Lisas POV
Mein Blick fällt auf meinen Schreibtisch und ich kann ein kleines Päckchen darauf erkennen. Das lag da vorhin noch nicht. Langsam stehe ich auf, wische mir mit dem Handrücken wenig ladylike über die Nase und die Augen und gehe zum Schreibtisch. Tatsächlich liegt dort ein Geschenk und ein Umschlag. Die Schrift kommt mir wage bekannt vor und ich brauche einen Moment bis ich realisiert habe, dass es die Schrift von Philipp ist. Was zum Teufel soll das? Warum liegt hier ein Geschenk von ihm, während er drei Straßen weiter mit einer anderen rumpimpert?
Ja, schon klar, die Antwort bekomme ich nicht, wenn ich weiter den Umschlag anstarre. Ich nehme also den Umschlag und das Päckchen und setze mich vor mein Bett auf den Boden. Erst Päckchen oder erst Umschlag? Ich schaue beides an und entscheide mich für das Päckchen. Es nützt ja nichts. Ich muss wissen, was in beidem ist, damit ich damit umgehen kann. Es nicht zu wissen würde mich irre werden lassen.
Das Papier des Päckchen ist dunkelblau und mit einer Schleife verziert, beides wirkt abgegriffen. Vorsichtig löse ich den Knoten der Schleife und lege sie neben mich auf den Boden. Das Tesafilm ist ebenfalls schnell geöffnet und nachdem ich das Papier entfernt habe, halte ich eine kleine, schwarze Schachtel in den Händen. Meine Finger zittern als ich den Deckel der Schachtel hochhebe.
In dem Kästchen liegt eine silberne Halskette mit einem Schuh als Anhänger, in dem Schuh ist ein kleiner Edelstein eingearbeitet. Verblüfft betrachte ich die Kette einige Zeit und drehe sie in der Hand, damit ich das Funkeln des Steines sehen kann.
Mir fällt der Umschlag wieder ein und ich lege die Kette vorsichtig zurück in das Kästchen. Meine Hände beginnen wieder zu zittern als ich einen Zettel aus dem Umschlag ziehe und Philipps Handschrift erkenne.
„Liebe Lisa, meine Cinderella,
schon so viele Male habe ich diesen Brief in den letzten Tagen begonnen und dann doch wieder verworfen.
Am besten beginne ich bei dem Geschenk, was bei diesem Brief dabei lag. Falls du es noch nicht geöffnet hast, tu es bitte JETZT und lies erst danach weiter!
Hast du es geöffnet? Wie gefällt dir die Kette? Ich hab sie kurz vor deinem 17. Geburtstag in einem Schmuckladen in Hamburg gesehen, als ich dort alte Freunde besucht habe und ich musste direkt an dich denken, Das ist der Schuh, den Cinderella verloren hat und ich wollte dein Prinz sein, der ihn dir gibt. Aber was soll ich sagen? Bevor ich dir die Kette schenken konnte, ist das Chaos über uns zusammen gebrochen und schneller als ich es realisiert habe gab es kein „uns" mehr.
Nachdem ich tagelang bei dir am Bett gesessen habe und dann wochenlang in jeder freien Minute bei dir war, warst du eines Tages weg. Ich bin nach der Schule wie jeden Tag zu deinen Eltern gegangen, doch es war keiner da. Erst Stunden später habe ich deine Eltern erreicht und sie haben mir nicht verraten, wo du bist. Nur, dass man dir jetzt helfen würde und dann würde alles wieder gut.
Gut? Was konnte daran gut sein, dich zu verlieren? Ich habe vermutlich gleich gespürt, dass ich dich verloren habe. Keine Ahnung, wie ich die nächsten Monate überstehen konnte. Niemand hat mir gesagt, wie es dir geht und ob du zurückkommen würdest. Nach dem Abitur bin ich dann nach Hamburg, ich brauchte Abstand von allem. Von den Erinnerungen an dich. Aber ich brauchte auch dich, also habe ich mich entschlossen nach Brisbane zu gehen. An die University, die immer dein Traum war. Hier wollte ich dir nah sein, wenn auch nur in Gedanken. Nie habe ich damit gerechnet, dass du wirklich hier auftauchen würdest. Und dann warst du plötzlich da, in Hunters Armen. Hunter hat die Situation schnell aufgeklärt, aber an dem Abend habe ich eines gelernt, ich bin nicht gut für dich. Egal, wie sehr ich es mir wünschen würde.
Du bist nach unserer Begegnung geradewegs in eine Panikattacke gesteuert. Woher ich das weiß? Ryder hat mich angerufen und ich habe dich die halbe Nacht in meinen Armen halten dürfen, dich spüren und dir nah sein dürfen. Dein vertrauter Geruch und deine Arme um meinen Körper. Auf all das musste ich so lange verzichten und durfte es noch einmal genießen.
Aber ich kann nicht zulassen, dass deine Vergangenheit dich auf diese Art und Weise einholt. Du hast zu lange und zu hart gekämpft! Ich bin so unglaublich stolz auf dich!
Ich würde gerne sagen „Lass uns Freunde bleiben", aber wir wissen beide, dass es eine Lüge ist. Wir können keine Freunde sein, nicht nur. Deshalb werde ich mich von dir fern halten und dir den Freiraum lassen, den du zum glücklich sein benötigst. Du bist so viel mehr als eine Freundin...
Egal, was in Zukunft auch passieren wird, bitte denk nicht schlecht von mir. Ich kann nicht mehr der Philipp sein, der ich damals war. Damit auch ich nach vorne blicken kann, muss ich mich verändern. Aber du wirst immer die Eine für mich sein.
In Liebe
Philipp"
Tränen laufen und laufen...
Die Nacht kommt, aber nicht der Schlaf. Ich sitze hier und lese den Brief immer und immer wieder.
Mittlerweile sitze ich mit dem Rücken an meiner Tür, Ryder sitzt auf der anderen Seite der Tür und weint mit mir...
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Edelstein-Schlag
Short StoryTeil 3 der Kurzgeschichten Reihe um Lisa und Philipp. Teil 1: Codewort: Handtasche Teil 2: Schicksalsschlag-Sahne Lisa und Philipp haben sich auf der anderen Seite der Welt wiedergetroffen. Beide sind überfordert von der Begegnung und jeder geht and...