1. Kapitel - De Omnibus Dubitandum - Part 4

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Eisige Luft peitschte Tera in das Gesicht, während sie weitgehend versuchte mit Andrew schritt zu halten. Hinter ihnen erschienen in der Ferne bereits die Strahlen der aufgehenden Sonne, wobei vor ihnen noch unangenehme Dunkelheit regierte und dem Wald etwas unheimliches verlieh.

»Wir sind gleich da, keine Sorge.«, beruhigte sie Andrew. Er stapfte schnellen Schrittes den schmalen Pfad entlang und fuhr sich dabei mehrmals durch das dunkle Haar, das ihm in das Gesicht hing. Seine grünen Augen waren starr auf einen Punkt vor ihm gerichtet, während seine Arme sich mechanisch bewegten und die Zweige, die ihm im Weg waren, teilten. Eisige Schauer jagten durch Teras Körper, als sie Andrew tiefer in den Wald folgte und sich auf fremdes Terrain begab. Äste gaben unter ihrem Gewicht nach und schreckten kleinste Tiere auf, die um ihre Beine zu huschen begannen.

»Mir ist unangenehm bei der Sache, Andrew. Lass uns umkehren.«, murmelte sie und fuhr sich nervös durch das rote Haar. Beinahe unmenschlich schritt der Junge weiter und ignorierte Teras Worte. Wut und blanke Angst breiteten sich in ihr aus und benebelten ihre Sinne, während sie die Hände nach Andrew ausstreckte und nach seinem Shirt griff. Eisige Kälte erfüllte sie auf Anhieb.

»Wir sind da, Tera. Ich möchte dir jemanden vorstellen.«,gab er ihr zu verstehen und betrat schnellen Schrittes eine Lichtung, die, von fahlem Mondlicht beleuchtet, etwas Geheimnisvolles zu beinhalten schien. Jedoch wurde ihre Aufmerksamkeit von etwas anderem angezogen. Ihr gegenüber, auf der anderen Seite der Lichtung stand jemand.

»Wen möchtest du mir vorstellen?«, zischte Tera und schritt bedrohlich auf die Gestalt, die sich weiterhin im Schatten der hohen Bäume hielt, zu.

»Jônatas.«, gab Andrew preis und deutete erhobenen Hauptes auf die schwarze Gestalt, die sich, noch immer nicht bewegt zu haben schien.

»Und warum soll ich ihn kennen?«, hakte Tera nach und hielt ihren Blick starr auf dem Jungen.

»Willst du das wirklich wissen, Tera?«, fragte eine tiefe Stimme, in der ein Hauch Arroganz mitschwang. Plötzlich begann das Gras zu rascheln und die Gestalt trat aus ihrem schützenden Schatten. Bläuliches Mondlicht traf auf blondes Haar und schwarze Augen und ließ Tera den Atem stocken. Eisige Schauer rannen über ihren Rücken, ihr Körper begann unkontrolliert zu zittern und irgendetwas in ihrem Inneren meldete sich, wollte ihr etwas mitteilen, sie alarmieren.

»Ja.«, spie sie und ballte die Fäuste reflexartig zu drohenden Fäusten. Jônatas schritt langsam auf sie zu und hielt seinen Blick gesenkt, sodass seine schwarzen Augen gefährlich im Licht des Mondes blitzten. Seine Augenbrauen zuckten, während er Tera wortlos betrachtete.

»Mein Name ist Jônatas Al'Ron, wie dir mein Freund bereits gesagt hat. Ich wurde geschickt um dich zurück zu deiner Familie zu bringen und...«

»Warte! Ich habe keine Familie und werde auch nie eine haben, Jonas.«, widersprach Tera und fuhr sich mit zittrigen Fingern durch das Haar.

»Jônatas, nicht Jonas.«, verbesserte der Junge und kam unaufhaltsam näher, während Tera versuchte ihm weitgehend auszuweichen.

»Wie auch immer.«

»Tera, er will dir doch nichts böses.« Andrew's beiden eiskalten Hände berührten ihre nackten Schultern.

»Komm mit mir, Mädchen.«, sagte Jônatas und streifte leicht ihre Wange. Eisige Schauer jagten ihr über den Rücken, während der Junge immer näher kam.Seine schweren Schritte waren laut und unbeholfen, sein Atem ging flach. Tera begann zu zittern und die Fäuste schützend vor ihrer Brust zu platzieren, wenngleich sie sich sicher war, dass sie ihr wenig nützen würden. Die warmen Finger des Jungen fuhren abermals über ihre Wange. Ein höllischer Schmerz durchzuckte ihren Körper.

»Fass mich nicht an!«, schrie sie und wand sich aus Andrews Griff. Ein triumphierendes Lächeln umspielte Jônatas Mundwinkel und ließ ihn im Licht des Mondes blutrünstig erscheinen.

»Ich bekomme dich so oder so, kleines törichtes Kind.«, spottete er. Nackte Angst kroch Tera über den Rücken und ließ die feinen Härchen, die ihren Körper bedeckten, aufstellen. Ihr wurde kalt, eiskalt.

»Wenn du es noch einmal wagst mich anzufassen, werde ich schreien. Ja, ich werde schreien so laut ich kann.«, drohte sie, wobei die Verletzlichkeit und Angst in ihrer Stimme nicht verschwinden wollte. Ein weiteres grauenvolles Lachen durchbrach die Stille. Jônatas kam auf sie zu, während er seine Arme nach ihr ausstreckte. Tera stolperte hilflos rückwärts und drängte sich ängstlich an einen Baum, wobei ihr bewusst war, dass er mit seiner Aussage vollkommen recht hatte. Er würde sie erwischen, egal wie schnell sie lief oder wie laut sie schrie.

»Was willst du?«, wimmerte sie und hob die Fäuste ein wenig höher.

»Dich.« Kräftige Arme schnellten nach vorne und griffen ins Nichts, als Tera schreiend ausgewichen war und blindlings in eine Richtung zu laufen begann. Ihr Puls stieg, ihr Atem ging stoßweise und schnell. Adrenalin schoss durch ihren Körper wie Gift und das Blut begann langsam in ihren Adern zu gefrieren. Laute, schnelle Schritte, die in einem bedrohlichen Rhythmus auf der Erde auftraten, waren hinter ihr wahrzunehmen, während sie vergebens versuchte einen Baum, auf dem sie sich verstecken könnte, ausfindig zu machen. Ein bekanntes Lachen ließ sie zusammenzucken, als sie durch ein hohes Dornengestrüpp stolperte. Die Dornen hinterließen lange Striemen, aus denen tiefrotes Blut austrat, an ihren Beinen.

»Bleib stehen, Gör!«, schrie eine bekannte Stimme gefährlich nah hinter ihr und ließ abermals einen eisigen Schauer durch ihren Körper schießen.

»Lass mich in Frieden!«, spie sie beinahe und beschleunigte ihre Schritte. Ihr Kopf pochte unerträglich schmerzhaft, betäubte jedoch auch gleichzeitig all die anderen Schmerzen, die von ihrem Körper gesandt wurden, um ihr mitzuteilen sie müssen aufhören. Doch Tera konnte nicht stehen bleiben, das wusste sie.


»Ich werde dich einholen.«, trällerte Jônatas hinter ihr in einer Art Sprechgesang und schien weiterhin aufzuholen. Tera wusste nicht wo sie war, ihr Orientierungssinn hatte aufgegeben, sie im Stich gelassen. Sie wünschte Andrew wäre bei ihr und würde ihr helfen, doch zu allem Überfluss musste selbst dieser ihr etwas böses wollen. Sie hatte ihm vertraut und nun war sie von Andrew, ihrem Bruder, hintergangen worden; er hatte sie zu dem Jungen geführt. Plötzlich spürte Tera einen höllischen Schmerz, der ihren gesamten Körper innerhalb weniger Sekundenbruchteile eroberte und das Pochen in ihrem Kopf ins Unermessliche trieb. Sie fiel und landete unsanft auf der nassen Erde, während vor ihren Augen alles schwarz wurde; sie konnte lediglich noch einzelne Schatten erkennen, die sich langsam zu drehen begannen und schließlich mit dem Schwarz zu einer einzelnen Dunkelheit verschmolzen. Der Schmerz setzte aus und zurück blieb eine unangenehme Taubheit, die ihren gesamten Körper einnahm. Sie hörte noch immer das wilde Pochen ihres Herzens, das ebenfalls abnahm und schließlich verstummte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 01, 2015 ⏰

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