1.Kapitel - De Omnibus Dubitandum - Part 2

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Zischende Feuerzungen stiegen aus dem Maul des Vulkans empor und flimmerten unscharf in der hitzigen Luft, während der aufgehende Feuerball die Welt in tiefes Rot hüllte. Elandor hatte den Anblick der Verbotenen Lande nie als schön bezeichnen können, doch in diesem Moment fiel ihm auf Anhieb kein anderes Wort ein, dass das Schauspiel, bestehend aus Hitze und Feuer, besser beschreiben hätte können. Mit einem Mal wollte er nicht mehr verstehen, weshalb er dem Drang, sich alles genauer anzusehen, widerstehen musste, wobei ihm bewusst war, dass all das was er sah ihm das Leben nehmen würde, wenn er auch nur in Erwägung ziehen sollte die Grenze zwischen den beiden verfeindeten Völkern zu überschreiten. Schon viele waren dem Drang nachgekommen und hatten ihr Leben auf grauenhafte Weise lassen müssen; einer davon war Elandor´s Vater -Athavar- selbst. Er war für ihn gestorben, als Elandor erkrankt war und niemand einen Rat gewusst hatte. Damals war er noch ein kleiner Junge gewesen und dennoch konnte er sich noch an diesen einen Tag erinnern, als wäre er gestern gewesen. Man sollte glauben Elandor hatte das alles hinter sich gelassen, doch dem war nicht so. Ein höllischer Schmerz durchzuckte ihn jedes mal, wenn das Gesicht seines Vaters vor seinem inneren Auge erschien, und riss die Wunden in seinem Herzen erneut auf. Es war der schlimmste Tag in Elandor´s Leben gewesen, doch der Schmerz hatte ihn gehärtet und zu dem gemacht was er heute war: ein furchtloser Krieger, der sein Volk gegen jegliche Gefahr zu schützen geschworen hatte, wenngleich er vor einigen Jahren nie einen Moment daran hätte denken können. Doch er hatte sein Leben gewählt und bereute es in keinerlei Hinsicht. Elandor wollte den Tod seines Vaters rächen, auch wenn es ihm nicht erlaubt war, seit die Hochelfen den Vertrag, der den Frieden mit den Völkern der Ignis besiegeln sollte, unterzeichnet hatte. Beiden Seiten war es erlaubt worden einen Eindringling der jeweils anderen Spezies zu foltern, ein zu sperren oder dessen Leben augenblicklich zu beenden.

»Elandor!« Er zuckte zusammen und fuhr augenblicklich mit dem Kopf herum, als er leichte Schritte hinter sich wahrnehmen konnte. Rotes Licht behinderte seine Sehfähigkeit und ließ ihn nur flimmernde Umrisse wahrnehmen, während die Gestalt immer näher kam und Elandor´s Puls sich beschleunigte. Er wusste was er zu tun hatte, doch etwas sagte ihm er solle warten.

»Wer bist du?«, fragte Elandor und blinzelte gegen das Licht an. Abrupt waren die Schritte nicht mehr zu hören und unangenehme Stille entstand, während Adrenalin wie Gift durch seine Adern schoss und all seine Sinne schärfte.

»Erkennst du meine Stimme denn nicht, Eisprinz?«, flüsterte eine Stimme, die Elandor´s Herz verkrampfen ließ. Augenblicklich erschien das Bild einer hübschen Elfe, mit wallendem schwarzen Haar und stechend blauen Augen vor seinem Auge und initiierte das scharfe Einsogen der hitzigen Luft.

»Tamesis?«, nuschelte er und lauschte. Schritte kamen näher und augenblicklich wurde die Sonne durch die schlanke, große Gestalt ertränkt. Vor ihm stand ein Mädchen mit langem, zu einem edlen Zopf geflochtenen, schwarzen Haar und blauen Augen, die ihn an den Nachthimmel erinnerten, wenngleich die Sterne zu fehlen schienen. Sie trug ein bodenlanges blaues Kleid, das die Farbe ihrer Augen ein wenig mehr zur Geltung brachte. Über ihren rechten Arm schlängelten sich schwarze, äußerst filigrane Linien und verliehen ihr etwas königliches.

»Ganz recht. Man benötigt dich beim Hof des Königs, Eisprinz. Und erlaube dir ja nicht dich zu verspäten.«, verkündete Tamesis und strich sanft über Elandor´s Wange.

»Mein Name ist Elandor und ich bitte dich mich auch so zu nennen!«, zischte er und wich Tamesis´ Hand, die sie abermals ausstreckte, aus. Das Lächeln in ihrem Gesicht verschwand und ihre Augen blitzten wütend, während sie sich elegant an ihm vorbei schlängelte und ihre Finger leicht über seine Kampfmontur fahren ließ. Das Blut gefror in seinen Adern und ließ seine Muskeln anspannen.

»Wie du meinst, Elandor. Du solltest dich beeilen.«, murmelte sie und schritt an ihm vorbei. Elandor wandte seinen Blick und sah ihr hinterher, wobei sich in seinen Augen der Hass, den er ihr gegenüber empfand, widerspiegelte. Er wusste genau, dass sie ihn begehrte und letztendlich alles tun würde, doch er würde ihr nie verzeihen können. Was sie getan hatte war grauenhaft und zeugte in keinster Weise von ihrer Menschlichkeit. Elandor hatte zusehen müssen, als Tamesis ihrem eigenen Bruder -Simia- aus Hass das Leben genommen hatte. Er wusste, dass Simia in den Augen der Ältesten das bessere Kind war und auf den Hof des Königs geladen worden war, was für Tamesis Grund genug gewesen war um ewig währenden Hass gegenüber ihm zu entwickeln. Immer wieder spielte sich die Szene, als sie Simia den, mit Diamanten bestückten, Dolch ins Herz gebohrt und das dunkelrote Blut mit den silbrigen Partikeln, die seine Spezies von den anderen unterschied, mit einer kleinen Phiole aufgefangen hatte, ab.

Er schüttelte den Kopf um wieder klar denken zu können und wand sich zum Gehen, um den König durch seine mögliche Verspätung nicht zu verärgern. Es war eine Ehre, an den Hof des Königs der Hochelfen gebeten zu werden und doch war ihm unwohl zumute.

Vor ihm tauchten bereits die filigranen Türme Ardin´s, die wie scharfe Messer im Tiefrot des Himmels blitzten, auf und warfen lange Schatten auf den sandigen Boden, der bereits nach Wasser zu lechzen schien und tiefe Risse aufwies. Die Stadt der Hochelfen war ein königliches Bauwerk und glich in jeder Hinsicht einem Kunstwerk, das vor tausenden Jahren erschaffen worden war. Von den edlen und filigranen, sich windenden Linienmustern, die jedes einzelne der Gebäude bestückte, bis hin zu den blauen Flammen, die die gesamte Stadt durch ihr flimmerndes Licht erhellten.

Elandor setzte einen Fuß vor den anderen und betrat das, mit Kristallen verschönerte, Tor Ardin´s, während ihm ein grauenhafter Geruch in die Nase stieg und das Rümpfen dieser initiierte. Er hatte den Duft schon viel zu oft wahrnehmen müssen und konnte ihn daher auf Anhieb mit einem Wort, das ihm einen Stich verpasste, in Verbindung setzen.

»Blut!«, spie er aus und griff reflexartig nach einer der, an seiner Kampfmontur befestigten, Dolche, in deren Heft sorgfältig geschwungene Linien und Runen, deren Bedeutung niemand zu wissen vermag, eingearbeitet waren. Just in dem Moment in dem er sie aus der Scheide zog, ließ ihn ein ohrenbetäubendes Geräusch zusammenzucken und die Lichter der Stadt erloschen.

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