9. Kapitel

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Mein Wecker klingelte zeitig und ich beeilte mich, ihn auszuschalten. Bucky grummelte neben mir leise, schlief aber weiter. So leise wie möglich stieg ich aus dem Bett und lief zu meiner Tasche. Ich griff mir frische Kleidung und tauschte sie im Bad meine Schlafkleidung gegen sie ein. Ich strich meine Arbeitskleidung flach, dann richtete ich meine Haare und versuchte mit etwas Makeup die violett-blauen Flecken so gut es ging zu verdecken. Wieder im Raum begann ich Frühstück zu machen, dabei versuchte ich Bucky nicht zu wecken, was schwer war, da die Einzimmerwohnung wenig Lärmschutz bot. Ein Rascheln der Bettdecke lenkte meine Aufmerksamkeit hinter mich. Bucky setzte sich auf und rieb sich die Augen.
"Guten Morgen", lächelte ich über meine Schulter hinweg.
"Guten Morgen", gähnte er, dann musterte er mich. "Willst du heute wirklich auf Arbeit?"
"Denkst du wirklich, Richard gibt mir frei? Weil mich ein Mann verprügelt hat? Er würde mich lediglich fragen, was ich angestellt habe und mir dann erklären, dass es ja das Gottgegebene Recht eines Mannes ist, eine Frau zu schlagen, wenn sie sich nicht unterordnet", ich zuckte mit den Achseln.
"Das ist furchtbar", murmelte er. Ich zuckte mit den Achseln.
"Das ist die Realität", entgegnete ich. Es folgte wieder ein Rascheln, dann erhob sich Bucky, trat hinter mich und legte seine Arme um mich. Sanft küsste er meine Schulter.
"Ich liebe dich immer noch", flüsterte er.
"Hättest du deine Meinung über Nacht geändert, wäre ich auch schockiert gewesen", schmunzelte ich und blickte zu ihm, dann küsste ich ihn kurz. "Ich liebe dich auch noch."
"Ich wäre deutlich weniger schockiert gewesen, hättest du deine Meinung geändert", grinste er und aus Reflex verpasste ich ihm einen Schlag auf die Brust.
"Sag mal, was denkst du von mir?", fragte ich empört.
"Dass du mich manchmal wirklich wahnsinnig machen kannst und ich gehe immer davon aus, dass du mich überraschst", meinte er, jetzt ziemlich ernst.
"Und ist das jetzt positiv?", fragte ich lachend.
"Ich weiß es nicht, es kann beides sein. Mir wird auf jeden Fall nicht langweilig", lächelte er.
"Das hoffe ich. Wer weiß auf welche Ideen du kommst, wenn du von mir gelangweilt bist", ich runzelte einen Moment die Stirn. Bucky schüttelte den Kopf und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
"Sowas mache ich nicht. Werde ich niemals. Wenn du dir sonst bei nichts sicher sein kannst, dann aber bei dem: Ich liebe dich und ich werde keine Frau anschauen ohne dabei nicht an dich zu denken und wie sehr ich dich vermisse", erklärte er leise.
"Ich vertraue dir, James und das heißt wirklich viel", antwortete ich und sah zu ihm auf.
"Das weiß ich", lächelte er. "Und ich werde nicht leichtfertig damit umgehen." Ich erwiderte das Lächeln warm.
"Jetzt geh duschen, das Frühstück ist gleich fertig", meinte ich sanft. Er nickte und drückte mir noch einen Kuss auf die Lippen, eh er ins Bad verschwand. Ich bereitete das Essen fertig zu, dann deckte ich den Tisch. Wir aßen zusammen, unterhielten uns und Bucky las die Zeitung, die er von gestern noch herumliegen hatte. Es war so wunderschön normal.
"Sie schreiben, der Krieg könnte noch im nächsten Jahr vorüber sein, jetzt wo die Amerikaner eingetreten sind", meinte er und runzelte die Stirn.
"So schön ich es auffände, wenn du deine Zeit im Wisconsin nur verschwenden würdest, klingt das für mich mehr wie Regierungspropaganda", entgegnete ich und blickte aus dem Fenster.
"Es klingt wirklich zu schön um wahr zu sein", seufzte er und legte die Zeitung bei Seite. Ich schluckte schwer. Mit dem Gedanken, dass er die Ausbildung antrat, hatte ich mich angefreundet aber daran zu denken, dass er irgendwann tatsächlich in den Krieg nach Übersee ziehen musst, dabei wurde mir schlecht. "Aber vielleicht..."
"Es lohnt sich nicht, sich den Kopf zu zerbrechen. Besonders nicht über etwas, auf das wir keinen Einfluss haben", seufzte ich. "Wenn der Krieg vorbei ist, dann ist er vorbei. Ich hoffe, es ist, bevor du eingezogen wirst, aber ich bin nicht allzu optimistisch."
"Ich komme zu dir zurück, Lyla und wenn ich mich mit dem Teufel persönlich anlegen muss", er drückte sanft meine Hand. Ich blickte auf die Uhr und sah, dass ich langsam losmusste.
"Beschrei es nicht", tadelte ich ihn und räumte die Teller in die Spüle, dann legte ich meine Arme von hinten um ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Und wehe du spielst mir den Helden. Ich brauche dich nicht mit Ehrenmedaille zurück, ich will dich einfach nur zurückhaben."
"Auch mit einem Bein oder einen Arm weniger?", fragte er amüsiert und wandte mir den Kopf zu.
"Solange der Kopf noch dran ist", schmunzelte ich. "Wir sehen uns später, ja?"
"Ja, ich hole dich ab und dann machen wir uns einen schönen letzten Abend", lächelte er. Ich nickte und löste mich, eh ich mir eine Handtasche schnappte und das nötigste hineinstopfte, dann zog ich meinen Mantel über.

Gegen Mittag betrat Steve das Diner und wank mich zu sich herüber. Ich bat Eve für einen Moment das Kellnern zu übernehmen und ging zu ihm herüber.
"Hallo Steve, wie geht es dir?", lächelte ich und lehnte mich an die Lehne.
"Gut...so weit", meinte er, doch man sah ihm an, dass ihn etwas beschäftigte.
"Sicher? Du siehst bedrückt aus", ich ließ mich jetzt auf dem Sitz nieder. "Du kannst es mir sagen, wenn du möchtest."
"Sag es nicht Bucky aber...ich habe einfach das Gefühl, ich sollte morgen dabei sein", seufzte er. "Ich sollte mit ihm die Ausbildung bestreiten." Langsam nickte ich.
"Ich verstehe aber vielleicht bekommst du deine Chance oder es gibt einen Grund, warum sie dich nicht genommen haben", versuchte ich ihn zu trösten.
"Ja, ich bin zu klein, zu schwach und zu asthmatisch", meinte er geknickt.
"Ich meinte mehr, vielleicht erkennst du irgendwann, warum es nicht dieses Jahr sein sollte", entgegnete ich.
"Du meinst, wie eine höhere Berufung?", fragte er.
"Wenn dich das tröstet", ich zuckte mit den Schultern.
"Seit wann bist du gläubig?", er zog eine Augenbraue nach oben.
"Wann immer es hilft", grinste ich. Er lachte leise und schüttelte den Kopf.
"Ich bin eigentlich hier, weil ich dich um einen Gefallen bitten wollte", sagte er dann.
"Und ich dachte, du würdest mich besuchen wollen", ich schob schmollend eine rot gemalte Lippe nach vorne.
"Das auch", meinte Steve schnell, scheinbar befürchtete er, er hätte mich verstimmt.
"Schon gut, ich mache nur Spaß", lachte ich. "Wie kann ich dir helfen?"
"Ich würde Bucky gerne etwas mitgeben, etwas Persönliches und ich dachte, vielleicht würde ihm eine Zeichnung gefallen", erklärte Steve.
"Du willst mich zeichnen?", überrascht zog ich die Augenbrauen nach oben. Er nickte leicht.
"Wenn ich darf", antwortete er. "Ich weiß, die meisten Männer nehmen ein Foto mit aber..."
"Ich finde die Idee gut, Steve, zumal es von mir keine Fotos gibt", lächelte ich. "Solange ich die Klamotten anlassen kann, bin ich dabei." Jetzt wurde er wirklich knallrot.
"Die Bilder kann er sich selbst zeichnen", murmelte er. Ich lachte.

Steve hatte die Zeichnung noch im Diner fertig gestellt. Sie war hübsch geworden. Er hatte Talent und ich wünschte ihm, dass er es damit noch weit brachte. Bucky holte mich ab, da war Steve schon lange weg. Zusammen liefen wir zu seiner Wohnung und nach dem Abendessen und einer Dusche wechselte ich meine Arbeitskleidung gegen mein Nachthemd und einen Morgenmantel. Meine Haare ließ ich offen über meine Schultern fallen. Ich trat aus dem Bad und schloss die Tür. Bucky hatte sich auf dem Bett ausgestreckt und betrachtete ein Stück Papier.
"Ich habe so eine Ahnung, was das ist", lächelte ich und ließ mich auf der Bettkante nieder. Sein Blick wanderte von dem Papier zu mir und wieder zurück.
"Er hat dich gut getroffen", lächelte er und faltete das Papier zusammen, dann streckte er seine Hand aus. Ich ergriff sie und ließ mich an seine Brust ziehen. Lächelnd kuschelte ich mich an ihn. Bucky musterte mich und lächelte sanft auf mich herab. "Aber in echt bist du noch schöner."
"Ich finde Steve hat einige meiner Makel verschönert", lachte ich.
"Aber sie machen dich doch so schön", antwortete er.
"Himmel, was tue ich nur ohne deine täglichen Schmeicheleien?", seufzte ich, legte meine Hand auf seine Brust und stützte dann mein Kinn darauf.
"Du wirst dich mit wöchentlichen, schriftlichen Schmeicheleien zufrieden stellen müssen, fürchte ich", er lächelte entschuldigend. "Ich habe noch was für dich."
"Wenn du Geld dafür ausgegeben hast, dann werde ich es ablehnen", er lachte.
"Ich habe kein Geld ausgegeben", versprach er und griff dann in die Schublade des Beistelltisches. Heraus zog er einen Ring mit zwei Schlüsseln.
"Die Schlüssel zu deiner Wohnung?", fragte ich verwundert und setzte mich auf.
"Jemand muss sich um meine Pflanze kümmern", schmunzelte er.
"Das traurige Ding in der Ecke?", lachte ich. "Was hast du tatsächlich im Kopf?"
"Ich will, dass du einen sicheren Rückzugsort hast oder einen Platz, zu dem du kommen kannst, wenn du Sehnsucht hast", meinte er und griff meine Hand. "Ich will, dass du irgendwo hinkannst, wenn etwas passiert. Wenn ich dich schon nicht beschützen kann." Ich sah ihn an und schloss die Hand um den Schlüssel, dann legte ich meine andere Hand an seine Wange.
"Ich werde dich so vermissen, Barnes", flüsterte ich, eh ich ihn innig küsste.

»The vanished girl« // Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt