Kapitel 2

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Die Nacht war eindeutig zu kurz. Ich habe das Gefühl erst eingeschlafen zu sein, als ich jemanden an meiner Tür klopfen höre. Ich hasse es, wenn mich jemand weckt. Ich glaube ich brauche ein Schild vor meiner Türe wo drauf steht 'nicht stören'.
Also stehe ich auf, ziehe mir meinen Pastellfarbenen Morgenmantel an und gehe zur Tür.
,,Mama, was machst du hier so früh? Die Krönung ist doch erst morgen. Oder habe ich etwas Wichtiges vergessen?" frage ich sie. Sie schaut mich verwundert an, muss aber grinsen ,,Dir auch einen guten Morgen mein Schatz. Du weißt, dass es schon halb elf ist, oder? Na ja aufjedenfall brauche ich deine Hilfe zur Dekoration."
,,Aber wieso so früh?"
,,Weil es viel zu erledigen gibt. Also zieh dich an und komm in den Ballsaal."
,, Ist ja gut, gib mir 10min."
Und schon war sie wieder weg. Wieso müssen eigentlich alle hier im Palast Frühaufsteher sein?
Ich ziehe ein Knielanges Kleid und ein paar Sneakers an. Ich bin zwar eine Prinzessin, trotzdem möchte auch ich gerne mal etwas bequemes tragen. Anschließend mache ich mich auf den Weg nach unten zum Ballsaal. Leider muss ich dafür durch das ganze Schloss laufen. Gefühlt der Weg eines Marathons.
So wie vor jedem großen Fest gehen auch heute die Bediensteten mit voll gepackten Taschen und Kisten in den Ballsaal. Es ist alles sehr hektisch. Im Ballsaal finde ich meine Mutter und gehe zu ihr. Ihr Blick fällt sofort auf meine Schuhe.
,,Sei froh, dass dein Vater nicht hier ist. Sonst wäre jetzt die Hölle los."
Dass ich Sneakers trage findet meine Mutter nicht schlimm. Wenn sie länger Kleider trägt, zieht sie auch oft keine High Heels an, sondern bequemere Schuhe.
,,Leihst du mir mal deine Schuhe aus?", frägt sie mich leise mit einem Grisen im Gesicht.
,,Ja klar, wenn ich dafür meine glitzernden Tanzsschuhe wiederbekomme", gebe ich zurück. Daraufhin fangen wir an zu lachen und unterhalten uns über die Deko im Raum. Am Ende des Saales ist ein riesiges Fenster, wovor morgen eine Art Podest stehen wird, mit vier prachtvollen Sitzen. Die linke Seite des Raumes ist durch zwei große Doppeltüren mit einer Terasse verbunden. Morgen wir dann noch der Kronleuchter aufgehängt.
Ich will gerade wieder gehen, als ich sehe, wie zwei Männer mit Kisten reinkommen wo drauf steht 'Musikboxen'. Daraufhin entscheide ich noch ein Weilchen zu bleiben. Ich sehe zu, wie die Boxen in die Ecken an der Decke angebracht werden und sie überprüfen, ob die Musik gut hörbar ist. Das ist mein Zeichen. Also schleiche ich mich zu einem Mischpult, welches ich mit den Boxen verbinde und ich ,Ghost' von Confetti spiele. Ich drücke auf Play und verschwinde wieder auf die andere Seite des Raumes. Wie ein Geist. Die Gesichter der Leute sind zum Schießen. Die werden jetzt eine Weile beschäftigt sein, die Musik wieder abzustellen.
Hier passiert selten etwas aufregendes, deshalb erlaube ich mir ab und zu einen kleinen Spaß.
Ich gehe wieder in Zimmer und hole meinen Pfeil und Bogen. Dann gehe ich runter in die Küche und hole mir etwas zum Essen.
,,Guten Morgen Prinzessin", werde ich begrüßt.
,,Guten Morgen. Habt ihr noch etwas Obst da?" Frage ich den Koch, woraufhin ich einen Korb mit Obst bekommen. Ich Danke und will gerade in Richtung Stall gehen, als mir Julie entgegen kommt.
,, Hey Julie, wie geht's dir? Suchst du meinen Bruder?"
,,Gut, danke. Ehrlich gesagt habe ich nach dir gesucht. Aber du siehst aus, als wärst du beschäftigt, also komme ich später nochmal." Sie scheint, als sei es etwas wichtiges, also halte ich sie zurück, als sie gerade wieder gehen will.
,,Warte, ich habe nichts Wichtiges zu tun. Also was ist los? Ist es wegen der Krönung? Oder dass du bald Königin wirst?" Frage ich vorsichtig.
,, Nein und ja", sagt sie ,,ich weiß nicht, ob ich das kann. Also Königin von diesem Königreich, von dem Planeten Teuresis zu sein."
,, Was für ein dummer Gedanke Julie", sie schaut mich verwirrt an ,, du wirst eine tolle Königin sein. Besser wie ich es je sein könnte. Also mache dir keinen so groß Druck. Mach einfach dein Ding, das Volk wird dich lieben." Ich hoffe, dass ich sie so etwas aufmuntern konnte.
,,Ich Danke dir Lyra"
,,Nichts zu danken, wenn etwas sein sollte, dann komm einfach zu mir."
,,Okey, bis dann"
,,Tschüss", verabschiede ich mich. Ich bin immer froh jemandem zu helfen, es sei denn, die Hilfe die von mir erwartet wird ist langweilig, wie irgendwelche Dokumente zu sortieren oder so. Ich beschließe, dass ich heute durch den Haupteingang zum Stall gehe. Es war mal wieder ein andere Weg, als ständig nur durchs Schloss zu laufen. Überall werde ich freundlich begrüßt, ich würde gerne jedem einzelnen auch einen Guten Morgen wünschen, aber dass wäre wohl unmöglich, bei so vielen Personen.
Also laufe ich einfach weiter, bis ich bei Chico ankomme. Er steht im Stall und es geht im Gut. Zum Glück. Ich hole ihn raus und reite auch schon los, mitten durch den Wald, zu der Lichtung. Dort suche ich mir verschiedene Ziele, auf die ich schießen kann. Vom Boden aus und vom Pferd.
Es ist Nachmittag und ich reite mit Chico wieder zurück. An der gleichen Stelle wie gestern erschrickt er sich und ich falle runter, er rennt weiter. ,,Na super, dann muss ich wohl laufen", sage ich genervt zu mir selbst. Ich hätte besser aufpassen sollen. Es ist ja dieselbe Stelle. Aber vor was hat er sich erschrocken? Bitte nicht der Wolf, bitte nicht Wolf, bitte nicht der Wolf. Ich drehe mich vorsichtig um und es steht kein Wolf da. Zum Glück. Jedoch ein Mann mit einem Schwert auf mich gerichtet. ,,Wollt ihr das Schwert heute noch benutzen und wärt ihr so freundlich und nehmt es aus meinem Gesicht?" Frage ich ihn. Er zieht es zurück, daraufhin bekommt er von mir ein relativ freundliches ,,Dankeschön". Komisch ist nur, dass er nichts sagt. Ich erkenne sein Gesicht nicht, da er seine Kapuze bis über die Augen gezogen hat und ein Tuch, welches seine untere Gesichtshälfte verdeckt. Die Stille ist ätzend, also kann ich ja etwas sagen. ,,Nun, dürfte ich erfahren wer ihr seid und wieso ihr ein Schwert auf mich gerichtet habt?" wie erwartet bekomme ich immer noch keine Antwort.
,,Genug mit dem nett sein. Ich drehe mich jetzt um und gehe wieder nach Hause. Wenn ich merken sollte, dass du mich verfolgst, dann hängst du gleich an einem Baum fest. Bis dann", sage ich und gehe. Ich höre hinter mir Schritte. Kurzerhand spanne ich einen Pfeil ein und Ziele auf seinen Umhang. Ich lasse los und schon hängt sein Umhang an einem Baum.
,,Ich habe dich gewarnt", sage ich und kichere etwas. Somit laufe ich weiter.
Ich werde oft unterschätzt, vorallem von Männern. Manchmal nervt es mich, aber immerhin habe ich den Überraschungseffekt auf meiner Seite. Genau wie gerade eben. Die Gesichtsausdrücke von manchen sind legendär, wenn sie auf einmal von einem Mädchen, von der Prinzessin, platt gemacht werden. Unbezahlbar.

Endlich wieder zu Hause und Chico steht sogar schon im Stall. Sehr gut. Ich gehe rein und nehme die Haupttreppe zu den Zimmern. Auf dem Weg begegne ich meinen Eltern und meinen Bruder.
,,Ah Lyra, schön dass du wieder da bist," werde ich von meinem Vater begrüßt. Haben die etwa auf mich gewartet?
,,Habe ich etwas verpasst? Ich dachte ich habe heute frei", gebe ich an meinen Vater zurück.
,,Ja, wir haben auf dich gewartet. Es ist Tradition,  dass an dem Abend vor einer Krönung die Familie zusammen kommt und dem neuen König etwas schenkt."
Warte was? Wieso erzählt mir eigentlich niemand etwas. Ich hätte womöglich sowieso nichts gekauft. Ich meine er ist mein Bruder und sollte sich geehrt fühle, mich als seine Schwester zu haben. Klingt das etwas Selbstverliebt? Vielleicht.
Gemeinsam gehen wir nach draußen in den  Garten und setzten uns an einen großen Tisch neben dem Brunnen. Der halbe Tisch ist voll mit irgendwelchen Geschenken. Ich erkenne eine Karaoke Maschine, ein neues Schwert und noch so vieles mehr.
,,Diese sind für dich Pete. Eine kleine Motivation für dich, um ein sehr guter König zu werden. Dein Vater und ich hoffen sehr, dass die Geschenke dir gefallen."
,,Ob sie mir gefallen? Natürlich! Ich Danke euch vielmals. Und ich werde mein Bestes geben, um euch stolz zu machen"
,,Das wäre wünschenswert mein Sohn", schaltet sich nun auch mein Vater ein. Er schaut in meine Richtung und ich weiß, was er sagen wird und ich weiß auch, dass es lustig wird.
,,Lyra, was ist dein Geschenk für Pete?" ich wusste es. Vielleicht sollte ich Hellseherin werden.
,,Genau Lyra, was hast du für mich? Schwesterlein." Schon allein für die paar Wörter würde ich ihm gerne eine reinhauen. Aber dann hätte ich vermutlich  Hausarrest, also lasse ich es lieber. Stattdessen fange ich an zu grinsen. Mein Auftritt.
,, Nun ja mein Bruder, du hast schon so viel schönes bekommen. Ich glaube du solltest dich geehrt fühlen, mich als Schwester zu haben", fange ich an, ,,mein Geschenk an dich ist, dass du nach deinem bescheuerten Satz weiter leben darfst und ich dir kein blaues Auge verpasst habe." Uhh, ich sehe schon die Wut in den Augen meines Vaters. Wieso finde ich das überhaupt noch gut? Ich sollte rennen, wenn ich noch etwas Leben möchte.
,,Lyra, was soll das?" fragt mich mein Vater.
,,Ich weiß nicht was du meinst Vater. Wenn mir keiner sagt, dass es so eine Tradition gibt, woher soll ich es dann wissen?"
,,Da morgen die Krönung ist, lasse ich dich damit nochmal davonkommen. Aber denk daran, ab morgen ist dein Bruder König von Teuresis. Benimm dich!"
Wow, ich lebe noch. Das kam ziemlich unerwartet. Ich weiß, dass mein Vater es nur gut mit mir meint, aber ich bin alt genug  um selbst zu entscheiden, was richtig ist.
Während wir nach drinnen in den Speißesaal gehen, - nebenbei hat niemand etwas gesagt, dass ich ein Kleid anziehen soll - lacht selbst mein Bruder über mein Geschenk. Was soll ich sagen, es ist das beste Geschenk. Leben.

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