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Verschlafen öffnete ich meine Augen. Wo war ich? Ich brauchte einige Minuten um mich an die vorherigen Ereignisse zu erinnern und in welcher Situation ich mich befand. Ich setzte mich mit einem Stöhnen auf, mein ganzer Rücken tat weh von dem harten Steinboden. Ich hörte Schritte vom Gang und kroch neugierig, wenn auch immer noch nicht ganz wach, zum Gitter der Zelle. 

Ein Elb blieb vor mir stehen und stellte einen Becher Wasser und ein Stück Brot vor mir ab – das heißt, nicht irgendein Elb: Prinz Legolas höchstpersönlich. Was wollte der denn hier? „Mein Vater hat über dich entschieden", sprach er. Ich musste grinsen. „Was gibt es da zu lachen?", fragte er ernst. „Ich musste nur daran denken, wie oft ich mir sagte, dass das jetzt mein Ende wäre, nur wegen Kleinigkeiten, wie zum Beispiel zu spät kommen, und jetzt kommt mein Ende und das gleich wegen Hochverrat!" Ich lachte ironisch, doch der Prinz schaute mich nur schief an. 

„Kommt drauf an, was du mit Ende meinst", fuhr er fort. „Der Tod ist es nicht, den mein Vater für dich vorgesehen hat." „Nicht?" Ich war sichtlich überrascht. „Seit wann ist euer Vater so barmherzig?" „Ob es wirklich besser ist, als der Tod, ist fraglich" Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, meine Gefühle fuhren Achterbahn. Einerseits freute ich mich, mein Leben behalten zu können, andererseits wollte ich mir nicht ausmalen, was Thranduil jetzt mit mir vor hatte.

 „Das Urteil meines Vaters lautet", fuhr Legolas fort: „Lebenslanger Arrest im Kerker und wöchentliche Folter" Meine letzte Hoffnung schwand. Schon oft habe ich als Wache mit ansehen müssen, was Thranduil mir Gefangenen anstellte, davonabgesehen, dass ich keine Ahnung hatte, wie hoch meine Lebenserwartung war. Als Mensch allerhöchstens 80 Jahre bei diesen Bedingungen, doch Elben lebten ewig. Na das war mal eine tolle Aussicht!

 Entmutigt zog ich mich in eine Ecke der Kerkerzelle zurück, damit beschäftigt, meine Tränen zurück zu halten. Innerlich verfluchte ich mich selbst für meine Sensibilität, immer musste ich gleich losheulen! Es gibt Leute, die es noch schwerer haben als ich, probierte ich mich zu trösten. Wie spät es wohl war? Ich hatte keine Ahnung, ob es Nacht oder Tag war, denn hier unten gab es nur das Licht der unzähligen Fackeln, die den Gang erleuchteten. Nacheiniger Zeit – ich hatte mein Zeitgefühl endgültig verloren –hörte ich erneut Schritte im Gang, doch ich blickte nicht auf, bis ich bemerkte, dass diese Person vor meiner Zelle stehen blieb. 

Ich hob meinen Kopf etwas und sah, dass Thranduil höchstpersönlich sich die Mühe gemacht hatte, die unzähligen Treppen in die Kerkerhinabzusteigen. „Was wollt ihr?", fragte ich mit zitternder Stimme und schaute ihn feindselig – soweit das mit glasigen, verweinten Augen ging – an. „Ich wollte dir nur erzählen, dass all deine Mühe umsonst war", antwortete der König hochnäsig. „Die Zwerge hatten wohl noch mehr Feinde, jedenfalls ist eine Horde blutrünstiger Orks hinter ihnen hergelaufen. Sie werden nicht sehr weit gekommen sein" Erschrocken starrte ich ihn an und er schien diesen Anblick zu genießen, denn ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Na ja, wir sehen uns dann morgen zu deiner ersten Folter", verabschiedete er sich und verließ mit wehendem Umhang die Kerker. Ich sackte in mich zusammen. War alles umsonst gewesen? Dann wäre ich Schuld am Tod der Zwerge! Und es hat alles nur schlimmer gemacht! Ich saß hier im Kerker und meine ersten Freunde seit Jahren lagenvermutlich tot am Grund des Flusses. Erneut überkam mich die Müdigkeit und bald träumte ich von den hohen Bäumen des Waldes und dem Licht der Sonne, dass ich vermutlich nie wieder sehen würde.

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