanken schäumte ich das grüne Pulver in Sojamilch auf. Für Wanda schaltete ich die Kaffeemaschine ein, die ich eigentlich nur ihretwegen und wegen meines Yayos hatte. Abuela trank auch keinen Kaffee. Die drei waren auch die Einzigen, die ich jemals in meine Wohnung gelassen hatte. Das grüne Gemisch toppte ich noch mit Eiswürfeln, damit es mich von innen etwas abkühlte und lief dann in mein Schlafzimmer. Einige meiner Tops lagen auf meinem unbenutzten Bett und auch die Schubladen meiner Kommode standen noch offen. "Wanda, du huevo!", beschwerte ich mich lauthals. "Ich hör dich nicht!", rief sie zurück.

Genervt faltete ich meine Sachen wieder zusammen und legte sie zurück in die Kommode. Aus der untersten Schublade nahm ich mir eine blaue Jeans-Shorts und von der Kleiderstange ein weißes, luftiges Leinentop. Im Badezimmer angekommen tauschte ich mit Wanda die Plätze und schlüpfte unter die Dusche, während sie sich die Zähne putzte. "Ich hab' die Kaffeemaschine angemacht.", teilte ich ihr mit. "Ich hab dein Zimmer unordentlich gemacht."

"Lo sé!", antwortete ich ihr augenrollend. "Ich mache Frühstück, okay?", fragte sie mich. "Vale" Die Badezimmertür schloss sich und ich trat aus der Dusche. Auch hier hatte Wanda ein richtiges Chaos hinterlassen. Fertig angezogen, trocknete ich nochmal den beschlagenen Spiegel ab und folgte Wanda dann in die Küche. Sie trug ein fliederfarbenes Kleid, welches ihr ausgesprochen gut stand und perfekt zu ihrer Haarfarbe passte. Ich pfiff ihr anerkennend zu. "Das steht dir gut, kannst es behalten, wenn du willst."

"Echt?", fragte Wanda überrascht nach. "Sí, ich wusste nichtmal, dass ich es noch habe. Es ist einfach zu-", ich suchte nach den passenden Worten. "Mädchenhaft?", half sie mir lachend. "Quizà.", ich zuckte mit den Achseln. "Ich nehme es sehr gerne.", antwortete sie mir dann und schlürfte an ihrem Kaffee. Seufzend hüpfte ich auf die schwarze Arbeitsplatte und sah Wanda erwartungsvoll an. Fragend zog sie eine Augenbraue hoch. "Schwänzen wir den nächsten Kurs auch und holen uns Frühstück?", fragte ich nach. "Jup, kann aber nicht versprechen, dass es drin bleibt." Angewidert über diese Information, verzog ich mein Gesicht. "Wir können uns doch was im Vintage holen und zur Wiese auf dem Campus. Lola hat schon Kurse, vielleicht treffen wir sie."

"No lo sé.", antwortete ich. Mir ist verkatert noch weniger nach Gesellschaft, als nüchtern.

"Es ist nur Lola, außerdem magst du sie doch.", überredete mich Wanda. "Bien! Aber dann los jetzt, hier ist es viel zu warm." Gemeinsam verließen wir meine Wohnung. Im Treppenhaus war es wesentlich kühler und auch draußen schien es kühler als in meiner Wohnung zu sein. "Hattest du keine größere Sonnenbrille?", belächelte mich Wanda, als ich meine Sonnenbrille aus meinem Jutebeutel holte. "Kannst du dich bitte mit jemand anderem über Mode unterhalten?", antwortete ich mit einer Gegenfrage. "Gehen wir zu Fuß?", ignorierte sie meine Antwort. "Sí"

"Warum?"

"Porque no?", beantwortete ich wieder mit einer Gegenfrage.

"Das nervt Jess.", motzte sie mich an. "Es ist viel zu schön, um mit dem Auto zu fahren."

"Es ist viel zu heiß, um nicht mit dem Auto zu fahren.", korrigierte sie mich, wie eine Mutter ihr Kleinkind. "Wir haben es doch gleich geschafft." Mann, konnte dieses Mädchen nerven. Und es stimmte auch, denn von meiner Wohnung konnte man durch einen Park, super schnell zu meinem Arbeitsplatz kommen. Es waren zwar immer noch fünfzehn Minuten, aber es war schöner, als mit dem Auto außen herum zu fahren. "Das ist gelogen.", quengelte Wanda, weswegen ich sie böse anschaute. "Da vorne ist schon die Straße, dann nur noch ein Block. Du bist wirklich nervig Wanda."

"Sagst du?" Genervt schaute ich einfach wieder nach vorne, hätte aber gerne schnell wieder weggesehen. Nur zehn Meter von uns entfernt, liefen Francis und Owen. Gerade als ich Wanda am Arm packen und hinter einen Busch ziehen wollte, wurde Owen auf uns aufmerksam. Mit einem fetten Grinsen im Gesicht, kam er auf uns zu gejoggt. "Mierda!", entkam es mir und auch Wanda hatte schon lange bemerkt, wer da auf uns zu lief. Aber im Gegensatz zu mir schien sie sich über die Begegnung zu freuen. "Wen haben wir denn da? Fräulein Suarez-Sanchez und die Fee.", begrüßt er uns. "Owen hau ab bevor-", so schnell konnte ich meinen Satz gar nicht beenden, da joggt auch Francis auf uns zu, "-Francis uns sieht."

"Was eine Ehre, die schönste Latina Brooklins zu sehen.", begrüßte er mich. Ich ignorierte ihn jedoch nur und lief unbekümmert weiter. "Ah, versteh schon, du willst die Unerreichbare spielen?", fragte er und stieß zu mir auf. Einen Blick über meine Schulter zeigte mir, dass Wanda und Owen immer noch da standen, wo wir stehen geblieben waren. Sag mal, flirten die gerade? "Wanellda!", rief ich wütend, als Francis meinen Arm in seine Hände nahm. Sie zuckt kurz zusammen und sah böse zu mir, änderte aber sofort ihren Gesichtsausdruck, als sie meine missliche Lage erkannte. "Hör zu Honey-", sagte Francis und drehte mein Gesicht zu ihm, "Ich weiß, dass du Vertrauensängste hast, aber keine Sorge, ich bin nicht wie die anderen die du hattest."

"Ich hab weder Vertrauensängste, noch andere, du Spast!", zickte ich ihn an und entfernte seine Hände von meinem Gesicht. "Wir müssen jetzt auch wirklich los!", riss Wanda mich mit. Endlich!

"Tschüß!", rief Owen uns zu. "Netter Arsch!" Bevor ich mich umdrehen konnte, um mich auf Francis zu stürzen, hatte Wanda ihm schon eine verpasst. "Hör mal zu du Flasche: Wenn du sie wirklich kennenlernen willst, verhalt dich wie ein Gentlemen! Keine dummen Sprüche, respektvolles Verhalten.", fuhr sie ihn an, "Oh und noch was, sie ist die schönste Latina der ganzen Welt!" Damit drehte sie uns um und lief weiter Richtung Straße. Ich konnte es mir nicht nehmen lassen und hauchte Owen noch einen Luftkuss zu, bevor ich vor Francis meinen Mittelfinger küsste. "Hör auf süße Dinge zu mir zu sagen.", richtete ich mich dann an Wanda. "Halt die Klappe Sanchez!", sagte sie grinsend, ehe wir die Kreuzung zum 'Vintage' passierten. 

Sour and SweetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt