Theodora

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Markus kam auf mich zu und schloss mich fest in seine Arme, weshalb ich aus meiner Gedankenwelt abdriftete. Sofort schlang ich auch meine Arme um ihn.

«Es tut mir so leid», sagte er leise. «Ich hätte das nicht zulassen dürfen.»

«Du konntest ja nichts dafür», erwiderte ich. Markus löste sich wieder und begutachtete meine Wange.

«Tut es sehr weh?», fragte er.

«Nein, schon wieder gut.» Das war gelogen. Es brannte immer noch höllisch. Aber ich wollte nicht, dass Markus sich Sorgen um mich machte.

«Lüg mich bitte nicht an. Ich sehe doch, dass deine Wange feuerrot ist.» Na super.

Doch ich probierte, die Situation aufzuheitern. «Man würde ihr gar nicht zutrauen, dass sie so viel Kraft hat», sagte ich und grinste. Doch ich zuckte sofort zusammen, denn beim Grinsen tat meine Wange noch mehr weh. Auch Markus schien das aufgefallen zu sein, denn er sah mich besorgt an.

«Geht schon. Wirklich», versicherte ich ihm. Er legte seine Hand vorsichtig auf meine schmerzende Wange und strich mit dem Daumen drüber. Aber ich zuckte auch jetzt sofort wieder zurück. Markus löste sich von mir und ging den Lappen, den er im Mund hatte, holen, um ihn unter dem Wasserhahn nass zu machen. Er kam wieder zu mir und legte den Lappen vorsichtig auf meine Wange. Ich schloss meine Augen und genoss das Kühle auf der Wange. Der Schmerz wurde dadurch ziemlich gelindert. Plötzlich spürte ich Markus’ Lippen, die sanft meine andere Wange berührten.

«Danke», murmelte ich leise und öffnete wieder meine Augen.

«Nein. Ich muss mich bei dir bedanken», erwiderte Markus.

«Wieso?»

«Du hättest mich für das vorhin hassen können.»
«Aber du hast ja gar nichts getan. Dieses Mädchen hat was gemacht.»

«Trotzdem», beharrte Markus. «Es ist nicht selbstverständlich, dass du das Ganze so gelassen nimmst.»

«Als gelassen würde ich das nicht bezeichnen», sagte ich und sah Markus schief grinsend an. «Ich war echt wütend.» Markus lächelte. «Wie spät ist es eigentlich?», fragte ich. Mir war wieder in den Sinn gekommen, dass wir ja noch auf Camelot Weihnachten feiern wollten. Markus entfernte den Lappen von meiner Wange und schaute auf seine Armbanduhr.

«Siebzehn Uhr», sagte er.

«Na, dann haben wir ja noch eine Stunde Zeit.»

«Wieso denn das? Hast du heute noch was vor?», fragte mich Markus.

«Ja, und du auch», sagte ich grinsend. «Hast du das wirklich vergessen?»
Markus schaute mich verwirrt an. Dann schien es bei ihm Klick zu machen.

«Stimmt, Camelot!», rief er. Dann sah er mich geschockt an. «Meine Mutter weiss es noch nicht!»

«Keine Angst, ich hab’s ihr gesagt», sagte ich leicht lachend.

«Warst du zu Hause?»

«Nein, hab angerufen.»

«Danke.»

Ich lächelte. «Und was machen wir jetzt die Stunde noch?»

«Bist du deswegen gekommen?», fragte mich Markus belustigt.

«Jap.»

«Dann muss ich mich nochmals bei dir bedanken», sagte Markus grinsend. «Du hast mich vor Theodora gerettet.»

«Die heisst Theodora?», fragte ich. «Woher kennst du sie denn?»

«Sie war früher in meiner Klasse.»
Das konnte ich nicht wissen, Markus und ich waren ja nicht in derselben Klasse gewesen.

«Woher wusste sie eigentlich, dass du in der Werkstatt bist? Und wieso ist sie gerade jetzt gekommen? Jetzt, wo wir in Grünwald sind und nicht im Wald?»

Markus zuckte die Schultern. «Vielleicht hat sie meine Eltern gefragt.»

«Muss ich… muss ich eigentlich noch oft mitansehen, wie sie sich an dich ranmacht, wie sie dich berührt und probiert, dich zu küssen?» Ich schaute auf den Boden.

«Nein, ich werde nicht zulassen, dass sie das nochmal macht», versprach mir Markus und nahm meine Hand in seine. «Ich will nichts von ihr.» Ich schaute wieder hoch, in sein Gesicht.

«Wirklich nicht?»

«Ich würde niemals wollen, dass mich jemand anderes als du küsst», sagte Markus leise. Ich lächelte. Dann löste ich mich von ihm und nahm den Lappen, mit dem Markus meine Wange gekühlt hatte. Den machte ich mit Wasser nass und ging wieder zurück zu Markus, der mir zugeschaut hatte. Ich nahm den nassen Lappen und fuhr mit ihm über Markus’ Wangen.

«Jetzt bist du wieder sauber», sagte ich zufrieden. «keine Spuren mehr von Theodora.

Markus grinste. «Warte kurz.» Er verliess den Nebenraum und ging in die Hauptwerkstatt. Ich folgte ihm. Markus fischte ein T-Shirt aus irgendeiner Ecke. Er zog das T-Shirt, das er jetzt anhatte, aus und zog sich das andere über. Dann drehte er sich wieder zu mir um.

«Jetzt bin ich sauber», sagte er. Ich lachte. Markus kam auf mich zugelaufen.

«Was machen wir jetzt noch?», fragte er.

«Erzähl mir was über Theodora», forderte ich ihn auf.

«Unter einer Bedingung», sagte Markus, nahm meine Hand und lief auf eine Matratze in der Werkstatt zu.

«Und die wäre?»

«Kuscheln», sagte Markus grinsend.

«Nichts lieber als das», sagte ich ebenfalls grinsend. Wir legten uns hin und ich kuschelte mich an Markus.

«Also…», begann er. «Wie gesagt, sie war in meiner Klasse. Ich mochte sie eigentlich nie besonders. Sie war immer ziemlich schnippisch und nervig. Also zu uns Schülern. Bei den Lehrern war sie die Nummer 1, hat sich immer eingeschleimt und hatte sehr gute Noten. Kann man von mir ja nicht behaupten.»

Von mir übrigens auch nicht. Gute Noten und ich passen nicht zusammen, wir sind Gegensätze.

«Ich weiss nicht, ob sie damals schon… naja, also…»

«Ob sie damals schon auf dich gestanden hat», half ich ihm auf die Sprünge.

«Genau. Mir viel jedoch nichts auf, da ich damals Mädchen noch gehasst habe, und mich später dann in dich verliebt habe. Und ganz ehrlich, auch wenn ich sie bemerkt hätte, hätte ich mich niemals in sie verliebt. Ich mag sie einfach nicht. Und sonst… Ich musste mit ihr mal eine Schularbeit machen, weshalb sie zu mir nach Hause kam. Deswegen kennt sie wahrscheinlich meine Eltern. Das war etwa in dem Jahr, in dem wir gegen den SV 1906 gespielt haben. Also schon ziemlich lange her. Sonst habe ich mit ihr eigentlich nichts zu tun, ausser diesen Arbeiten in der Schule, die man zu zweit oder so machen musste. Sie wohnt in Grünwald, aber ich weiss nicht genau wo.»

Irgendwie war ich durch Markus’ Stimme müde geworden. Ich hatte meine Augen geschlossen und lag einfach nur in seinen Armen.

«Danke, dass du hier bist», sagte Markus irgendwann leise. Ich kuschelte mich dichter an ihn. Er verstärkte seinen Griff um mich auch.

«Ich wäre nirgendwo lieber als bei dir», flüsterte ich.

«Ich auch nicht», flüsterte er. Und so schlief ich langsam ein.

Die wilden Kerle, wieder zu HauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt