41. Kapitel

172 15 2
                                    

Mein Onkel wartete wieder in dem kleinen Salon.
"Ich möchte mich entschuldigen", erklärte er sofort.
"Wofür? Du hast meinen Verlobten nicht entführt, gefoltert und zu einem Assassinen gemacht", entgegnete ich und versuchte dabei so abgeklärt wie möglich zu wirken. Ich stand all das hier nur durch, wenn ich versuchte es nicht so nah an mich heranzulassen.
"Nein aber aufgehalten habe ich deine Mutter auch nicht. Ich hätte wissen müssen, was vor sich geht", erklärte er. Er hatte seine kurzen, blonden Haare zurückgekämmt und trug eine Art Uniform, die aber prachtvoll mit goldenen Elementen geschmückt war. "Außerdem hätte ich dir diese Bilder schonender beibringen sollen."
"Nein, jetzt weiß ich wenigstens, was für ein Mensch meine Mutter ist", ich schüttelte den Kopf. Dass sie nicht besonders warm war, das hatte ich mir denken können aber ich hatte glauben wollen, dass die Umstände sie zwangen, so zu sein. Vielleicht glaubte sie das auch, dass sie so sein musste.
"Sie war nicht immer so", meinte er leise. "Und ich glaube, auch wenn sie es nicht zeigen kann, dass sie dich liebt. Sie denkt, was sie tut ist notwendig, um ihre Position in der Welt zu sichern. Wir erheben uns über die Menschen aber wir treffen ebenso schlechte Entscheidungen."
"Was erwartest du von mir?", es war die Frage, die mir schon eine Weile unter den Nägeln brannte.
"Nichts", die Antwort überraschte mich doch. "Du hast nichts mit dieser Welt zu tun und ich werde dir keine Verantwortung für sie aufbürden, die du nicht willst, aber ich würde mich freuen, wenn ich dich ein wenig in unserer Politik und Diplomatie ausbilden darf. Sol und ich sind noch nicht lange verheiratet, wir werden irgendwann einen Erben haben aber sollte mir in dieser Zeit etwas passieren, dann steht der Thron leer. Ich weiß, du hast eine kürzere Lebensspanne als wir Asterianer, aber es würde mich beruhigen, dass meine Frau und mein Kind mit der Regentschaft nicht allein sind, sollte mir etwas zustoßen." Sol griff die Hand ihres Mannes und sah ihn warm an.
"Sag so etwas nicht", meinte sie leise und er schenkte ihr einen ebenso warmen und liebevollen Blick. Ich musste ein wenig lächeln. Sol schien mir wie eine nette, sanftmütige Person, jemand der sich um jeden kümmern wollte und eine beinah unerschütterliche Geduld aufbrachte.
"Ich mache es", mein Onkel und Bucky sahen mich überrascht an, vermutlich hatten sie beide gedacht ich würde mehr Zeit brauchen, um zu entscheiden. Aber die brauchte ich nicht, auch wenn es mich selbst überraschte. Aber es fühlte sich wie etwas an, dass ich tun konnte, dass ich tun musste. Vielleicht hatte meine Mutter Recht und dafür war ich geboren wurden. Das wäre aber das Einzige, bei dem sie Recht hätte.
"Du musst dich nicht direkt entscheiden", meinte der blonde Mann.
"Das tue ich aber", meinte ich und er nickte. "Was wird mit meiner Mutter passieren?"
"Wenn wir sie finden, dann wird sie verhaftet und wegen Terrorismus vor Gericht gestellt. Das Urteil wird lebenslange Haft lauten." Plötzlich folge die Tür auf und eine Wache stürmte herein. Ich merkte, dass Bucky sich sofort versteifte und für einen Angriff bereit machte. Ich legte ihm sanft eine Hand auf den Unterarm.
"Majestät, eure Schwester ist mit voller Flotte ausgedrückt", rief der Soldat aufgewühlt.
"Mit welchem Ziel?", er erhob sich und wirkte sofort angespannt.
"Die Erde", Bucky und ich tauschten einen Blick. Uns schien dasselbe durch den Kopf zu gehen.
"Die Basis", meinte ich dann und er nickte. "Sie weiß nicht, dass ich hier bin, sicher will sie mich holen und wenn sie merkt, dass ich nicht da bin, dann wird sie einen Kampf anfangen, immerhin binden mich meine Freundschaften an die Erde." Bucky nickte. Ich blickte zu meinem Onkel.
"Ich schicke euch zurück, zusammen mit einigen Soldaten, die sich um meine Schwester kümmern werden", ich nickte und erhob mich. Ich fühlte ein Gewicht, dass sich auf meine Schultern, meinen Magen und meine Lunge legte.
"Dann sollten wir packen", ich sah zu Bucky, der mir einen nachdenklichen Blick zuwarf, bevor er nickte und sich ebenfalls. Villia brachte uns zu dem Zimmer zurück. Als sich die Tür schloss, lehnte ich mich seufzend gegen die Kommode und fuhr mir über das Gesicht.
"Du willst nicht kämpfen", stellte er fest. Ich blickte auf und ließ die Schultern sinken.
"Ich will nichts weniger tun", seufzte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich bin nicht wie Steve und du. Ich bin keine Soldatin, das wollte ich nie sein."
"Ich wollte kein Soldat sein", ich runzelte verwundert die Stirn.
"Du hast dich freiwillig gemeldet", meinte ich. Er schüttelte den Kopf und ließ sich langsam auf der Bettkante nieder.
"Das habe ich Steve erzählt und später dir, weil es leichter war, weniger schmerzhaft", meinte er und blickte auf seine Hände. "Sie haben mich eingezogen." Schweigen ergriff den Raum.
"Du hast mich angelogen", stellte ich dann fest. "Du hast Steve und mich angelogen."
"Lyla...", er blickte auf und ich erkannte einen Anflug von Reue in seinen Augen. Es war keine Sache über die ich mich jetzt, Jahrzehnte später, aufregen musste. Es war irrelevant geworden, ob er freiwillig gegangen war oder nicht. Selbst wenn er zu Beginn eingezogen wurden war, das zweite Mal hatte er mich freiwillig verlassen, um sich Steves Einheit anzuschließen. Aber ich konnte nicht ignorieren, dass er mich belogen hatte.
"Warum?", fragte ich nach. "Ich weiß, dass die meisten Menschen mich anlügen aber Steve und du...ihr wart die Ausnahme."
"Es hat den Abschied leichter gemacht, so zu tun, als wollte ich gehen", antwortete er dann. "Es war egoistisch, aber ich wollte dich nicht noch mehr leiden sehen."
"Du hast mich angelogen", ich schüttelte den Kopf, dann wandte ich mich um und stopfte die Kleidungsstücke, die noch herumlagen, in meine Tasche.
"Ich...", doch ich unterbrach ihn. Ich war nicht wütend, aber verletzt. Es hatte niemals ein Grund bestanden mich anzulügen, im Gegenteil. Er hatte mich zurückgewonnen als ich geglaubt hatte, er wollte in diesen Krieg ziehen, hätte ich gewusst, dass er eingezogen wurde, dann hätte ich wenigstens verstehen können, warum er gehen musste.
"Gibt es noch irgendwas, dass ich wissen muss?", wieder ergriff das Schweigen den Raum. Ich blickte über meine Schulter. Er hatte die Schultern gesenkt und blickte weiter stur auf seine Hände. "Na sehr gut. Ich warte draußen." Ich schulterte meine Tasche und verließ das Zimmer. Villia brachte mich zur Landeplattform. Neben unserem Schiff machten sich noch viele kleinere, bewaffnete Schiffe bereit und Soldaten liefen auf und ab.
"Lyla", mein Onkel wank mich zu sich und seiner Frau herüber. Ich gesellte mich zu ihnen. Er hielt ein Bündel Kleidung in der Hand. "Für dich. Eine asterianische Rüstung, wie sie Mitglieder der Königsfamilie tragen." Ich nahm das Bündel entgegen.
"Danke", ich zwang mich zu lächeln. "Ich komme bald wieder."
"Es hat keine Eile, Kind. Nimm dir Zeit für dich, wenn das vorbei ist. Du hattest sicher keine Pause, seit deine Mutter dich in diese Zeit gebracht hat", er lächelte warm und drückte meine Schulter. "Ich muss noch kurz mit dem Hauptmann sprechen. Offiziell wirst du den Oberbefehl haben aber Hauptmann Rhysen ist ein erfahrener Anführer, der die Arbeit abnehmen wird." Er reichte mir ein kleines Headset und nickte mir zu. Ich platzierte das Headset.
"Ist alles in Ordnung?", überrascht wandte ich mich Sol zu. "Tut mir leid, ich kann die Gefühle und Aura von Menschen sehen und deine ist im Moment ziemlich düster. Du bist angespannt, vermutlich wegen des Kampfes, aber du bist auch aufgebracht und gekränkt." Sie lächelte sanft.
"Ach es ist nur...es ist etwas, dass Bucky gesagt...besser gesagt: getan hat", ich schüttelte den Kopf. "Ich sollte mich im Moment auf andere Dinge konzentrieren."
"Lyla", sie hielt mich am Ellenbogen sanft zurück. "Es ist okay, wütend zu sein, das gehört zu einer Beziehung dazu aber erlaube solchen Dingen nicht zwischen euch zu stehen. Ich konnte euch in den letzten Tagen beobachten und ich denke, ihr tut euch gut." Ich sah zu ihr und musterte sie für einen Moment kritisch, dann nickte ich.
"Also schön", gab ich nach. Ich würde mit ihm darüber sprechen aber im Moment musste ich mich auf das größere Problem konzentrieren und solange durfte ich noch schmollen. "Danke für eure Gastfreundschaft."
"Natürlich, du bist Teil der Familie", lächelte sie. Als ich über meine Schulter blickte, bemerkte ich, dass viele Soldaten in ihre Schiffe eingestiegen waren.
"Ich sollte los", lächelte ich und sie nickte.
"Bis bald, Lyla", sie drückte meine Hand sanft.
"Bis bald", ich wandte mich um und lief die Rampe des größten Schiffes nach oben. Bucky saß bereits in seinem Sitz. Ich warf die Rüstung auf einen Sitz und begann mich umzuziehen.
"Lyla", ich blickte über meine Schulter und sah, dass er das Thema wieder aufmachen wollte. Ich zog die Unterkleidung an, ein hautenger Anzug aus feuerfestem Material.
"Nicht jetzt", meinte ich. "Ich...ich kann mich im Moment nur auf eine Sache fokussieren und im Moment hat meine Mutter Priorität." Ich zog den Reißverschluss zu und wandte mich um. Er wich meinen Blick aus und wirkte wieder versteift und kühl. Statt noch etwas zu sagen, begann ich die Reste der modernen Rüstung anzulegen.

»The vanished girl« // Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt