Cresmont

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Hannah Baker

Einige Tage später rief ich im Cresmont Kino an und fragte, ob sie einen Nebenjob für mich hätten. Die junge Leiterin des Kinos stimmte sofort zu und ich hatte den Job. Sie hinterfragte nicht mal, ob ich die Fähigkeiten habe für so einen Job. Sie meinte nur, dass ich morgen um 13 Uhr ins Kino kommen sollte und dass Clay Jensen mich einführen würde. Natürlich wollte sie auch noch meine Daten haben. Mehr brauchte es nicht um da einen Job zubekommen (so wie es aussieht hatte sie es ziemlich nötig) und ich war erleichtert.

Das Quietschen einer nicht geölten Bremse ließ mich von den Steinplatten aufblicken, die ich ziemlich intensiv angestarrt hatte. Ich war ziemlich nervös, da ich nicht wusste, ob Clay sich das schlimme Foto von Justin gesehen hatte und wie er nun mit mir umgehen würde. Wird er mich auslachen, wie die anderen oder wie wird er reagieren? Ich schaute hoch und sah, wie er sich von seinem Mountainbike schwang. Er setzte gerade seinen blauen Helm ab, als ich endlich den Mut gefunden hatte zu ihm zu gehen, machte mich über ihn lustig, um ihm die Chance zunehmen dasselbe bei mir zumachen. So hoffte ich, würde er nicht so schnell auf das unangenehme Thema kommen. „Ich taufe dich ab jetzt Helmchen. Wer in unserem Alter trägt noch einen Helm?" Clay verdrehte die Augen. „So hast du mich doch schonmal genannt." „Stimmt.", erinnerte ich mich und Clays Fahrradschloss rastete mit einem Klicken ein. Clay fing nicht an sich zu verteidigen. Für ihn war das Thema abgeschlossen. Ich wollte eigentlich darauf rumhacken, ließ es jedoch. Ich war doch keine Nervensäge. Den Weg in das Kino brachten wir schweigend hinter uns. In mir kam die Angst hoch, dass er jetzt etwas zum Foto sagte, doch es kam nichts. Ich atmete erleichtert leise aus, als Clay mir eine breite, braune Flügeltür des Kinos öffnete. Ich lächelte ihn kurz an. Er lächelte zurück und machte eine Handbewegung in das Innere des Kinos. Ich ging durch den breiten Rahmen der Tür  und betrat die große und weite Eingangshalle. Ein roter und weicher Teppich war in der Halle ausgelegt und zeigte jeweils den Weg zu den Kinosälen. Links vom Eingang befand sich eine langgezogene Theke. Die Theke war für den Ticketverkauf und für die Essensausgabe da. Die beiden Abteile wurden durch eine Popcornmaschine abgegrenzt. So wusste man, wo welcher Abteil beginnt und endet. „Komm, wir müssen Lara Bescheid sagen, dass wir hier sind.", riss mich Clay aus den Gedanken über die tolle Eingangshalle und lief schon auf eine Tür zu, auf der „Nur für das Personal" stand. Die Leiterin des Kinos, checkte unsere Anwesenheit nur kurz und verschwand daraufhin schnell, als hätte sie es eilig.

Clay Jensen

Ich kramte Hannahs Uniform aus dem überfüllten Schrank des Kinos für seine Mitarbeiter. Welche Größe hast du eigentlich?", fragte ich Hannah, als ich bemerkte, dass ich nicht wusste nach welcher Größe ich eigentlich suchte. „L.", lautete ihre knappe Antwort. Ich nickte und zog ein dunkelrotes T- Shirt mit einem kurzen schwarzen Streifen an den Ärmeln hervor. „Hier." Hannah nahm mir das T- Shirt ab und wollte schon Richtung Umkleidekabine gehen, die neben dem Schrank aufgebaut war. „Warte! Du brauchst noch eine schwarze Hose." Sie drehte sich zu mir um und deutete auf ihre Hose, die schwarz war. Mist! Blut schoss in meine Wange und ließen sie erröten. „Geht die nicht?", wunderte Hannah sich. Meine undeutlich gemurmelten Wörter „doch, doch" hörte Hannah anscheinend und verschwand hinter dem dunkelblauen Stoff, der den Eingang der Umkleide verhüllte. Hannah ließ nicht lange auf sich warten und kam schon eine Minute später wieder raus. Neu Angezogen. Sie sah echt toll aus. Doch das würde ich ihr nie im Leben sagen. Am Ende würde sie noch denken, dass ich mit ihr flirten will oder? Man könnte auch einfach so ein Kompliment jemanden geben ohne das Flirten im Hintergedanken zu haben. Aber ich war ein Junge und sie ein Mädchen. Das hieß dann doch etwas? Wir gingen gemeinsam aus dem Anziehzimmer hinter die Esstheke. Dort wurde Popcorn, Nachos und jede Menge Süßigkeiten verkauft. Ich stand unschlüssich dort und wusste nicht wie anfangen sollte. Flirte doch mit ihr. Gib ihr ein Kompliment. Daran ist nichts Schlimmes, Clay. Ich schob diese komischen Gedanken weg und schaute Hannah hilfesuchend an. Doch die blickte sich um und fragte mich neugierig, wie man die Popcornmaschine bediene. Ich dankte Hannah im Stillen für ihre Hilfe und fing ihr an zu erklären, wie man sie benutzte. Mit der Zeit entspannte ich mich immer mehr in ihrer Nähe und fühlte wohler. Der Gedanke an das Flirten kam mir immer wieder, wenn ich Hannah ansah, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen.

Hannah Baker

Clay war ein echt angenehmer Gesprächspartner und ich fühlte mich wohl bei ihm. Die Angst um eine doofe Reaktion von Clay war verfolgen. Höchst wahrscheinlich kannte er das Foto gar nicht und das war auch gut so. Ab 16 Uhr kamen die ersten Kinobesucher und er half mir beim Bedienen. Dieser Nebenjob brachte einem echt Spaß. Die Zeit verflog nur so und irgendwann war es schon 19 Uhr. Völlig fertig holte ich meine Sachen aus dem Umkleideraum und lief zu Clay, der gerade dabei war etwas in den Fächern der Theke zu ordnen. Ich stand da so vor der Theke und wusste nicht wie ich mich von Clay verabschieden sollte. Einfach Tschüss sagen oder wie? Ich hatte mich noch nie so gefühlt. So unsicher in der Nähe eines Jungen. Sonst war ich immer ziemlich mutig. Clay nahm mir die Entscheidung ab, indem er sich aufrichtete und mich entdeckte. „Willst du los?" Ich nickte. „Okay. Hast du dich schon eingetragen?" Er zeigte auf den Zettel, der vor ihm lag. „Was ist das?" „Das Abmeldeformular. Oder deine Bestätigung, dass du deine Stunden abgearbeitet hast." Ich überlegte laut: „Ist das nicht voll altmodisch und ist das nicht total fälschbar? Ich könnte jetzt einfach meine Zeiten abharken und das wär's dann. Ich müsste nicht mehr hier arbeiten." „Naja so einfach ist das nicht. Lara schaut jeden Abend auf diesen Zettel und dann würde sie ja bemerken, dass du schon alles bestätigt hast." Ich brummte zustimmend und kritzelte mit dem Kugelschreiber, der auf dem Zettel wartete, 15 bis 19 Uhr in ein längliches Kästchen. Dann verschönerte ich noch das Kästchen daneben mit einem Kreuz. „So fertig." Clay schnappte sich auch den Kugelschreiber und schrieb schnell die gleichen Uhrzeiten auf wie ich. Nur unter seinem Namen. Ich ging zwei Schritte von der Theke weg und wartete auf Clay, der sich schnell seine Jacke überzog. Vor wenigen Minuten waren zwei andere Kollegen gekommen, um uns abzulösen. Clay und ich setzten uns auf unsere Fahrräder und radelten los. Wir beide wohnten ungefähr in der gleichen Gegend, deshalb hatten wir uns entschieden zusammen zu fahren. ,,Und was machst du gleich noch Schönes?", fragte ich, als wir losfuhren. ,,Keine Ahnung. Wahrscheinlich wird meine Mutter mich über den Tag ausquetschen." Ich nickte wissend und meinte: „Meine Eltern wahrscheinlich auch gleich." Dann überlegte ich noch einen Moment und fügte hinzu: „Aber naja, ist doch eigentlich schön zu wissen, dass sich jemand für dich interessiert und um dich sorgt." Clay brummte zustimmend und lächelte. ,,Stimmt, du hast recht." Mit diesen Worten verabschiedete er sich von mir und stoppte vor seiner Einfahrt. Ich fuhr weiter, drehte mich leicht und winkte ihm zum Abschied. ,,Bye!" 500 Meter drehte ich mich nochmal um und sah dass Clay mir noch nachschaute. Abrupt schien er sich abzuwenden und die Auffahrt hochzugehen, denn plötzlich war Clay's dunkler Schatten in der Ferne verschwunden. Ein Hupen riss mich aus meiner Trance und ich riss schnell mein Lenkrad um. Beinahe wäre ich von einem Auto angefahren wurden. Das Auto hupte noch einmal und raste davon. „Ras doch nicht so!", rief ich schimpfend dem Autofahrer hinterher, schüttelte meinen Kopf und düste vorsichtiger nach Hause. Zuhause redete ich noch eine Weile mit meinen Eltern, bevor ich erschöpft ins Bett fiel. Der letzte Satz, den ich von mir gab, bevor ich mich in meine Decke kuschelte, mich müde zur Wand drehte und die Augen schloss, war: „Danke Clay."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 26, 2021 ⏰

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Fanfiktion Tote Mädchen lügen nicht/ 13reasonswhyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt