1.Kapitel - De Omnibus Dubitandum - Part 3

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Lediglich das Tiefrot der aufgehenden Sonne erlaubte Elandor etwas zu sehen. Sein Herzschlag beschleunigte sich und ließ ihn stoßweise atmen, während er ein ekelerregendes Röcheln wahrnahm, das nicht weit von ihm entfernt zu sein schien. Die geschwungene Klinge des Dolches blitzte drohend wie Feuer im Licht der Sonne, als er einen Schritt wagte und sich mit wild hebender und senkender Brust gegen die Mauer eines Hauses, das ihm am nächsten war, drückte. Der Köcher, in dem etliche Pfeile gegen das Holz schlugen, drückte ihm gegen das Schulterblatt und ließ einen kurzen Schmerz durch seinen Körper rasen. Seine Muskeln waren angespannt und seine Konzentration galt lediglich dem Röcheln, das in einem langsamen Rhythmus immer näher kam. Elandor wusste was er tun musste und doch war ihm dabei unwohl zumute. Irgendetwas war geschehen. Der Geruch von frischem Elfenblut lag in der Luft und ließ seinen Magen ein weiteres Mal verkrampfen. Langsam streckte er eine Hand aus und presste die Handfläche gegen das kalte Gestein des Hauses. Den Dolch schützend vor seinen Körper haltend, schob er sich vorsichtig, um keine unnötige Lautstärke zu entwickeln, um die Ecke und stellte sich breitbeinig auf die Straße der Gasse. Sein Blick war starr in die Ferne gerichtet und studierte konzentriert jeden Winkel der Szenerie. Vor ihm lag das Ende der Gasse in völliger Dunkelheit und doch schien sich dort etwas zu verbergen; etwas Grauenvolles, das nach einem weiteren Opfer, mit dessen Blut es seinen Durst zu stillen vermag, lechzte. Plötzlich erklang das Röcheln von neuem und diesmal war Elandor sich sicher, dass es genau vor ihm sein musste. Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und machte einen Schritt, als mit einem mal schwere Schritte erklangen, die jedes mal von einem grauenhaften Zischen, wie er es nur von Feuer kannte, begleitet wurden. Das Röcheln wurde lauter und rotes Licht flammte in der Dunkelheit des hinteren Teils der Gasse auf. Adrenalin schoss durch Elandors Körper und ließ ihn eine geeignete Stellung für den unausweichlichen Kampf eingehen. Der Dolch lag noch immer in seiner rechten Hand und war kampfbereit vor seiner Brust positioniert worden, während seine blauen Augen, die der Farbe von gefrorenem Eis glichen, die Fläche vor ihm erkundeten. Das fremde Wesen, dass sich noch immer in der schützenden Dunkelheit aufhielt, gab ein tiefes Knurren von sich, begleitet von einem ekelerregenden Geräusch, das Elandor nicht einordnen konnte.

»Zeige dich!«, schrie er und verlagerte sein gesamtes Gewicht auf die Beine, die ihm somit idealen Stand versprachen. Just in dem Moment, in dem Elandor ein weiteres mal provozierend rufen wollte, sprang etwas mit rasender Geschwindigkeit aus dem Schatten der hohen Mauern und landete mit einem Zischen vor ihm. Das Bild was sich ihm zeigte war in keinerlei Hinsicht erschaudernd, geschweige denn ekelerregend. Sein Blick glitt über einen zierlichen, kleinen Körper, der glühte, wie Feuer, und ein hübsches, makellos erscheinendes Gesicht, das von roten Augen verschönert wurde. Langes schwarzes Haar wehte sanft im leichten, aber dennoch hitzigen Wind und verlieh dem Mädchen etwas bösartiges.

»Stirb, Eisprinz!«, spie das Mädchen aus und öffnete den Mund zu einem Knurren, das tief in ihrer Kehle entstand. Elandor´s Griff um das Heft des Dolches wurde verstärkt, sodass ihm die Spitzen der Kristalle, die dort befestigt worden waren, tief in die Haut stachen. Er wusste nicht welcher Spezies das Mädchen vor ihm angehörte, doch er war sich sicher, dass er nicht ohne einen Kampf davonkommen würde.

»Eisprinz muss sterben!«, knurrte das Mädchen und lenkte somit Elandor´s Aufmerksamkeit vollends auf sich. Er mochte es nicht Eisprinz genannt zu werden; zum einen lag eine bittere Geschichte dahinter verborgen und zum anderen nannte lediglich Tamesis ihn so.

»Mein Name ist Elandor.«, murmelte er und bezweifelte, dass das Mädchen ihn gehört hatte.

»Nein!«, widersprach das Mädchen und öffnete den Mund. Heiße Feuerzunge zuckten und zischten auf ihn zu. Reflexartig wich er aus und warf den Dolch in Richtung des Mädchens, das bereits auf ihn zu gestürmt kam. Sie war schneller als ein gewöhnlicher Mensch, bewegte sich aber auch nicht so geschmeidig und anmutig wie eine Hochelfe. Kurz bevor sie ihre dürren Finger um seinen Hals geschlossen hätte, drang die Klinge des Dolches tief in ihre Brust ein und löste ein grauenhaftes Zischen aus. Feuer drängte sich durch die Öffnung, die der Dolch geschaffen hatte und schlang sich wie eine Schlange um das Heft. Elandor´s Augen weiteten sich und das Blut in seinen Adern begann zu gefrieren. Nie hatte er von einem solchen Wesen gehört, geschweige denn eines gesehen und etwas sagte ihm, dass es das Mädchen auch eigentlich nicht geben dürfte. Er spürte Magie, schwarze Magie, die dem Mädchen entwich, je mehr sie sich gegen den Schmerz zu wehren versuchte.

»Wer hat dich geschaffen?«, fragte er sanft und wagte einen Schritt. Augenblicklich begann das Mädchen schmerzerfüllt zu knurren und umfasste das Heft des Dolches.

»Stirb, Eisprinz.«, nuschelte sie und zog, mit all ihrer noch vorhandenen Kraft, den Dolch aus ihrer Brust. Das Feuer breitete sich über ihren gesamten Körper aus und das Mädchen stand in Flammen. Die Klinge des Elfendolches grub sich in einen Riss im Boden und spiegelte die Flammen wider. Elandor blieb wo er war, unfähig etwas zu tun; er wusste, dass das Mädchen sterben würde. Ihre Augen funkelten wütend, während sie von den Flammen verschlungen wurde. Schreie hallten von den Wänden wieder und erstarben. Ohne dem Dolch, der noch immer in dem Riss steckte, Beachtung zu schenken entfernte er sich, so schnell es ihm seine Beine, die aus weichem Material zu bestehen schienen, erlaubten, von der dunkeln Gasse. Ohne auf jegliche Gegenstände Rücksicht zu nehmen lief er durch die Straßen Ardin´s, in der Hoffnung den Geschehnissen entfliehen zu können. Er wusste nicht weshalb, doch aus irgendeinem Grund stellte er sich den Tod Athavar´s so vor. Bei dem Gedanken an seinen Vater kam ihm ein weiterer Grauenvoller: Er war allein und wusste beim besten Willen nicht wo all die anderen Hochelfen waren, die die Stadt vor wenigen Stunden noch lebendig hatten wirken lassen. Den Blick gen Himmel gerichtet, versank er in seinen Gedanken. Er hätte sich mit dem König treffen sollen und war zu spät gekommen.

Und erlaube dir ja nicht dich zu verspäten, Tamesis´ Worte hallten in seinem Kopf wider und mit einem Mal schien sich eine bisher verschlossene Tür zu öffnen. Sie hatte ihn gewarnt; er hätte nicht zu spät kommen dürfen. Enttäuscht von sich selbst fasste er sich an den Kopf und grub die Fingernägel in seine Haut.

»Elandor?«, ertönte es plötzlich hinter ihm. Er griff rücklings nach einem seiner Pfeile und spannte ihn in rasender Geschwindigkeit in seinen Bogen ein, wobei seine Bewegungen dennoch denen einer Königskobra glichen. Vor ihm trat eine große, muskulöse Gestalt aus den Schatten, die die Mauern der Häuser warfen, und stellte sich breitbeinig vor Elandor.

»Ich komme in friedlichen Absichten, Elf.«, verkündete der Mann mit gehobenem Ton und deutete vorsichtig auf den gespannten, mit Schnörkeln verzierten Bogen. Er hatte etwas längeres dunkelbraunes Haar, das ihm widerspenstig in das junge Gesicht hing, und fahle graue Augen, die zwei Kieselsteinen glichen. Sein mit Gold und Diamanten verziertes Gewand zeugte von seiner königlichen Abstammung und ließen die Worte, die er sprach noch gehobener klingen.

»Was willst du, Mensch? Nur weil mein Volk mit deinem kein Abkommen unterzeichnete, steht es dir in keiner Hinsicht zu ohne Erlaubnis in Ardin einzudringen.«, zischte Elandor und spannte den Bogen noch ein wenig mehr.

»Der König hat nach dir schicken lassen, weil ich darum gebeten habe. Kurz darauf wurde die Stadt angegriffen und die Elfen flohen in den Nordwald.«, erläuterte der junge Mann und strich sich durch das dunkle Haar.

»Warum?«

»Ich brauche deine Hilfe, Elf. Der König hat mir dich empfohlen, er sagte du wärst sein tapferster Krieger und hättest ein Herz aus Eis. Das gefiel mir und ich hoffe doch sehr, dass es der Wahrheit entspricht, denn sonst wird dein Leben ein schnelles Ende finden.« 

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