Kapitel 3

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Kanoran hörte Nele schreien und versuchte, wieder Kontakt zu ihr aufzunehmen. Verflucht, er wusste, was in ihr vorgehen musste. Die Fackel war wohl ausgegangen und er hatte schon oft erlebt, wie sie in der Nacht zitternd neben ihm aufwachte und sich erst beruhigte, wenn er eine Kerze anzündete und sie in seinen Armen hielt. Nele hatte ihm nie erzählt, warum sie solche Angst vor der Dunkelheit hatte, aber nun musste er ihr helfen.

Irgendwann murmelte sie schluchzend immer wieder, dass er sie liebte und sie das nicht vergessen sollte. Es tat ihm in der Seele weh, dass sie so litt und er nichts dagegen tun konnte.

"Nele!", rief er so laut er konnte und zuckte dann schmerzhaft zusammen. Ein Fels hatte die Pfote seines Drachen zerschmettert. Durch seine Wandlung zum Menschen war es ihm wenigstens möglich gewesen, den Arm zu befreien, aber er sah selbst, dass es beinahe hoffnungslos war, ihn selbst zu heilen. Nicht einmal Velion würde das so schnell wieder hinbekommen.

In Gedanken rief er seine Brüder und sie antworteten ihm, dass sie so schnell wie möglich kommen würden. Doch auch in der Hinsicht hatte Kanoran keine große Hoffnung, dass sie es schnell schaffen würden, denn er war ebenso von den Trümmern eingeschlossen und konnte sich selbst nicht befreien. Doch er musste einfach zu Nele gelangen! Immer wieder hörte er ihr Schluchzen und Weinen.

"Nele, meine Liebste. Beruhige dich. Ich bin hier."

Sie hörte nicht auf zu weinen, schluchzte aber noch manchmal.

"Das Licht. Kanoran, die Fackel ist ausgegangen. Es ist dunkel."

Er fluchte leise. Dieses Mal konnte er es nicht zurückhalten. Doch dann überkam ihn eine Ruhe, die ihm immer geholfen hatte. Er wusste, was er zu tun hatte.

"Nele. Hör mir zu."

Sie schluchzte herzerweichend, aber ein leises Ja drang zu ihm durch.

"Gut. Schließ die Augen und konzentriere dich auf meine Stimme. Hast du verstanden? Ich komme durch deine Angst nicht mehr in deinen Kopf, also musst du mir zuhören."

Wieder hörte er ein gemurmeltes Ja.

"Gut, Liebling. Ich möchte, dass du dir vorstellst, wie wir beide auf der Wiese sitzen. Die Sonne scheint auf uns herab. Spürst du die Wärme?"

Einen Moment schloss er die Augen und bedauerte, dass er nicht die Gaben wie Faköle oder Nielema besaß. Ausgerechnet er musste Wasser und Eis beherrschen. Damit konnte er im Moment nichts anfangen. Nele brauchte nun tatsächlich Wärme und Licht.

"Ich erzähle dir nun eine Geschichte über Sisgard, den ersten silbernen Drachen. Hörst du mir zu?"

Sie schniefte leise.

"Gut. Dann wollen wir mal. Es ist eine lange Geschichte und ich woll, dass du dich darauf konzentrierst."



Die ersten Drachen kamen nach Wikuna und fanden das blanke Chaos. Überall herrschte Krieg und die Menschen, die sich zu Clans zusammen gerauft hatten, bekämpften sich gegenseitig.

Die Menschen fürchteten sich vor den Drachen, denn sie kamen in ihrer ursprünglichen Gestalt zu ihnen und konnten sich noch nicht wandeln. So blieb es lange Zeit, dass die Drachen unter sich lebten und den öden Landstrich von Wikuna in eine blühende Landschaft verwandelten.

Es war Sisgard, der als erster Drache Kontakt mit einem Menschen aufnahm. Wie es dir Art des silbernen Drachen war, lief er oft alleine durch den Wald, immer darauf bedacht, nichts von der Natur zu zerstören.

Eines Tages traf er auf eine Menschenfrau. Es war keine junge Frau, sondern ein altes Kräuterweib, dass blind war. Sie dachte, sie hätte ein wildes Tier vor sich und um es zu beruhigen, erzählte sie mit ruhiger Stimme Geschichten ihrer alten Heimat. Sisgard hörte zu und lernte so die Sprache. Tag für Tag streifte er nun durch den Wald und suchte die alte Frau, um mehr zu lernen, bis er die menschliche Sprache perfekt beherrschte. Es dauerte einige Wochen, bis er sie ansprach und bat, sie berühren zu dürfen, um zu lernen, wie es war ein Mensch zu sein. Es wunderte ihn, dass sie ihn so sehr vertraute und es zuließ. Schon bald darauf konnte er sich in einen Mann verwandeln.

Die Drachen von Wikuna - Kanoran (Band 7)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt