Kapitel 1

18 2 10
                                    

Kapitel 1
-
Intelligenzverweigerer

Die heruntergekommene Sporthalle war stickig. Schuhe quietschten über den gräulichen Hallenboden und ein orangefarbener Basketball flog kreuz und quer durch die Luft.

Ich blickte stumm auf die stehengebliebene Uhr, welche hinter einer Plexiglasscheibe hing und blendete das kreischende Spiel meiner Mitschüler aus.

Es war die letzte Stunde eines Zehn-Stündigen-Schultages und ich wollte einfach nur nach Hause.

Mister Wright, unserer übergewichtiger Sportlehrer saß mit seinem verschwitzten T-Shirt auf der Bank gegenüber und wischte sich mit dem Handrücken die Schweißperlen von der Stirn. Mit seiner abgenutzten Trillerpfeife um den Hals und den halb-verspeisten Schokoriegel in der rechten Hand, wirkte er eher wie ein Stadionbesucher eines Baseballspiels als wie der Sportlehrer einer High School.

Er schwärmte oft von der damaligen Zeit, als er noch Marathons lief, die knapp bekleideten Frauen ihm zujubelten und Reis mit Hähnchen das einzige war, von dem er sich ernährte.

Davon war jetzt jedoch nichts mehr zu erkennen. Er hatte sich gehen lassen, warum wusste aber niemand.

Als die hölzerne Bank, auf der ich saß, ein wenig wippte, bemerkte ich, dass sich jemand zu mir gesetzt hatte. „Puh", gab diejenige schweratmend von sich. „Echt anstrengend oder?"

Ein süßlicher Schweißgeruch trat mir in die Nase und ich rümpfte sie. Im Null Komma Nichts zog das Mädchen neben mir den Kragen ihres roten Schultrikots hoch und roch dran. „Oh sorry, bin ich das?", sie lachte leicht verlegen, doch ich antwortete nicht darauf.

Auf solch ein gezwungenes Gespräch konnte ich nämlich getrost verzichten.

Nach einer kurzen Weile des Schweigens, als diese seltsame Spannung unerträglich wurde und sie keine Anstalten machte wieder zu verschwinden, was ich aus tiefsten Herzen gehofft hatte, seufzte ich leise und sah sie an.

Chelsea war ihr Name, wenn ich mich recht entsann. Sie war nett, blond, schlank und vielleicht etwas zu dünn für ihre Größe, aber immer gut drauf und stets darauf bedacht, dass nirgends die Fetzen flogen.

Deswegen mochte sie auch eigentlich jeder. Nicht mögen im Sinne von sie war beliebt und jeder himmelte sie an, eher in die Richtung von, man mochte sie, weil sie von Natur aus gut war. Sie war der Typ Mensch, der auf Leute zuging und sie nach ihrem Tag fragte, zuhörte und einem aufmunternd auf die Schulter klopfte, wenn mal etwas nicht so glatt lief.

Also, war sie im Grunde das komplette Gegenteil von mir.

„Ich spiele nicht mit.", entgegnete ich schließlich und hob meinen rechten Fuß an. „Umgeknickt." Chelsea neben mir lächelte verstohlen. „Umgeknickt, verstehe."

Ich nickte schlicht. Dass das gelogen war, wussten wir beide. Doch es kümmerte keinen. Schließlich log jeder mal, um nicht mitmachen zu müssen. Oder etwa nicht?

Da ich nichts Weiteres von mir gab, war für mich das Gespräch an dieser Stelle beendet. Sie hörte jedoch nicht auf, mich anzustarren, als erwartete sie, dass ich ihr nun unter Tränen meine komplette Lebensgeschichte auftischte, nur damit sie den Status erfüllen konnte, den sie trug; Seelensorger.

Diese Erwartungshaltung nervte. „Hör zu, ich bin-"

„Nicht so darauf aus Smalltalk zu führen?", unterbrach sie mich. „Ja, das strahlt deine gesamte Aura bereits aus." Sie sah mich wissend an und fuchtelte etwas mit den Armen herum, um zu mir signalisieren, dass sie meine Ausstrahlung wahrnahm; eine dampfenden, schwarze Wolke.

The Ones We WereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt