Wer ist das Monster?

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1917,New Orleans.

Susans Finger drückten die Nadel wiederholt in den Boudauxfarbenden Stoff und sie zog den Faden fest zu. Mit einem Scherenschnitt war der Faden von der Nadel gelöst und sie betrachtete ihr Werk.
„Dreh dich ein mal herum.“
Bat sie ihren Sohn der dies nun tat. Die Weste saß perfekt! Nun betrachtete sie ihn genau. Er wurde langsam ein wirklich hübscher eleganter junger Mann. Zwar kein Muskelprotz mit breitem Kreuz, aber dafür ein schicker schlanker Mann mit feinen Gesichtszügen, großen braunen Augen, hochgewachsen und charmant. Sein Äußeres war sehr gepflegt und alles saß perfekt. Von dem braunen Schopf bis hin zu den Schuhen. Adrett und ansehnlich! Alastor war über die letzten beiden Jahre entspannter geworden. Sein Lächeln hatte er perfektioniert und es blieb bei fast allen Situationen akkurat an seinem Platz. Seine Art sich zu bewegen war eleganter geworden und er konnte geschickt mit Worten umgehen. Für sein junges Alter bemerkenswert. Dafür hatte er auch seine Eigenarten. Er hasste es wenn andere ihn anfassten. Nur bestimmte Personen erlaubte er dies, während er selber den privaten Raum Anderer nicht wirklich ernst nahm.
Ann betitelte ihn gerne als arroganten Narzissten. Das kam dem ganzen auch schon sehr nahe, denn die einzige Person vor der Alastor Angst hatte und von der er wusste dass sie ihm überlegen war, war sein Vater!
Bei allen Anderen fand er sehr schnell die Schwächen heraus und setzte diese geschickt gegen die Personen ein.
Alastor drehte sich nun zu seiner Mutter und verschränkte adrett die Hände hinter seinen Rücken. begeistert klatschte sie ihn die Hände.
„Einfach perfekt! So kann der nächste Gesangswettbewerb ruhig kommen.“
Sie war stolz auf ihren Sohn. Er war genau so wie sie es sich gewünscht hatte. Das Bild in ihrem Kopf hatte sich auf ihn übertragen und ergab nun ein großes Ganzes.
Sie stellte sich hinter ihn, legte die Hände auf seine Schulter, was bei seiner Größe schwieriger wurde. Susan sah mit ihm in den Spiegel
„Sieh dich an, mein Junge! elegant und adrett! Eine erhabene Körperhaltung und ein Lächeln auf den Lippen. Niemand wird dir die Show stehlen und keiner es je mit dir aufnehmen können, Alastor! Du bist für großes bestimmt, mein Sohn!“
Der junge Mann richtete seine Brille. Wie oft hatte sie ihm diese Worte bereits gesagt? Sie manifestierten sich in seinem Kopf, brannten sich ein und ließen ihm keine Möglichkeit an ihnen zu zweifeln.
„Danke, Mama.“
Sagte er lächelnd und sah sich seine neue Weste genauer an. Wie immer hatte seine Mutter großartige Arbeit geleistet! Rottöne standen ihm gut und die Nadelstreifen ließen es noch eleganter wirken. Dazu noch das schwarze Revers und die in zwei Reihen aufgestickten Knöpfe, ebenfalls in schwarz gehalten, wie auch die schwarze Rückenpartie. Der Junge gab sich mühe so zu werden wie sie wollte und es gelang ihm.
„Bringst du Ann ihr Kleid vorbei? Das ist auch fertig.“
Fragte Susan ihn und Alastor stimmte zu.
„Gewiss doch.“
Er ging zu der großen Schachtel auf die sie zeigte. Diese nahm er nun und blickte zu ihr.
„Dann werde ich den Johnsons nun einen Besuch abstatten.“
Seine Mutter nickte ab, richtete ihm noch die Fliege und schon verschwand Alastor Richtung Stadt. Summend ging er die Straße der Sichelstadt entlang, dabei sein Lächeln perfekt sitzend. Zwei Mädchen in seinem alter kamen ihm entgegen, mit rotem Gesicht tuschelten sie kichernd als sie ihn sahen.
„Guten Tag, Die schönen Damen!“
Kam es von Alastor und er zwinkerte ihnen zu. Die beiden Mädchen kicherten wieder verlegen und nickten ihm interessiert zu während sie an ihm vorbei liefen.
Er blickte nicht zurück. Diese dummen Gänse!
Sein Weg führte entlang der Bourbon Street aus der er wieder feinster Straßenjazz vernahm. Wie gerne er sich dazu stellen würde um diesen Klängen weiter zu lauschen. Aber seine holde Prinzessin wartete bereits auf auf ihr neues Kleidungsstück. Daher machte er sich auch direkt auf den Weg. Der Braunhaarige erreichte sein Ziel und läutet die Glocke. Die Tür sprang zeitig auf und der große, dunkelhaarige Bill mit seinem Vollbart sah Alastor an.
„Ah! Mein Schwiegersohn in Spee! Du wirst schon erwartet!“
Alastor nickte lächelnd und trat ein. Kurz grüßte er noch Rita und verschwand dann in Richtung Anns Zimmer. Dort klopfte er höflich.
„Komm rein.“
Hörte er und drückte auf die Türklinke.
„Hallo, meine Liebe! Ich hab hier etwas für dich! Frisch von der Schneiderpuppe.“
Ann sah zu ihm. Sie trug ein schlichtes Kleid und die Haare zu einem lockeren Zopf geflochten.
Alastor hatte sich angewöhnt ihr Spitznamen zu geben aber das machte Ann nichts aus und schmeichelte ihr sogar. Außerdem war er ihr bester Freund.
„Ah! Perfekt, danke!“
Rief sie heiter und stand auf.
Sie nahm ihm die Schachtel ab und stellte sie auf ihr Bett. Vorsichtig öffnete sie den Deckel und fiepte freudig auf. Sie entnahm das Kleid.
„Ah! Deine Mom hat großartige Arbeit geleistet! Ich probier es sofort an.“
Entschloss sie und drehte sich zu Alastor, der mit dem Armen hinter seinem Rücken sie einfach charmant anstarrte.
„Wärst du so freundlich?“
„mhm?“
„Du sollst aus dem Zimmer gehen!“
Gab sie genervt von sich und Alastor lachte,
„Ach? Was war den mit, ich zitiere:'wir haben als Kinder zusammen nackt im Fluss gebadet!'“
Ann griff nach einem Buch und warf es nach Alastor, dieser wich mit einer kurzen eleganten Bewegung aus.
„Ich sagte RAUS!“
Der Braunhaarige kicherte und tat nun was sie sagte, dabei hörte er wie ein weiteres Buch gegen die Tür flog. Wieder legte er die Hände hinter seinen Rücken und starrte an die Wand. Wie entzückend Ann doch sein konnte wenn sie gereizt war!
„Idiot...“
Nuschelte Die junge Frau. Doch nun lies sie ihr altes Kleid auf den Boden sinken.
Vorsichtig stieg sie in das Neue hinein und zog es sich über die Schultern. Doch schon entpuppte sich ein Problem. Sie bekam den Reißverschluss nicht richtig zu. Genervt seufzte sie.
„Al?“
Kam es gefrustet von ihr.
„Ich brauch deine Hilfe!“
So öffnete sich die Tür.
„Ja, Liebes?“
Ihr Blick wanderte zu ihm und sie war rot.
„Magst du...“
Als Alastor das Problem erkannte gluckste er amüsiert, ging zu Ann und schob den Reißverschluss hoch. Sie sah an die Wand und spürte seinen Atem auf ihrem Nacken. Ann bekam eine leichte Gänsehaut.Ihr war keineswegs entgangen, dass Alastor  erwachsen wurde und bei Mädchen sehr beleibt zu sein schien, auch sie erwischte sich gelegentlich ihm hinter zu sehen, doch schien er nicht wirklich Interesse an irgendwem zu haben. Als der Reißverschluss oben war, ging er einen Schritt zurück. Nun konnte Ann sich im Spiegel betrachten. Sie lächelte freudig.
„Ah! Es ist einfach perfekt!“
Rief sie freudig und umarmte ihn in dem wissen dass sie eine der wenigen Person war, die ihn anfassen durften.
„Deine Mom ist einfach ein Genie!“
Das Kleid was sie trug war in einem angenehmen Dunkelrot gehalten. Die Träger hingen seitlich und oben herum war es figurbetont geschnitten. Der untere Teil war in A-Form gehalten, durch den leichten Stoff bewegte es sich elegant bei jedem Schritt. Um die Taille legte sich ein schwarzer Gürtel. Alastors Weste war optisch Ihrem Kleid angepasst. Das machte Susan gerne, was unter anderem daran lag, das die Beiden einen sehr ähnlichen Geschmack hatten.
Sie ging wieder ein paar Schritte von ihm weg.
„Was meinst du, Al?“
Der junge Mann kicherte und richtete seine Brille während er sie von oben bis unten betrachtete.
„Wunderschön, meine Teuerste.“
Zufrieden griff sie nun nach seiner Hand.
„Lass uns tanzen!“
Rief Ann heiter aus und zerrte Alastor aus ihrem Zimmer, vorbei an ihren Eltern und runter in die Bar. Dort hatten sie eine menge Platz. Sie schaltete das Vakuumradio an.
Als ein neues Lied anfing, tanzten sie auch gleich und vergaßen dabei wie so oft einfach die Zeit. Sie waren einfach in ihrem Element zwischen lauten trompeten, melodischen Klavieren und Stimmen die zu Jazz und Swing sangen. Musik war ihre kleine Welt.
Es wurde spät und Bill kam runter um das Jazzriver zu öffnen. Fragend sah er zu dem immer noch tanzenden jungem Paar.
„Störe ich die Jugend grade?“
Fragte der Mann die Beiden und sie blieben abrupt stehen. Fragend blickten sie zu ihm, während Alastor weiter lächelte.
„Wann musst du eigentlich zuhause sein, Alastor?“
Der Blick des Braunhaarigen wanderte zu der Uhr und seine Augen weiteten sich.
„Huch. Eigentlich sollte ich schon seit einer Stunde wieder da sein.“
Viel ihm auf. Das würde Ärger geben. Die Lippen um sein Lächeln verzogen sich zu einem schmalen Strich.
„Nun, dann verabschiede ich mich mal.“
Alastor nahm Anns Hand und drückte ihr einen Kuss auf die Knöchel.
„Die Dame!“
Besorgt sah sie ihn an, da sie genau wusste was ihm blühte. Doch schon verschwand der Junge aus der Tür, die Bill ihm öffnete und machte sich auf den Heimweg.
„Daddy?“
Kam es nun von Ann.
„Hätten wir ihn nicht die Nacht über hier behalten können? Er bekommt bestimmt eine menge Ärger.“
Bill schüttelte der Kopf.
„Wir können ihn nicht einfach seinen Eltern weg nehmen, Annabel. Immerhin sind sie seine Familie und meinst du nicht es würde für ihn noch mehr ärger geben wenn er nicht nach Hause gehen würde?“
Die junge Frau seufzte besorgt. Grade hatte sie ein wirklich ungutes Gefühl in ihrer Magengegend.
Natürlich, Alastor bekam oft für jede Kleinigkeit ärger, aber irgendwas sagte ihr das es diesmal anders sein würde und das schlimmste, sie war daran schuld gewesen.
Derweil machte Alastor sich auf dem weg. Natürlich hatte er beim Tanzen die Zeit vergessen. Das er daran nicht gedacht hatte ärgerte ihn. Wieder unvorsichtig gewesen und wieder würde er dafür bestraft werden. Am Ende war er eben doch noch ein dummes Kind. Diese Erkenntnis ärgerte ihn noch mehr. Aber wahrscheinlich würden die paar Wunden zwischen den ganzen Narben auf seine Rücken nicht mehr auffallen. Er erreichte des Grundstück. Vorsichtig öffnete der junge Mann das Gartentor, welches quietschend zur Seite auf ging.
Der Junge seufzte, behielt aber sein Lächeln bei. Schweren Schrittes ging er zur Haustür und öffnete diese. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. irgendwas war seltsam. Die Tür öffnend trat er ein. Es war dunkel und ruhig, zu ruhig,
Alastor schluckte.
„Hallo?“
Rief er einfach. Dann hörte er etwas im Wohnzimmer. Der Braunhaarige nahm all seinen Mut zusammen und schritt in diesen Bereich vor. Seine Augen weiteten sich.
Seine Mutter lag regungslos am Boden in einer dunkel Lache. Er konnte nicht erkennen was es war, denn es drang zu wenig Licht in den Raum.
„M-Mama?“
Fragte er nach und wollte zu ihr, doch nun ging das Licht an und Alastor sah dass er in einer Pfütze aus Blut stand. Samt seines Lächeln verschwand sämtliche Farbe aus seinem Gesicht. Sein Körper fing an zu zittern und seine Augen bewegten sich Richtung der Treppe, wo der Lichtschalter war. Sein Vater stand dort, sein Blick ähnelte dem eines Raubtieres und in seiner Hand hatte er den gefürchteten Ledergürtel.
„Ah! Der verlorene Sohn kehrt zurück!“
Der Mann ging auf den Jungen zu und Alastor ging einige Schritte zurück.
„Was...was ist passiert?“
„Hehe, das schlägt selbst dir das dumme Grinsen aus dem Gesicht, nicht wahr? Nun...das passiert wenn man widerspricht und mich hintergehen will.“
Er machte eine verächtliche Kopfbewegung zu Susans leblosen Körper.
„Und nun kommen wir zu dir.“
Alastor war ins tiefste erschüttert und schaffte es nicht einmal Tränen hervor zu bringen. Das war seine Schuld! Wäre er pünktlich zuhause gewesen, dann wäre das alles nicht passiert.
Je weiter sein Vater auf ihn zu kam, um so weiter ging Alastor Rückwerts.
„Blieb stehen, du kleine Ratte.“
„Nein!“
Rutschte es Alastor raus und er nahm die Beine in die Hand um in die Küche zu gelangen, doch ehe er die dort befindende Haustür erreichen konnte, stellte sich sein Vater davor und holte mit dem Gürtel aus. Der junge Mann schaffte es aus zu weichen und ging wieder Rückwerts, ohne den Blick von seinem Vater ab zu wenden. Er griff fast blind nach einen Stuhl den er vor sich warf.
„Pah! Was willst du damit bezwecken? Vergiss nicht das du mir gehörst! Ich hab dich all die Jahre durch gefüttert und dir das Überleben bei gebracht!“
Eines stand fest, wenn sein Vater ihm in die Finger bekam, war auch er tot.
Es musste einen Weg hier raus geben. Alastor wollte noch nicht sterben. Oliver stieg über den Stuhl und schlug mit dem Gürtel wieder nach seinem Sohn, dieses mal werte er ihn mit einem Arm ab. Der Gürtel schlang sich jedoch um diesen und ohne groß nach zu denken, zog der junge Mann seinen Arm weg, wobei der Gürtel aus Olivers Hand glitt.
Von sich selber überrascht drückte Alastor sich mit dem Rücken an die Theke. Hier kam er nicht mehr weg. Sackgasse.
„Du kleine miese Kröte.“
Knurrte der Mann. Alastor versuchte etwas hinter sich zu finden mit dem er sich wehren konnte, doch schon wurde er am Hals gepackt. Er rang nach Luft während sein alter Herr fest zu drückte. Das war es also? So würde sein junges Leben enden? Dabei gab es doch noch so vieles was das Leben zu bieten hatte!
Doch mit einem mal spürte Alastor etwas in seiner Hand, er griff danach und pfefferte es Oliver entgegen. Schnell wurde ihm klar, dass es sich dabei um ein Küchenmesser handelte, mit dem er seine Vater instinktiv die Kehle durchgeschnitten hatte. Perplex griff Oliver nach der Stelle, gab dabei gurgelnde Geräusche von sich während das Blut aus seiner Wunde und damit auf Alastor spitzte. Dessen Verstand schaltete sich nun vollständig ab und er schubste den Älteren zu Boden. Dieser kam mit dem Rücken auf und ohne überhaupt nach zu denken kniete Alastor sich auf ihn und stach mit dem Messer, welches er immer noch in der Hand hielt, unkontrolliert auf ihn ein, wobei er mit jedem Hieb hektischer wurde. Seine Augen waren weit aufgerissen und er schrie vor Anstrengung. Schon bald war der Griff seines Messers so rutschig, dass es ihm aus dem Fingern glitt als er es zum wiederholten male aus dem Körper ziehen wollte. Nach Luft ringend und voller Adrenalin gepumpt blickte der junge Mann auf sein Werk. Langsam kam er wieder zu Sinnen. Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit. Es war nicht Übelkeit, sondern eine Mischung aus Erleichterung, Wut und Trauer. Er schloss die Augen aus denen Tränen liefen, welches sich mit den Blut auf seinem Gesicht vermischten. Der junge Mann atmete einmal tief ein und aus. Zitternd setzte Alastor sich neben die Leiche. All die Erniedrigungen und Gewalt gegen ihn waren wie weg geblasen und langsam kehrte Ruhe in ihm ein. Fühlte es sich so an wenn man jemand getötet hatte? Er verspürte ein Machtgefühl was in ihm aufkeimte. Seine Lippen formten sich zu einem gruseligen Lächeln und er gab ein schluckaufartiges Lachen von sich. Er brauchte keine Angst mehr haben. Die Person die er am meisten fürchtete war nicht mehr am Leben. Er selber hatte überlebt! Doch wie sollte es nun weiter gehen? Was würde nun mit ihm passieren? Nicht nur das Monster seiner Kindheit war tot, sondern auch seine Mutter. Er war alleine. Niemand würde ein Waisenkind aufnehmen das seinen Vater getötet hatte. Die anfängliche Freunde verschwand und Alastor legte sich die Hände auf das Gesicht. Sein Körper klebte vor lauter Blut. Wie ein schwerer Mantel legte sich Dunkelheit und Verzweiflung über ihn und ließen keinen Platz mehr für den anfänglichen jubel. Nun war er das Monster.

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