Das Buch (german)

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"Lena!"

Das Mädchen fuhr erschrocken herum.

"Was ist?"

"Hier ist eine Einladung zu meiner Party am Samstag."

Lena blickte das Mädchen erstaunt an.

"Für...?"

"Für Erec, gib sie ihm bitte."

"Natürlich."

Lena sah beschämt zu Boden. Wie hatte sie auch nur eine Sekunde denken können, dass sie zu einer Party eingeladen werden würde? Lena war ein hübsches Mädchen: Sie war schlank, hatte warme grüne Augen und langes, goldblondes Haar. Das war allerdings nicht das Problem.

Das Problem war, dass sie klug war. Sie war Klassenbeste in Mathe, Physik, Latein, Deutsch und Englisch und wurde deshalb von den meisten als Streberin bezeichnet - und das mit einer Streberin niemand etwas zu tun haben wollte, war schließlich selbstverständlich.

Als sie wieder aufblickte, war das Mädchen schon wieder in der Menge verschwunden. Sie lief zum Physiksaal um Erec die Einladung zu geben, doch dann ertönte die Pausenglocke und sie entschied sich zunächst einen Abstecher in die Bibliothek zu machen, wo sie von der Bibliothekarin freundlich empfangen wurde. Wie üblich sortierte sie zunächst die abgegebenen Bücher wieder in die Regale ein und lief dann durch die Reihen, auf der Suche nach einem guten Buch, das sie noch nicht gelesen hatte.

Dann sah sie es: Es lag da, so wunderschön, so alt - wie sie alte Bücher liebte! - dass sie hätte ahnen müssen, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Es war in Leder gebunden und mit goldglänzenden Schnallen und all das machte es nur noch umso interessanter. Das Auffälligste aber war, dass die Seiten noch handgeschrieben waren und aus Pergament bestanden.
Morgenrot.

Sie schlug es auf und für den Bruchteil einer Sekunde schien es ihr, als würde ein goldener Schimmer aus dem Buch heraus und in ihr Herz hinein dringen. Doch es verschwand so schnell wieder, dass sie es sich vielleicht auch nur eingebildet hatte. Sie betrachtete die ersren Seiten mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Staunen und Neugierde.

Es waren Abbildungen von fantastischen Wesen, wie sie sie noch nie in einem Buch gesehen hatte. Sie wirkten so echt, als würden sie jeden Moment die Seiten verlassen.

Selbstverständlich lieh sie das Buch aus und verstaute es dann vorsichtig in ihrer Tasche.

Sogar in Physik - und das war ihr absolutes Lieblingsfach - konnte sie sich kaum konzentrieren, weil ihre Gedanken immer wieder zu dem Buch in ihrer Tasche und dem merkwürdigen Leuchten wanderten.

Sie - normalerweise die unumstrittene Lieblingsschülerin des Lehrers - wurde sogar mermsls ermahnt aufmerksam zu sein, etwas das noch nie vorgekommen war.

Erst als sie bereits im Bus saß und damit auf dem Weg ins Wochenende war, fiel ihr die Einladung in ihrer Tasche wieder ein, die sie Erec hätte geben sollen. Aber selbst das war ihr egal, es würde Erec wohl kaum schaden, wenn er einmal nicht auf eine Party ging.

Anmerkung der Autorin:
Dies war ursprünglich als Anfang eines Buches geplant (zu ungefähr der selben Zeit zu der die Anfänge von Im Schatten der Prophezeiung entstanden), weshalb es hierfür kein richtiges Ende gibt. Nach einigen Überarbeitungen habe ich mich jetzt jedoch dazu entschlossen es in Short Stories (multilingual) zu veröffentlichen.
Eventuell werden weitere, ähnliche Kapitel folgen.

Short Stories (multilingual)Where stories live. Discover now