Kampf gegen mich selbst

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Ich nehme Anlauf, doch kurz vor dem Sprung werde ich gestoppt.

Nicht etwa von meinem Trainer, nein.

Ich bin es, die mich bremst.

Ich allein.

'Kann ja einmal passieren', denke ich mir und gehe zurück auf meine Ausgangsposition.

Dann laufe ich los, doch erneut kann ich mich nicht vom Boden ablösen, kann nicht springen.

Verwirrt und von mir selbst enttäuscht gehe ich ein weiteres Mal zu meiner Ausgangsposition.

Ich schließe für einen Moment meine Augen und nehme mir fest vor, diesmal abzuspringen.

Ich atme tief ein.

Dann renne ich los.

Kurz bevor ich abspringen will verliere ich jedoch schon wieder die Kontrolle über meinen Körper, schaffe es nicht, zu springen.

Egal wie oft ich es noch probiere, ich schaffe es nicht.

Kurz vor dem Absprung kommt jedesmal diese riesige, schwarze Mauer aus dem Nichts vor meinem inneren Auge heruntergeschossen.

Jedes Mal verliere ich die Kontrolle über meinen Körper, über meine Gedanken, über mich.

Ich schaffe es einfach nicht, diese Mauer zu überwinden.

Sie ist zu groß, zu stark.

Ich beginne zu verzweifeln.

Mache mir Vorwürfe.

Sage mir, ich bin einfach zu schlecht, werde es nie können, bin zu dumm.

Dabei sind es nicht meine Fähigkeiten, die mich daran hindern.

Es ist diese Mauer in meinem Kopf.

Ich beginne auf sie einzuschlagen.

Versuche, sie zu durchbrechen.

Sie zu zerstören.

Doch dadurch zerstöre ich nicht die Mauer, nein.

Dadurch zerstöre ich mich.

Jedesmal, wenn meine zerbrechlichen Fingerknochen auf die Fassade der Mauer prallen spüre ich einen heftigen Schmerz.

Es tut so weh.

Doch trotzdem höre ich nicht auf.

Ich balle meine Fäuste, schlage weiter auf sie ein, trete auf sie ein, benutze meine gesamte Kraft.

Doch es nützt nichts.

Ich breche auf dem Boden zusammen.

Erschöpft.

Zu viel.

Es ist alles zu viel für mich.

Heiße Tränen strömen meine Wangen herunter.

Langsam beginnt die Welt vor meinen Augen zu verschwimmen.

Ich bin so schwach.

"Ich kann nicht einfach aufgeben", denke ich mir.

Die Tränen kann ich nicht stoppen.

"Ich muss kämpfen, muss stark sein", denke ich mir.

Ich versuche, mich aufzurappeln und aufzustehen, doch augenblicklich knicke ich wieder ein und breche in mir zusammen.

Bleibe bewegungslos auf dem Boden liegen.

Verkümmert.

Schwach.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen.

Ich schließe meine Augen und schreie.

Versuche, den ganzen Schmerz einfach aus mir raus zu schreien.

Doch meine Stimme wird brüchig, versagt schließlich ganz.

Ich liege zusammengekauert auf dem Boden und schluchze.

Ich bin gefangen.

Komme nicht fort, nicht weiter.

Bin nicht gut genug.

Ich blicke auf meine blutenden Hände, auf meine vernarbte, aufgerissene Haut.

Der Schmerz zerreißt mich, doch ich kann nichts dagegen tun.

Muss ihn einfach ertragen, über mich ergehen lassen.

Ich blicke auf.

Sehe vor mich.

Die Mauer.

Aufgetürmt steht sie vor mir, lacht mich aus, mich lächerliches, dummes, schwaches, kleines Mädchen.

Ich werde es nie schaffen, sie zu durchbrechen.

Nie.

Alles nur in meinem KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt