Kapitel 2

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Am nächsten Morgen war ich bereits vor dem Klingeln meines Weckers auf den Beinen. Es wäre gelogen gewesen, hätte ich behauptet, dass ich nicht nervös war. Denn das war ich ganz offensichtlich. Die frühen Morgenstunden verbrachte ich mit einer ausgiebigen Dusche, dem Vorbereiten von einem viel zu großen Frühstück und dem Sortieren meiner Comics, die zwar bereits gestern einen Platz im in meinem Regal gefunden hatten, doch dort noch nicht ordnungsgemäß gestanden hatten. Ohne eine saubere Sortierung nach Erscheinungsdatum wäre es ein reines Chaos. Meine Mutter hatte meine Einstellung zu diesem Thema immer belächelt, doch für mich war das von großer Wichtigkeit.

Nachdem ich die Hälfte meines Frühstücks vertilgt hatte und der Rest der Reissuppe mit Ei einen Platz in meinem Kühlschrank gefunden hatte, packte ich meine Tasche für den anstehenden Unterricht und ließ mich auf der kleinen Couch nieder. Obwohl ich nichts mehr zu tun hatte, erschien es mir unhöflich vor Tis Tür auf ihn zu warten. Schließlich hatte er gesagt, dass er mich abholen wollte. So verbrachte ich die bleibende Zeit damit, meiner Mutter einen kurzen Bericht über den vergangenen Tag zu erstatten. Meine Mutter und ich standen uns sehr nah. Wenn es irgendwelche Neuigkeiten in meinem Leben gab, war sie die erste, die davon erfuhr.

Keine 10 Minuten später klopfte es an meiner Zimmertür. Ich erhob mich sofort von dem Sofa, schnappte mir meine Tasche und zog mir vor der Tür die Schuhe an, bevor ich die Zimmertür schließlich öffnete. Ti schenkte mir ein breites Lächeln und ein fröhliches: „Guten Morgen."

Auch Carter war, überraschenderweise, an Tis Seite, doch erneut schenkte er mir nicht mehr als ein kurzes Augenbrauenheben. Dann wandte er den Blick ab. Aber immerhin hatte er seinen Mitbewohner begleitet, wenn auch scheinbar nicht ganz freiwillig.

„Guten Morgen, P'Ti . Guten Morgen, P'Carter", antwortete ich und deutete eine Verbeugung an, die Ti und auch Carter, wenn auch eher halbherzig, erwiderten.

„Bist du soweit?"

Der Schwarzhaarige musterte mich. Ich nickte, trat auf den Flur und schloss meine Tür hinter mir.

„Na dann", mein zufriedengestimmter Zimmernachbar legte mir einen Arm um die Schulter und zog mich Richtung Treppe, „lass uns gehen."

Im Unterricht kam ich erstaunlich gut mit. Den Stoff der ersten Schulwochen, den ich verpasst hatte, hatte der Schulleiter mir in der vergangenen Woche zukommen lassen und offenbar hatte es sich ausgezahlt, alles sofort aufzuholen.

„Ich dachte, dass heute wäre deine erste Stunde", kam es von Ti, der sich zu meinem Tisch zurücklehnte, sobald der Lehrer die Stunde für beendet erklärt hatte.

„Ist es auch", antwortete ich verwirrt und sah den Älteren mit zusammengezogenen Brauen an.

„Und wie kommt es dann, dass du offenbar nicht das kleinste Problem hast mitzukommen? Ich meine, mal ernsthaft, hast du das mit all den Kalkulationsrechnungen verstanden?"

Schmunzelnd nickte ich und beobachtete den 19- Jährigen dabei, wie er sich mir nun vollkommen zuwandte und dabei dramatisch den Kopf schüttelte.

„Du bist ein Phänomen. Meine ganze Sitzreihe verzweifelt hier."

„Es ist gar nicht so kompliziert", erwiderte ich.

Der Ältere seufzte, doch dann blitzten seine Augen auf und ein Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit.

„Earth, ich möchte nicht gleich am Anfang des Schuljahres zurückfallen. Könntest du mir vielleicht mit diesem Kalkulationszeug helfen?"

Bis jetzt hatte mich noch nie ein älterer Schüler um Hilfe gebeten. Aber es gab keinen Grund ihn zurückzuweisen.

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