Annabel Johnson

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Jahr: 1915, New Orleans

Lächle, denn ohne bist du nie ganz Angezogen!
Ein einprägsamer Spruch der viel Wahrheit enthielt. Alastor stand vor dem Spiegel und starrte sein Ebenbild an. Mühsam behielt er sein Lächeln, obwohl ihm nicht danach zu mute war. Der Rücken des Jungen war von den Schlägen des gefürchteten Ledergürtels rot und mit Striemen übersät. Leider Schmerzte der Stoff seiner Kleidung auf den Wunden. Hätte er besser aufgepasst, wären ihm die Teller nicht aus der Hand gefallen und sein Vater nicht wütend geworden.
Er nahm seine Brille ab und wusch sich das Gesicht. Seine Gedanken mussten sich unbedingt Ablenken. Konnte sein Vater nicht, wie anderer Väter auch, in den Militärdienst gerufen werden?Doch schon klopfte es an der Tür.
„Al? Alles gut bei dir?“
Rief eine angenehme schöne Mädchenstimme.
Schnell trocknete Alastor sich das Gesicht.
„Ja, gewiss, Ann.“
Gab er als Antwort, doch schon ging die Tür einfach auf und das blonde Mädchen stemmte die Hände in die Hüften. Perplex sah er sie an und setzte sich die Brille wieder auf. Wie immer musste Ann mit dem Kopf durch die Wand.
„Du weißt dass dies hier die Herrentoilette ist, oder?“
Fragte er mit roten Wangen nach während das Mädchen sofort abwinkte. Sie schloss die Tür hinter sich. Der jung Beobachtete sie schweigend.
„Halt mich nicht für dumm Alastor Morgan! Du bist die gesamte Zeit so still. Das passt nicht zu dir!“
Der Braunhaarige seufzte, behielt aber sein gezwungenes Lächeln. Warum musste sie immer nach harken? Er wollte nicht drüber reden und trotzdem zwang sie ihm dieses Gespräch nun auf. Ein seufze entwischte seinen Lippen.
„Ich hab heute Morgen nur etwas Ärger bekommen, sonst ist wirklich nichts.“
„Der Gürtel?“
Er antwortete ihr nicht und sah sie einfach mit starren Lächeln an. Natürlich harkte sie nach. Sie war eben nicht dumm. Ihr Blick war weiter auf ihn gerichtet und ihre Augen verengten sich.
„Also ja.“
Beantwortete sie sich selber die Frage. Sie ging zu ihm und umarmte den Jungen, ohne dabei seinen Rücken zu berühren. Alastor lies sie und sah starr zu der Tür. Er merkte wie sich ihr warmer Körper gegen den seinen drückte. Das Mädchen schloss die Augen
„Al...Du kannst mit mir über alles reden. Wir kennen uns doch schon seit wir denken können.“
„Ich weiß, aber über manche Dinge möchte man eben nicht reden.“
Sie lies ihn los und ging ein paar Schritte zurück um ihm in die Augen zu sehen. Alastor hielt ihrem Blick stand.
Annabel Johnson war die Tochter einer engen Freundin seiner Mutter und in seinem Alter. Das blonde hübsche Mädchen hatte helle Haut, einen kleinen Leberfleck auf der linken Wange und katzenartige graue Augen. Mit ihren zarten vierzehn Jahren bereits eine Schönheit. Doch sie war nicht eines dieser devoten, schüchternen Mädchen! Ann fluchte besser als jeder Bauarbeiter und hatte ein hitziges, feuriges Temperament!
Wenn ihr etwas nicht passte, sagte sie es und hatte keine Probleme damit einen Jungen zu verprügeln. Dennoch konnte sie sanft und fürsorglich sein. Eigenschaften die er an ihr schätze, da sie sich von allen anderen Mädchen in ihrer Schule unterschied. Alastor und sie waren ein eingespieltes Team! Wie er liebte sie Musik und Tanzen und so waren sie beim Tanzunterricht sogar Partner.
„Zeig es mir.“
Befahl sie nun und er wurde rot. Mit diesem Satz schoss sie ihm das Lächeln aus dem Gesicht. Der Blick des Mädchens war fordernd.
„Ann! Ich werd mich jetzt nicht hier vor dir ausziehen! Was wenn jemand rein kommt?“
„Stell dich nicht wie ein Mädchen an! Wir haben als kleine Kinder zusammen nackt im Fluss gebadet!“
„Ja, schon. Aber da waren wir noch klein! Du würdest dir auch nicht die Bluse ausziehen wenn ich...“
Weiter kam er nicht da sie nun einfach ihre Bluse aufknöpfte, doch bevor sie den dritten Knopf öffnen konnte, griff Alastor nach ihren Händen.
„Ach je! Das war nur als Beispiel gemeint! Annabel! Du bist wahnsinnig!“
„Ja und wie die siehst würde mir das nicht ausmachen. Also entweder zeigst du mir nun deinen Rücken oder ich zieh mir die Bluse aus.“
Zwang sie ihn. Mit hochrotem Gesicht tat er nun was sie sagte. Er legte seine Weste beiseite und knöpfte sein Hemd auf.Wieso schaffte sie es nur immer wieder ihn zu allen möglichen Blödsinn zu überreden? Sei es Obst aus einem Gärten klauen oder so etwas hier!
Ann lehnte sich an die Tür, damit niemand rein kam. Der Junge drehte sich mit dem Rücken zu ihr während sie ihn weiter beobachtete. ihr fiel immer mehr auf wie Alastor an fing sich zu verließen. Früher haben sie sich immer alles erzählt. Daher kannte sie auch den Gürtel. Sie verstand seinen Vater nicht. Ihrer war anders. Für ihn war sie alles auf der Welt.
Schon bald hielt er sein Hemd in den Händen und Ann verzog das Gesicht.
„Scheiße.“
Gab sie kleinlaut von sich. Sie blickte auf den vernarbten und geröteten Rücken. Die Striemen waren deutlich sichtbar und teilweise hatte sich die Metallkappe am Ende des Gürtels in sein Fleisch gebohrt und tiefe Wunden hinterlassen. Alastor sah starr an die Wand. Er hörte wie sie näher kam. Vorsichtig legte sie ihre Fingerspitzen auf seinen Rücken, nahm sie aber sofort wieder weg, als er zusammen zuckte.
Der Junge nahm sein Hemd und zog es sich wieder an während Ann sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
„Sollen wir das Tanzen heute absagen, nicht das ich...“
„Nein!“
Kam es sofort aus ihm heraus geschossen während er seine Ärmelhalter anlegte.
„Ich pack das schon.“
Unbeholfen, stopfte er sich das nun zu geknöpfte Hemd in die Hose und griff nach seiner Fliege. Ann ging wieder mehr auf ihn zu und Band ihm diese einfach ohne dass er sie um Hilfe gebeten hatte, aber er lies sie. Sie war einer der wenigen Menschen denen er vertraute, auch wenn er Sachen vor ihr geheim hielt. Nun half sie ihm in seine Weste und knöpft diese zu. Die Beiden hatten keine Berührungsängste voreinander. Sie waren zusammen aufgewachsen, hatten immer alles geteilt und wenn es nach ihren Eltern ginge, würden sie wohl auch später Heiraten. Doch über so etwas dachten sie noch nicht nach.
„Magst du heute bei uns zu Abend essen?“
Fragte das blonde Mädchen nun einfach und ihre Blicke trafen sich wieder.
Alastor nickte. Das war besser als zuhause zu sein. Doch nun nahm Ann seine Hand und zog ihn mit aus der Toilette.
Sie wusste das sie ihn Ablenken musste. Daher suchte sie nun nach einem Gesprächsthema. Doch nun kam ihr eine Idee.
„Was hältst du von Mimzy?“
„Wer ist das nun wieder?“
Fragte Alastor während sie Richtung Klassenzimmer gingen und Ann seine Hand los lies.
„Das Mädchen mit den blonden Haaren aus der Unterstufe. Etwas fülliger.“
Nun wusste er wen sie meinte. Ja, sie waren in einem Alter in dem das andere Geschlecht langsam Interessant wurde, aber Alastor war noch nicht bereit für so etwas.
„Keine Ahnungen. Hab nie mit ihr gesprochen.“
„Sie findet dich süß.“
Er seufzte, hatte aber nach dem sie das Bad verlassen hatten sein Lächeln wieder angelegt.
„Sie kennt mich doch gar nicht.“
„Und? Optisch machst du was her und du bist eben ihr Typ.“
„Oh nein, da muss ich sie Enttäuschen, kein Interesse.
Ann kicherte
„Kluger junge! Sie ist anstrengend.“
Ann blickte zu ihm. Er schien unbeeindruckt.
„Faszinierend! Alle um uns herum haben ihren heimlichen Schwarm, nur Alastor Morgan nicht.“
Der Junge zuckte mit den Schultern.
„Nun, ich bin eben noch nicht so weit, denke ich. Außerdem hab ich doch dich.“
Nun war es Ann die aus dem Konzept geworfen wurde und sie blickte ihn einfach starr an.
Alastor kicherte.
„Wir verbringen fast unsere ganze Zeit miteinander! Da ist keine Zeit für andere, oder gibt es für dich jemanden?“
„Nein. irgendwie nicht.“
„Siehst du!“
Er lächelte ihr noch mal zu und ging dann in die Klasse. Dabei summte er eine kleine Melodie.
Ann blies ihre Backen auf. Nun hatte er sie ausgespielt! Mistkerl!
Nach dem Unterricht rief Alastor zuhause von einer Telefonzelle an und Teilte seiner Mutter mit das er erst abends nach Hause kam und bei Ann aß.
Diese stimmte zu und die beiden jungen Menschen schlenderten auf dem weg zu Tanzunterricht durch die Straßen New Orleans. sie

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