Die Nacht war sehr komisch gewesen. Während er sonst immer ein wirres Gemisch aus Erinnerungen und Fantasie träumte und regelmäßig wach wurde, schlief Severus diese Nacht tief und fest bis zum nächsten Morgen durch. Seltsam ausgeglichen wachte er erst vormittags auf, was für seine Verhältnisse extrem spät war.
Beim Frühstück blickte er auf den gestrigen paradoxen Tag. Er hatte tatsächlich seine ehemalige Schülerin Hermine Granger getroffen und anstatt sich gegenseitig anzufeinden oder gar gar nicht aufeinander einzugehen, hatten sie sich in Eintracht und Frieden angeregt über Tränke und ihr Leben nach dem Krieg ausgetauscht. Über diese durchaus seltsamen Geschehnisse konnte er nur den Kopf schütteln. Miss Granger war erschreckend erwachsen geworden. Von ihrer penetranten Art, einem ihr Wissen nahezu aufzudringen war nichts mehr übrig. Allerdings hatte der Krieg nicht nur ihr Verhalten anderen gegenüber verändert. Sie wirkte in sich gekehrter, nachdenklicher und weniger froh.
Bevor er sentimental werden konnte, begann Severus, sich mit Tarnzaubern in einen völlig anderen Menschen zu verwandeln, zumindest äußerlich. Besonders seine Nase Zauberte er deutlich kleiner. Immer wieder war es eine schmerzhafte Angelegenheit, seine Knochen zu verändern, doch Severus wollte auf Nummer sicher gehen. Er wollte bloß seine Ruhe und begab sich deshalb auch nur im äußersten Notfall in die magische Welt. Da er unbedingt wieder eine Herausforderung in Form eines neuen Trankrezeptes brauchte, trat eben dieser Notfall gerade ein. Er warf sich noch einen dunklen Umhang mit großer Kapuze über, da er wegen einer Zutat auch die Nokturngasse besuchen musste.
Von seinem Wohnungsflur aus apparierte er direkt in den Hinterhof des tropfenden Kessels. Zwar wäre er auch zu Fuß gegangen, allerdings hatte soeben ein starker Sommerregen eingesetzt. Mit dem dem üblichen Zauberstabklopfen öffnete er den Eingang zur Winkelgasse und betrat kurz darauf die Welt, in die er eigentlich gehörte.
Der Einkauf verlief erfolgreich und auch in der Noturngasse war er schnell durch gewesen. Als er wieder aus der Winkelgasse in die nicht-magische Welt hinaustrat, hatte es aufgehört zu regnen. Schnell legte er den Umhang ab, verstaute ihn in seiner Hosentasche, die er mit einem Ausdehnungszauber belegt hatte und trat auf die belebten Straßen Londons hinaus. Noch immer in seiner Tarnidentität, da es durchaus sein konnte, dass sich einige Zauberer aus Neugierde in den Straßen Muggel-Londons nahe der Winkelgasse herumtrieben.
Strammen Schrittes bahnte er sich einen Weg durch die einkaufsfreudigen Menschenmassen und war froh, als er in eine ruhigere Straße einbog. Große Ansammlungen von Menschen erinnerten ihn immer an die enervierenden, lärmenden Klassen aus Hogwarts. Bis zu seiner Wohnung war es nun nicht mehr weit. Gerade kam er an dem Cafe vorbei, in dem er sonst nahezu jeden tag saß, Kaffee trank und las. Beiläufig warf er im Vorbeigehen einen Blick durch das Schaufenster des Cafes in sein Inneres. Wie angewurzelt blieb Severus stehen, als er Miss Granger erkannte, die sich gerade abwesend eine erdbeerkuchenbeladene Gabel in den Mund schob, während sie in ein kleines zerfleddertes Büchlein vertieft war. Was suchte sie denn hier? Er hatte ihr erzählt, dass er des Öfteren im Cafe war und dass sie noch einige Tage in London bleiben würde, wusste er auch aber musste sie dann unbedingt nochmal in das Cafe gehen?
Er dachte an den gestrigen Tag und ihr lockeres Gespräch zurück, das sie so selbstverständlich geführt hatten. Sich mit jemandem zu unterhalten, der ähnliche Interessen teilte, wie man selbst, war sehr angenehm und verlockend gewesen. Würde er das vermissen, obwohl es bloß ein einziger, kurzer Nachmittag gewesen war?
Severus beeilte sich weiterzugehen, um nicht aufzufallen. In seiner Wohnung hatte er Miss Granger in ihrem bezaubernden Sommerkleid, das sie im Cafe getragen hatte, bereits wieder vergessen und leitete die ersten Schritte für die Zubereitung des optimierten Knochennachwachstrankes ein. Als er das nächste mal auf die Uhr schaute, war es bereits früher Abend und in seiner Küche war es mindestens genauso schwül und stickig, wie zuvor draußen. Da der Trank nun sowieso drei Stunden bei niedrigen Temperaturen köcheln musste, beschloss Severus sich an der frischen Luft die Beine etwas zu vertreten.
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Das Cafe
FanfictionHermine Granger braucht Abstand von der magischen Welt, die sich nicht wirklich vom Krieg erholt hat und macht deshalb Urlaub in Muggel-London, um sich etwas von ihrem neuen Leben zu erholen. Dass Muggel-London auch ein Rückzugsort für Severus Snape...