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Jess

"Aufpassen, du Arscheule!", schrie ich dem Jungen hinterher, der mich angerempelt hatte.

"Jess!", mahnte Wanda mich. Ich sah zu meiner Freundin, die mich, wie eine Mutter ihr Kind, genervt ansah.

"Was denn? Nur weil er da unten was hängen hat, heißt es nicht, dass ich ihm Platz machen muss."

"Nur weil du eine kleine Feministin bist, heißt es nicht, dass-", ich unterbrach sie. "Bist du fertig, Mamà?" Wir erreichten mein Schließfach und ich verstaute mein Skateboard und Rucksack in ihm. "Nein", gibt sie schnippisch von sich. "Stell dir Mal vor, das wäre die Liebe deines Lebens gewesen.", fing sie wieder mit dem Quatsch an. Genervt stöhnte ich auf und ließ meinen Kopf hängen. "Ich sags ja nur, so wirst du für immer Singel bleiben."

"Mein Gott, Wanda!" Vielleicht will ich das ja."

"Ich dachte, du willst was von Matteo.", fragte sie irritiert nach und beantwortete sich gleich selbst ihre Frage. "Oh", sie schüttelte den Kopf, "Immer noch?"

"Ja, immer noch.", ich knallte die Schließfach Tür zu und lief zu meinem nächsten Kurs. Matteo ist und bleibt die einzige 'Liebe' meines Lebens, wie sie so schön sagte. Ich konnte es nicht erklären, aber der Junge, den ich seit der Highschool kannte, hatte mir den Kopf verdreht. Leider hatte ich das zu spät eingesehen. Ich fand ihn schon immer toll, aber als er mir in der Highschool seine Gefühle gestand, war ich viel zu überfordert, um ihm zu antworten. Also tat ich das, was alle in meiner Situation gemacht hätten, ich lief weg. Ich bin verdammt nochmal vor meinem Cruch davon gelaufen. Nach den Ferien war er umgezogen und ich konnte ihm nie sagen, dass ich auch Gefühle für ihn hatte. Auch seine Freunde wussten nicht, wohin er gezogen war und so sah ich ihn nie wieder. Bis er mir vor zwei Semestern, auf dem Flur, entgegenkommen war. Es musste ein Zeichen sein und daran hielt ich mich fest. Er hatte mich wieder erkannt und das schönste Lächeln geschenkt, das mir jemals geschenkt wurde. Das Zeichen wurde noch deutlicher, als ich bemerkte, dass ich jeden Dienstag einen Kurs mit ihm hatte und wie jeden Dienstag, saß Matteo schon an seinem Platz. "Sie dürfen auch gerne hier drinnen teilnehmen, Miss Suarez-Sanchez.", unterbrach meine Dozentin mein Starren. Einige meiner Kommilitonen sahen belustigt auf. Nur Matteo nahm mich nicht wahr. Das war der Punkt, ich existierte überhaupt nicht mehr für ihn. In seinem Kopf war bestimmt ständig in Dauerschleife, dass ich ihn stehen gelassen hatte. Vermutlich hatte ich ihm das Herz gebrochen und er hatte sich geschworen nie wieder mit mir zu reden, geschweige denn mich anzusehen. Es konnte ja keiner Ahnen, dass wir auf die selbe Universität gehen würden. "Miss Suarez-Sanches?"

"Jess reicht.", zickte ich meine Dozentin an. Reicht doch, dass alle meinen beschissenen Nachnamen einmal gehört hatten. "Gut, Jess, ich warte nur noch auf dich.", lächelte Mrs. Wollyhood mich freundlich an. Gnädig setzte ich mich auf einen Platz, von dem aus ich Matteo wunderbar beobachten konnte, und lausche meiner Dozentin, die mit ihrer PowerPoint begann. "Ey yo Joelle!", wurde ich von hinten angetippt. Genervt drehte ich mich um. "Für dich immer noch Jess, du Hirndübel.", ging ich Owen an. Er studierte mit mir zusammen Marketing und wir hatten ein, zwei Projekte zusammen gemacht. "Das soll ich dir geben, Jess.", betonte er meinen mir selbst gegebenen Namen. Ich meinte, wer nannte sein Kind bitte Joelle Eleonora Suarez-Sanchez und dachte, es würde glücklich werden? Also beschloss ich in der Midddelschool, all meine Anfangsbuchstaben zusammen zu tun und nannte mich Jess. "Que es ?", fragte ich und nahm ihm misstrauisch den Zettel aus der Hand. "Von Francis."

"Ernsthaft?", fragte ich belustigt nach. Ich hatte Francis auf einer Party von Wandas Freundin kennengelernt. Wobei kennengelernt etwas übertrieben war, wenn man bedachte, dass seine Definition von kennenlernen Anbaggern war. Que Idiota! "Eigentlich hatte ich gehofft, ihn losgeworden zu sein."

"Dafür bist du zu heiß.", meint Owen nur, bevor er sich wieder zurücklehnte und mich anzüglich angrinste. Genervt verdrehte ich meine Augen und mich wieder nach vorne. Ich hatte das Selbstbewusstsein, um sagen zu können, dass ich nicht hässlich war und es war die Wahrheit, dass ich mich selbst schön fand, trotzdem verstand ich nicht, wieso einige Kerle so maßlos übertreiben mussten. Miss Wollyhoods Kurs ging geschlagene hundertzwanzig Minuten. Mein Kopf war so voller Zahlen und Methoden, dass ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde platzen. Ich beobachtete, wie Matteo den Saal verließ, ehe ich mich ebenfalls auf den Weg in die Flure begab. In der Mensa sah ich mich nach Wandas lila Haarschopf um, und fand sie an einem Tisch mit zwei ihrer Freundinnen. "Was geht Amigas?", begrüßte ich die drei. "Gut, dass du da bist.", begrüßte mich Lola, "Die zwei wollen mit den Sportlern am Wochenende schwimmen gehen. Das schreit doch nur nach Sexorgie." Lola mochte ich von Wandas Freundinnen am liebsten, sie war einfach normal. "Das stimmt doch gar nicht! Außerdem, was heißt schon Orgie?", verteidigte sich Wanda und zwirbelte eine lila Strähne zwischen ihren Fingern. "Sie hat Recht, was ist dagegen einzuwenden, an einem heißen Tag mit noch heißeren Kerlen an den Strand zu gehen?", unterstützte Penelope ihre Freundin. Vielleicht die Tatsache, dass beide, Wanda und Penelope, schon einige der Sportler durch hatten. Ich packe gelangweilt meine Kekse aus. "Weil sie euch wie Objekte behandeln." Lolas Satz ließ mich kurz auflachen. Ich liebte sie. "Seh' ich genauso.", gab ich meinen Senf dazu. "Och komm schon Jessilein, du musst mitkommen?", versuchte es Penelope. "Wieso ich? Was ist mit Lola?", ignorierte ich den Spitznamen, den sie mir verpasst hatte. "Lola ist meine beste Freundin, sie kommt mit, ob sie's scheiße findet oder nicht.", sie schaute kurz streng zu Lola, "Außerdem meinte Wanda, dass der Typ kommt, den du magst." Finster schaue ich zu Wanda, die sich gerade ganz klein auf ihrem Stuhl macht. "Ach ist das so, Wanellda?", ja auch Wanda hatte Pech gehabt mit ihrem Namen. Allerdings hatte sie es definitiv schlimmer getroffen. "Ja", piepste sie.

"Also was zieht ihr an?", fragte Penelope. Das war der Moment, in dem ich mich ausklingte, meine Kopfhörer aufsetze und meine Kekse mampfe. Lola sah mich mit einem Lass-mich-nicht-allein-Blick an, aber da musste sie jetzt alleine durch. Ich stecke beide Hände in die Taschen meiner Jeansjacke. In der rechten war noch der Zettel von Francis. Mit Daumen und Zeigefinger zog ich ihn raus und faltete ihn auseinander. Gelangweilt las ich mir den Zettel durch.

"Hola Bambina,

Es war nicht ganz leicht, dich davon zu überzeugen, dass wir uns kennenlernen sollten. Wenn du verstehst was ich meine:) Also falls du heute noch nichts vor hast, komm doch gerne zu meinem Training und jubel mir zu. Danach könnten wir etwas essen gehen.

Kuss Francis"

Genervt atmete ich aus. "Ist das ein Liebesbrief?", hörte ich Penelope durch meine Kopfhörer kreischen. "Was?", fragte ich nach, obwohl ich ganz genau verstanden hatte, was sie geschrien hatte. "Ist das-."

"No!", unterbrach ich sie, "Francis möchte, dass ich zu seinem Training nachher komme. Damit wir uns 'kennenlernen' können." Mit meinen Fingern machte ich Anführungszeichen beim Wort Kennenlernen. "Oh wie aufregend.", meinte Wanda. "Ich will nichts von dem Mädchengulli."

"Er ist heiß.", fiel mir Lola in den Rücken. Gut, unrecht hatte sie nicht, aber trotzdem. "Außerdem hatte er gar nicht so viele Freundinnen, nur so 8, 9 vielleicht.", Ich wollte gerade ansetzen, zu reden, da fuhr sie fort, "Aber nur wenn man seine unzähligen One-Night-Stands nicht mitzählt." Ich sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen verständnislos an. Zu gerne würde ich sie fragen-. "Bist du blöd?", übernahm Helen, "Das macht es doch nicht besser?"

"Du solltest ihn trotzdem daten. Wenn du zu seinem Training gehst, siehst du vielleicht Matteo.", sagte Wanda das Sinnvollste, was sie jemals gesagt hatte. Ihre Methode war schon immer, unter einen Kerl zu kommen, wenn man über einen anderen hinweg wollte.

Sour and SweetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt