19|eine kleine Überraschung für Jake

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Ellie

Den Freitagmittag verbringe ich bei meinem Dad in seinem kleinen Reihenhaus. Wir haben zusammen zu Abend gegessen und jetzt haben wir es uns vor dem Fernseher gemütlich gemacht, wobei nur ich auf den Fernseher sehe, während mein Dad lauter Hausarbeiten auf dem Schoß ausgebreitet hat.
Während des Essens hat mein Vater versucht mich unterschwellig nach Jay und meinen derzeitigen Gefühlen auszuquetschen, doch ich habe es so gut es ging abgewürgt, denn wir hatten das Trennungsgespräch schon durchgekaut und ich will es kein zweites Mal tun müssen.
Mein Vater ist ein sehr ehrlicher Mensch und ich liebe ihn, aber es ist manchmal frustrierend, wenn er seine Missbilligung und Abschätzung offenkundig zeigt. Und Jay hat er missbilligt und abgeschätzt.
Seufzend sehe ich meinen Vater wieder an und dann die Papiere, die sich sogar bis auf den anderen Sessel ausgebreitet haben. Ich finde Professor zu sein gibt dem Wort ›Überarbeitet‹ eine ganz neue Bedeutung. Es ist mir ein Rätsel, was meinem Vater an seinem Beruf gefällt, wenn er an Freitagabenden zig Hausarbeiten mit hunderten von Worten lesen und korrigieren muss.
Mein Blick wandert zur Uhr und ich rechne mir aus, ob ich hier schlafen werde, wenn ich mir das Spiel von Jake in vier Stunden ansehe und ob ich es tun werde. Er müsste in zwei Stunden mit dem Mannschaftsbus fahren und dann machen sie Donridge alle. Er hat mir erzählt, dass ihre Teams sich gar nicht leiden können, da Donridge oftmals nicht nach den Regeln und sehr körperbetont spielt. Eishockey ist zwar ein körperbetonter Sport, doch man muss auch Strategien haben und durchdacht sein. Das kann man laut Jake nicht von den Donridge-Spielern behaupten.
Ich drehe den Kopf wieder nach vorne und sehe, wie mein Vater die Stirn runzelt und eine Zeile im Text durchstreicht und in rot etwas daneben schreibt.

„Du kannst immer noch würfeln.", schlage ich vor und drücke meine Füße in den flauschigen gestreiften Socken auf sein Bein, da ich ausgestreckt auf dem Sofa liege und er es sich wie auf einem Stuhl in der Ecke gemütlich gemacht hat. Wobei gemütlich nicht das Wort ist, das mir bei seiner Sitzhaltung einfällt.
„Bitte, Schatz?", murmelt er und sieht langsam erst zu mir auf. Mit den Augen deute ich auf die Hausarbeiten.
„Die Noten, meine ich. Du kannst dir auch einfach einen Würfel schnappen und je nachdem ein paar Korrekturen einkritzeln.", scherze ich und er lacht auf.
„So einfach ist das nicht.", behauptet er und ich spiele mit meinem Stimmungsring.
„Warum denn nicht? Sportler und Sportlerinnen, zum Beispiel, bekommen meist auch allein für ihre Teilnahme an der Vorlesung eine Eins.", kontere ich und mein Vater seufzt. Jay hat mir mal erzählt, dass er zwei Professoren hat, die nie seine Aufgaben durchgehen, sondern ihm immer die besten Noten mitgeben, damit sein Durchschnitt nicht sinkt. Dahingegen gibt es tatsächlich Dozenten, die besonders auf die Arbeiten der Sportler und Sportlerinnen achten, weil sie befürchten, dass diese sich halb so viel Mühe geben, weil sie davon ausgehen, ohnehin eine gute Note zu bekommen.
Ich frage mich, welche Sorte Professoren Jake hat. Er ist nicht so verblödet, wie ich anfangs angenommen habe, doch ich habe ihn noch nie von seinen Kursen reden hören, geschweige denn ihn beim Lernen gestört.
„Bei mir nicht, aber es gibt sicherlich genug meiner Kollegen, die das tun.", sagt er und blättert weiter.
„Also haben sie keine Kopfschmerzen, genießen ihren Freitagabend und kriegen den selben Gehalt wie du?", hake ich grinsend nach, dass er mich ansieht und ich vielsagend zurückschaue.

Ich wende mich dem Fernseher wieder zu und Werbung läuft, dass ich umschalte und mich durch die Kanäle zappe.
„Hast du diese Woche mit deiner Mutter telefoniert?", fragt Dad.
„Nein. Ich hatte kaum Zeit, also haben wir nur kurz gesimst. Ihr?", gebe ich die Frage zurück und nehme aus dem Augenwinkel ein kurzes Nicken wahr.
„Ja, wir haben heute telefoniert. Sie kommt nächste Woche her und wir wollen gemeinsam Abendessen.", erzählt er und früher als kleines Mädchen hätte mir das riesige Hoffnungen gemacht, heute aber nicht, denn ein Essen zwischen den beiden verläuft wie unter alten Freunden. Kein Knistern, keine Romantik, nur Insiderwitze und Erwachsenenthemen wie Rechnungen und Kinder -also ich. Ich bin mir sicher, dass sie über mich herziehen, wenn sie ohne mich in der Nähe miteinander reden.
„Wie schön. Viel Spaß euch.", wünsche ich ihnen und stütze meinen Kopf an meiner Hand ab, während ich mich weiterklicke.
„Mit dir.", fügt er hinzu und ich werfe ihm einen flüchtigen Blick zu.
„Oh. Okay.", sage ich und lächle kurz,„Ein formelles Familienessen oder wie?"
„Quatsch. Wir kochen hier im Haus und unterhalten uns. Wie immer.", entgegnet er und ich lasse die Fernbedienung los, als eine Kochshow den Bildschirm füllt. Für ein paar Minuten sagt keiner etwas, ich bin vertieft in die Vorbereitung von Nudelteig und mein Vater korrigiert drei Seiten durch, als er wieder spricht.
„Ich habe heute etwas von meinen Studenten gehört. Überhört, besser gesagt."
Mein Mundwinkel steigt und ich sehe ihn an.
„Willst du mit mir den Klatsch und Tratsch deiner Studenten reden?", frage ich amüsiert und er wiegt den Kopf etwas hin und her.
„Sowas in der Art.", meint er und ich bin überrascht, weil mein Vater doch gar kein Klatsch und Tratsch-Typ ist. Er rückt seine Lesebrille zurecht, als er sich zu mir dreht.

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