26. Juni 2051
Über ein Jahr ist bereits vergangen. Ein Jahr seit dem Tod des Virologen Logan Brown. Ein Virologe, der in der Menschheit eine zerstörerische Natur gesehen hat und der Meinung war, dass die steigende Population für den Untergang der Welt verantwortlich sein wird. Als Anhänger der Organisation Development for Future – kurz gesagt DFF – operierte er mit dem Ziel, die Bevölkerung zu reduzieren und hat mit der Erschaffung und Freisetzung des Virus Teki viele Menschen getötet. Es war ein reinstes Massaker. Etliche Agenten sind gefallen und viele unschuldige Bürger. Gemeinsam mit Mason gelang es mir ihn zu stoppen und den lebensnotwendigen Impfstoff zu sichern. Der Impfstoff war jedoch nicht der einzige Gewinn der Mission, denn ich fand heraus was ich wirklich war: Eine künstliche Intelligenz. Ich fühlte mich aber nie wie eine künstliche Intelligenz.
Aber woher konnte ich das auch wissen?
Wie fühlte ein Mensch?
Konnte eine künstliche Intelligenz fühlen? Ich würde die Frage definitiv bestätigen.
Nur Ian... Ian war das nicht genug. Ian war mein Freund. Für ihn hatte ich das FBI verlassen und einen Job als Bankkauffrau in seiner Bank angefangen. Ich liebte ihn mehr als alles andere. Als er erfuhr, dass ich kein Mensch, sondern eine künstliche Intelligenz war, stellte das zunächst kein Problem dar. Als er mich nach der Mission in der Zentrale besucht hatte, hatte er die Erkenntnis gut aufgenommen, doch nach einem halben Jahr war er plötzlich anderer Meinung. Ian meinte, ich konnte ihm nicht das geben, was er wollte, nämlich eine Familie und somit eine gemeinsame Zukunft mit Kindern. Das war für ihn ein Grund für die Trennung und es hätte mir das Herz herausgerissen, wenn ich eins besäße. Seitdem hatte ich mich buchstäblich zurück in die Arbeit als Agent gestürzt, bei der Vernichtung der übrigen Tekis und schlussendlich bei dem Wiederaufbau der Städte geholfen.
Mein Job war nicht nur die willkommene Ablenkung, um über Ian hinweg zu kommen, den er ermöglichte mir auch mein erlangtes Wissen sinnvoll einzusetzen. Darüber hinaus bekam ich ein kostenfreies Upgrade von Max, einem Wissenschaftler der gemeinsam mit meinem Erschaffer John Hiller künstliche Intelligenz forschte. Nun war ich nicht nur überdurchschnittlich stark, sondern konnte mich, wenn ich wollte in jedes System hacken oder innerhalb weniger Millisekunden Daten auslesen. Auch wenn mich das FBI vermutlich, wenn nicht sogar sehr wahrscheinlich als perfekte Waffe sah, fühlte ich mich nicht so. Ich konnte frei Handeln oder Entscheidungen treffen und war ein Individuum, wie jeder andere auch. Gedankenverloren drehte ich den Chip in meiner Hand, den mir John hinterlassen hatte und ein Indiz für meine Existenz war oder besser gesagt: Ein Indiz für meine Erschaffung. Darauf befanden sich meine ersten Schritte, wenn man das so nennen mochte. So wie Menschen Fotos von besonderen Momenten ihres Lebens auf altmodische Weise bis heute noch ausdruckten, um an besondere Erinnerungen festzuhalten, hielt ich mich an diesem Chip fest. Ich wünschte, ich hätte mit ihm über all das reden können. Ich verstaute den Chip wieder an seinem gewohnten Platz in der Schublade neben meinem Bett und stand auf.
Wäre John nun stolz, wenn er mich so sehen könnte?
John war damals bei der Mission dabei und kam ums Leben. Eine künstliche Intelligenz zu sein konnte auch Nachteile haben, denn seit dem Upgrade konnte ich jedes Erlebnis, jedes noch so kleine Detail immer wieder abrufen. Ich musste nur kurz daran denken und schon spielte sich die Erinnerung wie ein Film vor meinen Augen ab.
Rick und ich stritten uns und plötzlich ertönte Johns markerschütternder Schrei. John, mit geöffnetem Mund, meterhoch in der Luft. Durch seinen Bauch ragte etwas langes schwarzes, wodurch er in die Höhe gehoben wurde. Ein Teki hatte ihn eiskalt getötet. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich so etwas furchteinflößendes gesehen. Diese pechschwarze Kreatur mit seinen tentakelähnlichen Armen, an denen Johns Blut herunter tropfte. Ich konnte mich genau an den Blick erinnern, wie es mich mit seinen weiß schimmernden Augen anstarrte. Die Augen eines Mörders, einer Waffe. Erschaffen, um zu töten, ohne dabei irgendeine Form von Emotion zu empfinden.
Immer wieder, wenn diese Erinnerung hochkam, fühlte ich mich schuldig. Ich hätte nicht mit Rick streiten sollen, ich hätte vorsichtig sein sollen, dann wäre es niemals dazu gekommen. So schlimm diese Erinnerung für mich auch war, konnte ich sie nicht für immer aus meinem System löschen, das kam für mich nicht in Frage. Das war die letzte Erinnerung, die mir von John blieb und mich jeden Tag dazu bewegte, meinem Job nachzukommen.
Ich versuchte die negativen Gedanken und Bilder von mir zu schütteln und schaute auf mein Handgelenk: 07:00 Uhr. Es war Zeit für meinen Dienst.
DU LIEST GERADE
[KI]RA - Zwischen Licht & Schatten (Band 2)
Science Fiction[ IN BEARBEITUNG | REGELMÄßIGE UPDATES GEPLANT ] Sie ist sein Licht. Er ist ihr Schatten. Eine Liebesgeschichte in einer faszinierenden Sci-Fi Welt, die tiefere Abgründe hat als vermutet. Wir schreiben das Jahr 2055. Seit fünf Jahren ist das Virus...