Prolog

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PROLOG

Wolken, die den Anschein erwecken ließen sie wären in Blut getränkt worden, hingen trostlos über Illunua, während die Sonne immer tiefer glitt und die kleine Stadt schon bald in erdrückende Dunkelheit hüllen würde. Die Fenster der kleinen Häuser glichen schwarzen Löchern und nirgends schien ein Licht zu scheinen. Plötzlich durchschnitt ein ohrenbetäubendes Geräusch die Totenstille und schien dem Anblick etwas Leben einzuhauchen. Ein weißes Pferd, auf dem eine völlig schwarz gekleidete Gestalt saß, galoppierte in beängstigender Geschwindigkeit durch das Tor der Stadt. Kleine Schneeflocken wurden von den Hufen des königlichen Tieres aufgewirbelt und tanzten munter in der eisigen Luft.

»Seid gegrüßt, Euer Gnaden. Was führt einen so noblen Herrn wie Euch zu uns? « Eine alte Frau mit wallendem weißen Haar fasste das Halfter des Pferdes und verbeugte sich ehrwürdig vor der Gestalt, die sich von dem Rücken des Pferdes abstieß und elegant wie eine Katze im Schnee landete. Zwei behandschuhte Hände griffen rücklings nach der Kapuze, die den Kopf der Gestalt einhüllte, und zogen diese langsam zurück. Die Luft wurde von der Frau scharf eingesogen, als ihr ein vernarbtes Gesicht entblößt wurde.

»Amice, Ihnen ist mit Sicherheit bewusst wie ich zu meinen Narben gekommen bin? «, fragte der Mann in monotonem und dennoch gebieterischen Ton. Schnell nickte Amice und senkte beschämt ihren Blick.

»Ich bitte vielmals um Verzeihung, Herr. Aber was sucht Ihr nun hier? Ihr könntet jeden Moment einem Anschlag zum Opfer fallen. Geht und kümmert euch lieber um Eure Frau und Euer Kind. «, riet Amice und schlang die knochigen Arme um ihren unterkühlten, zitternden Körper. Der Mann ihr gegenüber schüttelte den Kopf und senkte den Kopf, sodass ihm das braune Haar ins Gesicht fiel.

»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Es wäre den Umständen entsprechend angenehm sich an einen wärmeren Ort zurückzuziehen, meinen Sie nicht? «, verkündete der Mann und nickte Amice aufmunternd zu, wobei in seinen grauen Augen sich tiefe Trauer wiederspiegelte.

»Wie Ihr wünscht, Eure Hoheit. «, antwortete Amice und bewegte ihren Gegenüber mit einer flüchtigen Handbewegung dazu ihr zu folgen. Der Schnee knirschte unter den schweren Schritten der Beiden, während sie sich einem der nahegelegensten Häuser näherten. Mittlerweile war die gesamte Landschaft in tiefes Rot gehüllt worden.

»Wohnen Sie hier? «, wollte der König wissen, als er hinter Amice das kleine Haus betrat und die bereits morsche Tür hinter sich schloss. Wohlige Wärme erfüllte seinen Körper auf Anhieb und ließ die winzigen Eiszapfen an seinen Haarspitzen schmelzen.

»Ja, ich wohne hier zusammen mit meiner Tochter und ihrem Sohn. Darf ich Euch heißen Tee bringen? «, antwortete Amice wahrheitsgemäß und hielt dem König eine Tasse entgegen, welche er dankend annahm.

»Wie sind die Namen der beiden? «, wollte er wissen und zog sich den schwarzen Mantel, der sein königliches Gewand bisher verborgen hatte, aus. Amice hielt in ihrer Bewegung inne und musterte ihren König innig.

»Ihr werdet ihnen doch nichts tun, oder? «, fragte sie, wobei in ihrer Stimme die Besorgnis kaum zu überhören war. Der König nickte heftig, wobei ihm einige tiefnasse Haarsträhnen, die im Licht der Kerzen schwarz wirkten, in das von Narben durchzogene Gesicht peitschten.

»Haline und Matris Lefrosa, Eure Hoheit. Aber weshalb seid Ihr nun gekommen? «, fragte Amice und nippte leicht an der Tasse.

»Ihr habt recht. Ich sollte Euch nun endlich den Grund meines Kommens  nennen. «, setzte der König nickend an und stand mit einem Satz auf, »Ich bitte Euch meine Tochter durch das Portal zu geben. Sie ist hier nicht mehr sicher. Ihr wisst doch weshalb ich das von Euch erbitten möchte, oder? «

Amice schüttelte, noch völlig überrascht über die Worte des Königs, den Kopf und stemmte die faltigen Hände, die die Farbe von frischem Ton aufwiesen, in die Hüften.

»Habt Ihr den nichts von der Prophezeiung der Ignis gehört? «, fragte der König und zog eine Augenbraue in die Höhe.

»Nein, tut mir leid Euch enttäuschen zu müssen. «, gestand Amice und griff nach ihrer Teetasse, aus der noch immer Dampf in die Höhe stieg.

»Wenn Dunkelheit in die Herzen der Menschen gelangt und sie vergiftet. Wenn der Feuerball der Welt zu Brennen verhilft. Wenn der Mond mit dem dritten Monat stirbt. Wird ein Kind in der Hitze des Feuers geboren werden. Ein Kind, von königlicher Abstammung und feurigem Blut mit einem Herz aus Eis. Es wird die Herzen der Menschen heilen. Es wird die Flammen, die die Welt verschlingen, löschen. Es wird sterben wenn der Mond mit dem dritten Monat stirbt.«, zitierte der König, wobei seine Miene wie die einer gemeißelten Statue glich; steinhart und eiskalt. Er blickte auf und fixierte Amice mit seinen grauen Augen.

»Und Ihr seid euch sicher, dass Eure Tochter damit gemeint ist? «, fragte sie noch immer überfordert mit ihrem neuen Wissen. Sie wollte nicht glauben, dass es wahr sein könnte.

»Ich werde es Euch zeigen, Amice. «, murmelte der König und strich sich reflexartig durch das Haar, dass ihm in alle erdenklichen Richtungen abstand. Seine rechte Hand glitt über den Saum seines schwarzen Mantels, der ungeachtet auf dem Fußboden platziert worden war. Amices blaue Augen folgten den grazilen Bewegungen des Mannes fasziniert und beugte sich etwas vor.

»Ich bitte Euch nun nicht zu erschrecken. Versprecht Ihr mir das? «, fragte der König und blickte der alten Frau tief in die Augen. Sie konnte die Angst und das Unbehagen, die von ihm ausgingen, förmlich riechen, weshalb sie nickte, wenngleich ihr nicht im Geringsten bewusst war, was kommen würde. Wieder glitt die Hand des Königs über den Mantel, doch diesmal erschien ein schwaches bläuliches Licht und erweckte den Mantel mit einem Mal zum Leben. Plötzlich jedoch verformte sich der Stoff zu einer kleinen Gestalt und lautes Geschrei war zu hören. Das bläuliche Licht erlosch und somit auch die etlichen Kerzen, die dem Zimmer das nötige Licht verliehen. Es war  dunkel und kalt. Amice begann zu zittern und schlang ihre Arme um ihren Körper, genau wie sie es vorhin auf der Straße getan hatte.

»Öffnet die Augen, Amice. «, befahl der König mit sanfter und liebkosender Stimme. Amice verzog das Gesicht zu einem amüsanten Lachen, da sie wusste, dass sie die Augen geöffnet hatte, doch als ihr bewusst wurde, das sie zu tun hatte, was ihr König von ihr verlangte, öffnete sie die Lider und blickte in gleißendes weißes Licht, ausgehend von einem Punkt vor ihr.

»Wie? «, war das Einzige, was sie über die Lippen bekam, als das Licht schwächer wurde und sie das vernarbte, aber dennoch attraktive Gesicht des Königs vor sich sehen konnte. Ihr Blick wanderte hinab und blieb an einem Kind hängen, das in den Armen des Mannes schlief. Es war ein hübsches Kind, mit kaltweißer Haut, doch etwas störte Amice an dem Anblick, der sich ihr erwies.

»Siehst du es? «, fragte der König und wandte sich Amice zu, die das Kind noch immer angestrengt musterte.

»Ich weiß nicht was Ihr meint, Eure Hoheit. «, gestand sie und fuhr sich durch das spröde Haar.

»Betrachtet ihren Kopf, Amice. «, riet der Vater des Kindes und blickte abermals hinab. Amice folgte seinem Blick und betrachtete ruhig den hübsch geformten Kopf des Kindes, als ihr die spitzzulaufenden Ohren und die beiden schwarzen, etwas gekrümmten Hörner, die aus dem Schädel wucherten, auffielen. Ihr öffnete sich der Mund, doch die Worte wollten ihr nicht über die Lippen kommen.

»Würdet Ihr mir diesen Gefallen tun? Ich werde sie auch mit einem Bann belegen. Sie wird leben und aussehen wie ein gewöhnlicher Mensch, Amice und ihr Name…ihr Name lautet Tera. «

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