002| Sᴇʟᴇᴢɪᴏɴᴇ Sᴜᴘᴇʀғɪᴄɪᴀʟᴇ

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♫ 𝗖𝗵𝗿𝗶𝘀 𝗕𝗿𝗼𝘄𝗻 - 𝗨𝗻𝗱𝗲𝗿 𝘁𝗵𝗲 𝗜𝗻𝗳𝗹𝘂𝗲𝗻𝗰𝗲
(oberflächliche Auslese)

Frauen. Eine genauere Zielgruppe hatten die Entführer wohl nicht. In allen Formen und Farben blicke ich in verängstigte Gesichter. Das ständige Ruckeln des Transporters lässt viele zu Boden fallen und drängt uns enger zusammen. Da ich kein großer Fan von Körperkontakt bin, halte ich mich lieber in einer Ecke beim Eingang des Transporters auf. Offenbar traut sich niemand hierhin – sie scheinen zu glauben, dass sie weiter entfernt ihrem Schicksal entkommen können. Komische Logik.

Ein kleines vergittertes Fenster spendet Licht und taucht den Transporter in ein dämmriges Leuchten. Ich schätze, dass rund dreißig Frauen eingesperrt sind. An der Kleidung einiger erkenne ich Prostituierte oder auch ärmere Frauen aus Slumvierteln. Mit meinem Markenshirt hebe ich mich deutlich von der Menge ab.

Eine hohe, zittrige Stimme zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. An der Wand erkenne ich eine Frau mit einer Decke um die Schultern, die müde versucht, etwas zu beruhigen. Unter der Decke lugt ein kleiner Junge hervor, der kaum älter als sieben sein kann. Soweit also würden diese putos für Profit gehen. Wut steigt in mir auf – ich werde sie eigenhändig alle umbringen!

Die Unterlippe des Kleinen bebt unaufhaltsam, Tränen laufen ihm über die Wangen. Mein Herz bricht bei dem Anblick. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Kinder. Ich verstehe nicht, wie man so tief sinken kann, dass man ein so sorgloses und unvoreingenommenes Leben derart zerstört.

Ehe ich meine Gedanken zu Ende bringen kann, schiebt sich eine schrille Stimme und eine wirre Masse klumpiger Haare in mein Sichtfeld. Was ist das denn für ein Filzball? Eine Frau mittleren Alters kämpft sich, so gut es mit der ruckeligen Fahrt eben geht, bis zu mir vor.

»Musst ja'n feines Leben geführt haben, mit so'nem Teil«, faucht sie und zeigt auf das Shirt, das mir Ale gegeben hat. Sie braucht gar nicht weiterzureden – ich weiß schon, worauf sie aus ist. Erbärmlich.

»Kannste nicht sprechn? Ey, ich hab dich was gefragt«, setzt sie nach. Ehe sie die Chance hat, nach meinen Haaren zu greifen, schnappe ich ihre Hand und wende Druck an. Ihre Augen weiten sich, aber ich nehme keine Rücksicht. Durch ihren Einschüchterungsversuch haben sich einige Blicke auf mich gerichtet, und das ist nicht gut. Keine unnötige Aufmerksamkeit!

Ein leichtes Knacken. Meine Hand hält ihre fest im Griff, während mein leerer, undurchdringlicher Blick sie durchbohrt. Langsam beuge ich mich zu ihrem Ohr, vorsichtig, um ihren Haaren nicht zu nahe zu kommen.

Ich will keine Läuse...

»Pass auf, dass du dich nicht mit jemandem anlegst, der noch schlimmer ist, als du dich selbst hältst«, raune ich ihr bedrohlich zu und mustere ihre vor Angst geweiteten Augen. Achtlos lasse ich sie los, und sie kugelt ein paar Meter weiter über den Boden. Keine Schwäche zeigen.

Jetzt bin ich voll konzentriert und warte, bis der Transporter geöffnet wird. Meine Liste hat sich erweitert: Ich werde den Kopf des blöden Handels rollen lassen und die Costa Nostre zur Strecke bringen.

»Dankeschön...«, höre ich die Stimme der Frau mit dem Jungen. Sie sieht mich an, und ich blicke verwirrt zurück, unsicher, was sie meint.

»Diese Frau hat schon anderen ihre Sachen abgenommen – das ist wohl der Grund, warum einige Frauen hier nackt sind. Aber bei dir hat sie es nicht mal ansatzweise geschafft.« Sie scheint meine Gedanken lesen zu können und betrachtet mich eindringlich. Ihre leicht rötlich-blassen Augen lassen erkennen, dass sie wohl an grauem Star leidet. Die Krankheit hat ihr rechtes Auge schon stark getrübt, doch ihre Ausstrahlung ist freundlich und gutmütig.

Mademoiselle MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt