Kapitel 4

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Kapitel 4
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Verschwunden

Eine knappe Dreiviertelstunde verging und keine Spur von Mister Wright.

Die Schüler wurden unruhig und das eine Mädchen fing wieder an zu weinen.

Es stellte sich jedoch heraus, dass sie schlichtweg vergessen hatte, ihre Katze zu füttern und diese jetzt wahrscheinlich maunzend vor der Haustür stand.

Armes Kätzchen.

Auch ich wurde langsam unruhig, die Uhr tickte, mein Körper war angespannt und ich versuchte mir zusammenzureimen, was geschehen war, als wir uns seelenruhig und auf Zuhause freuend in der Umkleide umgezogen hatten.

Doch ein Feuer? Ein Krankenwageneinsatz? Ein Amoklauf? Nein, das schloss ich aus, es fielen keine Schüsse. Doch was war es dann?

Das ergab alles keinen Sinn.

Was sollte der Grund dafür sein, dass wir das Schulgelände nicht verlassen durften und stattdessen in diesem muffigen Raum hocken mussten?

Auf was warteten wir?

„Sollten wir ihn suchen gehen?", Samuel, der ohnehin schon ein ruheloser Mensch war, rieb seine Handflächen aneinander, als wäre es ihm viel zu kalt in dieser Umkleide.

Doch er musste sich einfach irgendwie beschäftigen, seine Hände brauchten etwas zu tun, er brauchte etwas zu tun und das wurde von Minute zu Minute notwendiger. „Das Direktorat ist nur eine Etage höher."

Wir waren achtzehn Schüler in unserem Kurs, doch keiner sagte ein Sterbenswörtchen. Keiner wollte etwas sagen, als würden sie alle darauf warten, dass jemand ihnen diese Entscheidung abnahm.

Cameron, der sich in einer imaginären, glänzenden Rüstung präsentierte, stellte sich erneut in die Mitte des Raumes, damit jeder ihm zuhörte.

Dabei brauchte er einfach die Aufmerksamkeit und alle anderen brauchten jemand, dem sie folgen konnten.

Absurdes Konstrukt, nicht wahr?

„Wir sollten ihn suchen.", wiederholte er Samuels Worte und gab gleichzeitig eine Antwort darauf. „Aber wir sollten auch nach anderen Klassen und vor allem Lehrern Ausschau halten, vielleicht wissen die was abgeht."

Luke, der wieder etwas aufgeregter wirkte, zog den Reißverschluss seiner Jacke höher und sah seinen Kumpel fragend an. „Glaubst du hier sind noch welche? Es ist schließlich schon fünf Uhr."

Cameron zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Werden wir sehen. Mister Wright müsste jedenfalls hier noch irgendwo sein."

Das hoffte ich.

Ich hoffte, er saß nur auf der Krankenstation und hielt sich den Bauch, weil der Schokoriegel vielleicht doch schon das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hatte.

Ich hoffte nicht, dass er uns, warum auch immer, einfach vergessen hatte und nach Hause gefahren war.

Vielleicht war er aber auch nur so in ein Gespräch mit unserem Direktor vertieft, dass er die Zeit vergaß.

Vielleicht war er ja sogar schon auf dem Weg zurück zu uns und wir würden ihn im Flur antreffen, total verschwitzt und außer Atem, aber erleichtert, dass alles nur ein Missverständnis war und wir endlich nach Hause konnten.

„Wir teilen uns einfach auf, die einen suchen nach weiteren Klassen und Lehrern und die anderen machen sich auf den Weg zum Direktorat.", bestimmte Cameron und ein zustimmendes Gemurmel machte sich breit. „Je eher wir nach Hause können, desto besser."

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