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Jess

Mit zwei Kaffeesäcken machte ich mich auf den Weg aus dem Lager, um die Kaffeemaschine aufzufüllen. Es war noch heißer geworden und obwohl wir im Café Klimaanlagen und Ventilatoren hatten, sorgte der Kaffee dafür, dass es hinter dem Tresen kaum auszuhalten war. "Owen!", rief ich beinahe laut aus, als ich mich zurück zum Tresen drehte. Jeff schenkte mir einen kurzen Seitenblick und bediente dann weiter. "Alles klar bei dir?"

"Qué estás haciendo aquí?" Was wollte er hier?

"Abhängen, Kaffee trinken, das übliche halt.", schelmisch grinsend sah er mich an.

"Woher weißt du, wo ich arbeite?

"Ist das noch wichtig? Viel wichtiger ist doch, dass wir uns nun jeden Tag sehen können."

"De Primera", gab ich ironisch von mir und ließ meinen Blick hinter ihn schweifen. "Sí Claro, du hast alle Basketballer mitgebracht." Nur Matteo und Francis nicht, fügte ich in Gedanken hinzu. Hatte Matteo etwa erzählt, wo ich arbeitete? Redete er über mich? "Ey Carino, bekommt man hier auch Kaffee oder nur eine schöne Aussicht?"

"Ciera el pico Owen!"

"Ich habe keine Ahnung, was das heißt, aber es klang heiß."

"Belästigt er dich, Jess?" Jeff gesellte sich zu uns. "No, aber er würde es gerne, wenn er es könnte.", antwortete ich ihm. "Ah, du bist dann also ihr Freund.", gab Owen seinen üblichen Schwachsinn von sich. "Es geht dich zwar nichts an, aber wir sind beste Freunde.", klärte Jeff ihn auf. "Mhh, ist klar, muss euch nicht peinlich sein."

"Serio? Owen, que tonterías?" Wie kam er auf so was?

"Jess? Du musst meine Sprache sprechen, damit ich dich verstehe!", ahmte Owen meinen Wortlaut nach. "Wer erzählt so einen Quatsch?" Owen lehnt sich näher zu mir heran. "Theo hat gesagt, er hat hier Kaffee gekauft und euch gesehen, ihr seid wohl sehr vertraut miteinander."

"The- Matteo denkt was?", fragte ich eine Oktave zu hoch nach. "Jetzt wird's lustig.", kommentierte Jeff leise. "Gebt doch jetzt einfach zu, dass ihr ein Pärchen seit.", drängte Owen. "Ihr seid ein Pärchen?", fragte Harry irritiert nach, "Seit wann?"

"Wie seit wann?", fragte Owen verwirrt nach. "Absolut schräg.", faselte Harry weiter. Ich verschränkte meine Hände vorm Gesicht. "No Somos pareja!"

"Wir sind kein Paar!", gab Jeff nochmal wieder. "Wäre auch echt seltsam, ihr benehmt euch wie Geschwister." Harry machte sich wieder an seine Arbeit. "Also hat Theo das falsch verstanden.", überlegte Owen laut. "Das solltest du ihm dringend sagen.", meinte Jeff, der sich dann auch wieder an seine Arbeit machte.

"Vermutlich", Owen rieb sich die Hände, "Was habt ihr denn so schönes im Angebot?"

Und damit begann die anstrengendste Schicht, die ich jemals gehabt habe. Nicht nur, dass ich mit Blicken förmlich gelöchert wurde, ständig musste ich die Sportler bedienen. Ich durfte mir also in Zukunft einiges von Jeff und Harry anhören und darauf freute ich mich gleich null, nada, de nunca. Die Sportler verließen zum Abend hin das Café, vermutlich um zum Training zu gehen und auch meine Schicht hatte sich dem Ende geneigt.

Erleichtert ging ich durch den Park zu meiner Wohnung, froh, endlich weg von diesen Idiotas zu sein. Ich mochte es, Zeit mit mir alleine zu verbringen, vielleicht etwas zu sehr, aber ich empfand es als wichtig, dass man auch Zeit mit sich alleine verbringen konnte. Jedenfalls bis zu dem Grad, dass man sich nicht einsam fühlte. Ich mochte das Gedanken freien lauf zu lassen und nicht dauernd mit jemandem Quatschen zu müssen. Leider wollten meine Gedanken heute nur an Matteo denken. Er hatte über mich gesprochen und noch viel besser, er hatte mit mir gesprochen. Wieso wir uns gerade jetzt auf einmal so häufig trafen war mir ein Rätsel, doch das Universum wollte uns anscheinend etwas mitteilen. Mir jedenfalls.

"Mi hermosa!" Ich drehte mich um meine eigene Achse und sah meine Großeltern auf einer Parkbank sitzen. Lächelnd schlenderte ich zu ihnen herüber. "Abuela, Yayo, que están haciendo aquí?", fragte ich sie genau das, was ich Owen vor Stunden im Café gefragt hatte.

"Wir genießen etwas die Sonne.", antwortete mein Großvater mit seinem Akzent. Ihm war es wichtig, dass er sich in dem Land integrierte, in das er damals ausgewandert war. Dazu zählte auch die Sprache des Landes zu sprechen. "Jetzt ist es nicht mehr so heiß, wie heute Mittag.", pflichtete ihm meine Abuela bei. "Ihr hättet euch doch bei mir ein Erfrischungsgetränk holen können."

"Oh nein Hermosa, wir wollten dich nicht schon wieder bei der Arbeit stören." Meine Abuela klopfte neben sich auf die Bank. Ich ließ mich neben ihr nieder. "Ihr stört mich nicht, das habe ich doch schon oft genug gesagt."

"Joelle, jungen Leuten soll man ihren Freiraum geben.", meinte Yayo und schloss seine Augen. "Trotzdem könnt ihr immer vorbeikommen."

"Wenn das nicht die schönste Latina der ganzen Welt ist." Dios mio, wieso jetzt, wieso ich? "Francis", gab ich wenig begeistert von mir, um ihm zu zeigen, dass er nicht erwünscht war. "Möchtest du uns nicht vorstellen?", fragte mein Yayo vergnügt. "Das ist Francis, wir kennen uns durch Wanda und ihre Freundinnen, das sind meine Großeltern." Francis reichte ihnen nacheinander die Hand. "Die Großeltern also, ich hätte schwören können, sie sind Joelles ältere Schwester." Qué demonios? Dios, meine Großmutter war wirklich nur einige Jahre älter als die Mütter meiner Freundinnen und definitiv eine der schönsten Frauen, die ich kannte, aber das war einfach übertrieben. "Dios mio, ein Charmeur.", lächelte meine Abuela geschmeichelt. "Wollen Sie sich nicht zu uns setzen, Sie scheinen Joelle gut zu kennen.", fragte mein Yayo. "No dejalo Yayo!", verneinte ich für Francis. "Tatsächlich habe ich leider keine Zeit, ich muss zu meinem Basketballtraining. Aber das können wir bestimmt nachholen, nicht wahr Joelle." Kein Schimpfwort der Welt würde ausreichen, um die Wut auszudrücken, die ich gerade für Francis empfand. Weder auf Spanisch, noch sonst einer Sprache. "Ich denke nicht.", zischte ich in seine Richtung und erhob mich von der Parkbank. "Aber wieso denn nicht? Du könntest ihn doch mal zum Essen mitbringen." Mein Yayo sah mich an, als hätte er gerade die beste Idee auf der ganzen Welt gehabt. Nur meine Abuela verstand, dass es die dämlichste war. "Das würde ich sehr gerne."

"Fantastico!" Schockiert sah ich zu meinem Yayo. Das konnte nicht sein ernst sein. "No, de Nada! Yayo, no viene a comer!", meine Stimme wurde lauter. Niemals, niemals in meinem Leben, würde ich mit Francis und meinen Großeltern zu Mittag Essen."

"Wieso denn nicht, es ist doch nur ein Essen?"

"Wir sind nicht befreundet!"

"Was nicht ist, kann ja noch werden.", zwinkerte Francis mir zu. "Abuela-"

"Deine Abuela sieht das wie ich, wir laden gerne deine Freunde ein."

"Que-?"

"Sagen wir nächsten Freitag, hier haben Sie unsere Adresse." Francis verabschiedete sich nachdem er die Adresse meiner Großeltern entgegengenommen hatte. Ich schnaubte wütend aus und lief einfach los. Nach einigen Schritten drehte ich mich nochmals um, "Wenn er kommt, komm ich nicht! Él Vendrá, also rechnet nicht mit mir."

"Joelle!", rief mir mein Yayo noch hinterher. "Aber du kommst doch Sonntag in die Kirche? Hermosa? Joelle?" Naturalmente, würde ich in die Kirche gehen, dieses Ritual war meiner Abuela sehr wichtig. Jedoch hatte ich jetzt einfach nicht die Nerven, weiter mit ihnen zu streiten. Meinen Großvater freute es einen Jungen kennenzulernen, der etwas mit mir zu tun hatte. Er wollte mich in guten Händen wissen, wenn er irgendwann gehen würde.

Aber diese Hände waren definitiv nicht Francis' Hände und er musste damit aufhören, meine Grenzen, die ich mühsam zog, zu überschreiten.

Sour and SweetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt