43|der Untergang der Welt

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Jake

„Ich fahre jetzt!", rufe ich genervt durch das Haus und ziehe mir meine schwarzen Timberlands über die Füße.
„Warte!", ruft Hunter von oben, doch ich warte nicht mehr. Ich gehe schon seit zehn Minuten durch das Haus und warte darauf, dass dieser Kerl endlich runterkommt, damit wir zur Daisy Hall fahren können. Wegen ihm werde ich noch zu spät zu Ellies Aufführung kommen. Das kann er ihr dann erklären, denn ich werde nicht von ihr gelyncht werden, wenn er der Schuldige ist.
„Nein! Was dauert das überhaupt so lange? Rasierst du dir die Beine, oder was?", rufe ich aufgebracht und nehme meine Jacke vom Kleiderhaken.
„Das würde mich nicht wundern.", murmelt Mitch und kommt mit einer Tasse in der Hand aus der Küche.
„Kommst du mit?", frage ich, wobei ich es mir auch sparen könnte bei seinem Outfit. Er trägt ein weißes Under Armour Shirt mit schwarzer Jogginghose und seine Haare sind ganz wuschelig. Er sieht nicht besonders ausgehbereit aus.

„Ich muss noch ein paar Bugs aus dem Spiel entfernen.", meint er und meint damit das Videospiel, welches er selbst entwickelt. Manche würden gar nicht annehmen, dass Mitch so ein Nerd ist. Selbst ich habe es nicht angenommen, aber der Kerl hat ganze drei Monitore auf seinem Schreibtisch stehen und es sieht aus wie das Hauptquartier eines Bösewichtes. Ich bin mir sicher Mitch könnte wichtige Datenbanken hacken, wenn er nur will.
„Große?", frage ich und sehe zur Treppe, gebe Hunter noch eine letzte Chance, doch es sind nicht einmal Schritte zu hören.
„Nein. Nur kleine Grafikfehler.", winkt er ab und spielt mit der Silberkette, die um seinen Hals liegt.
Er geht hoch und ich stecke mein Portemonnaie und die Schlüssel in meine Jackentaschen.

„Hunter!"
Er ruft als Antwort meinen Namen aus und ich verdrehe die Augen, als ich zur Tür gehe. Scheiß auf ihn. Ich nehme ihn nicht mehr mit.
Heute ist der letzte von den zwei Auftritten und natürlich werde ich bei beiden anwesend sein, um sie zu unterstützen.
Schauspiel hat mich noch nie interessiert und tut es auch jetzt nicht wirklich, aber ich war fasziniert, als ich Ellie zugesehen habe. Sie gibt sich ihrer Rolle ganz hin und erfüllt sie mit Leben. Ich habe sie bereits beim Proben gesehen, doch auf der Bühne ist es nochmal etwas ganz anderes.
Während einigen Szenen habe ich sie echt nicht gemocht, weil sie so unausstehlich war, dabei gehört das Gesicht der Figur, der Frau, die ich liebe. Und sie liebt mich.
Es ist ein beflügelndes Gefühl das zu wissen. Ellie liebt mich. Mich und niemand anderen. Ich bin der Mann, in dessen Armen sie liegen will und ich halte sie gerne fest an mich, wenn wir uns lieben.

In fünfundzwanzig Minuten  beginnt die Aufführung und die Fahrt bis zur Daisy Hall dauert fünfzehn Minuten. Ich kann ihr nun nicht mehr viel Erfolg wünschen, wie geplant, wegen Hunter.
Er hat nichts zu tun, also wollte er auch heute mitkommen. Luke und Mitch treffen wir später auf der zweiten After-Show-Party, die in der Verbindung des Regisseurstudenten stattfindet. Als ich Ellie auf der gestrigen Party erzählt habe, dass ich die Wut und Eifersucht von ihr komischerweise nachvollziehen konnte, obwohl ich sie nicht mochte, hat sie total gestrahlt und gemeint, dass sie dann alles richtig gemacht hätte. Heute wird sie auch alles richtig machen, da bin ich mir sicher.

„Ich fahre jetzt, du Arschgesicht!", rufe ich und öffne die Tür, bleibe aber sofort stehen, als ich den Coach auf unserer Matte stehen sehe.
„Coach?" Stirnrunzelnd mustere ich ihn.
Es ist eigenartig ihn in Straßenkleidung zu sehen. Normalerweise hat er immer seine Trainerkluft oder nach den Spielen einen Anzug an. Und ich glaube nicht, dass ich ihn je mit einem anderen Gesichtsausdruck als grimmig oder zufrieden gesehen habe. Dazwischen gibt es gar nichts, doch jetzt hat er eine Sorgenfalte auf der Stirn und schluckt nervös. Das passt nicht. Coach Patterson ist niemals nervös. Dieser Mann könnte vor einem Zombie stehen und würde es anschreien, weil es so langsam ist, statt zu flüchten.
„Jake.", sagt er und nickt knapp zur Begrüßung. Verwirrt nicke ich ebenfalls, denn normalerweise stattet er seinen Spielern keinen Hausbesuch ab.
„Kommen Sie rein.", biete ich an und trete an die Seite, dass er in den Flur kommen kann. Ich deute auf die Küche und wir gehen herüber. Zögerlich schaue ich zur Treppe. Die Jungs sind alle oben.
„Was ist los? Soll ich die anderen rufen?", frage ich und deute über meine Schulter zur Treppe.
Er räuspert sich und hält seine Arme gerade an seinen Seiten. Mit seinem geschorenen dunklen Haar und dieser geraden, großen Statue sieht Coach Patterson aus wie ein Soldat.
„Sie sollten besser gleich dazukommen. Ich bin für dich hergekommen." Mir fällt jetzt auf wie blass er um die Nase ist. Was kann er schon zu sagen haben? Es kann nicht um die Saison gehen, denn wir wissen alle schon, dass wir versagt haben. Und dafür würde er nicht jedermanns Haus abklappern. Ob er kündigt? Wenn das der Fall ist, dann werde ich auf die Knie fallen und ihn anbetteln müssen uns nicht zu verlassen. Er ist einer der besten Trainer, die ich je hatte.
Aber er hat gesagt, dass er für mich hergekommen ist. Dann kündigt er wohl nicht.
„Ist alles in Ordnung?" Er sieht zum Esstisch.
„Vielleicht sollten wir uns erstmal setzen, mein Junge."

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