Kapitel 11
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Eine NachrichtFrisch gebadet und in sauberen Klamotten kam Shelby die Treppen hinunter. Langsam, vorsichtig. Sie stützte sich am Geländer ab. Taten ihr die Knie immer noch weh?
Wir saßen allesamt im Wohnzimmer und warteten auf sie. Abby und Olivia wurden von Theresa geweckt und sahen ziemlich unglücklich darüber aus. Sie wollten nicht wach sein. Ganz und gar nicht.
Ich saß auf der Lehne des Sofas, Samuel hockte ein Stück weiter von mir entfernt am Boden. Er hatte seine Brille inzwischen aufgesetzt und war wieder so hibbelig, wie man es von ihm kannte. Sein Fuß tippte regelmäßig auf das bräunliche Laminat und seine ganze Körperhaltung strahlte Ungeduld aus.
Shelby trat in den Türrahmen und unsere Aufmerksamkeit war sofort auf sie gerichtet. Sie trug eine schlichte Jeans mit einem pink-weißen Pullover. Ihre hellbraunen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten.
"Danke für die Klamotten.", waren ihre ersten Worte und sie blickte Chelsea wertschätzend an. Diese schenkte ihr ein kleines Lächeln und klopfte dann mit der Handfläche auf den Sessel, auf welchem sie zuvor auch schon saß. "Setz dich."
Shelby hatte einen Arm locker um sich geschlungen, doch man merkte, wie unwohl sie sich gerade fühlte. Sie nahm Platz und lehnte sich zurück, begann an ihren Händen herumzukneten.
"Luke meinte du wüsstest, was da los war?" Cameron lehnte in der Nähe des Kamins mit dem Rücken gegen einen Schrank. Die Arme hatte er demonstrativ vor der Brust verschränkt. Er war wieder ganz der alte, Befehl-erteilnde LaCrosse Spieler. Jedenfalls schien es so.
Shelby nickte und senkte den Blick.
"Dann würde ich vorschlagen, dass du uns davon erzählst.", fuhr Cameron fort und die Tonlage seiner Stimme, erlaubte keine Widerworte.
Ich runzelte die Stirn. Konnte er es auch nicht mehr aushalten, unwissend zu sein? Oder warum diese Härte in seiner Stimme?
Ich sah zu Theresa und auch sie schien ein wenig überrascht. Jedenfalls für einen kurzen Moment.
Anspannung machte sich im Raum breit. Wir alle wollten eine Antwort auf das Trauerspiel, welches sich vor uns abgespielt hatte. Und dann war da noch diese erschreckende Sache mit Mister Wright. Und was war mit den anderen? Waren sie auch verschwunden? Oder.. tot?
Ich schluckte und sah Shelby abwartend an. Sie kaute sich nervös auf der Unterlippe herum und hatte immer noch den Blick gesenkt.
"Nachdem wir uns aufgeteilt hatten..", begann sie und atmete tief ein. ".. haben wir jeden Klassenraum auf der Etage abgesucht. Aber niemanden gefunden."
Sie räusperte sich, war heiser. "Keine Lehrer, keine Schüler, alle Räume waren leer. Wir sind zurück zur Umkleide aber ihr wart nicht da, also wollten wir euch suchen gehen."
Sie presste ihre Lippen aufeinander und hielt einen Moment inne.
"Aber wir haben euch nicht gefunden. Dann sind wir hoch gegangen zum Direktorat, waren bei den Spinden. Dort haben wir Mister Wright angetroffen. Wir waren erleichtert, schließlich haben wir ihn ja gesucht, nicht wahr?"
Ihre Stimme brach.
"Ben ging auf ihn zu. 'Mister Wright' hat er gesagt 'Wir haben Sie gesucht'. Aber Mister Wright antwortete nicht." Eine Träne lief ihr über die Wange und tropfte auf die Hand. "Er stand mit dem Rücken zu uns. Wir kamen näher. Ben tippte ihn schließlich an der Schulter an.. und dann ging alles so schnell."
Sie unterdrückte ein Schluchzen und Chelsea strich ihr beruhigend über den Rücken.
"Wie ein Tier." Ehrfurcht erfüllte den Klang ihrer Stimme. "Mister Wright fiel über Ben her wie ein Tier. Er war blass und seine Augen wirkten leblos, so.. menschenleer."
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The Ones We Were
Teen FictionWenn der Tod auf deiner Türschwelle wartet, an wen würdest du denken? An deine Eltern? Deine große Liebe? Deinen Hund? Oder schlichtweg ans Überleben? Als Nora mit ihren Mitschülern eine unfassbare Entdeckung machte, schien die Realität nicht mehr d...