schreien

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Es ist laut. Sie albern betrunken herum, spielen kindische Spiele und versuche ab und an, uns von einer Beteiligung zu überzeugen.
„Hey Jackson, di Angelo, macht doch mit! Kommt her, da ist doch nichts dabei!", grölt es dann durch den Raum, hinten dran noch ein: „Und macht nicht so ein Gesicht! Es ist doch alles okay."
Nichts ist okay.
Ich will toben, die Wände zerkratzen, dieses bescheuerte Flaschen einschlagen.
Ich will kreischen, sie zum Verstummen bringen.
Ich will wüten, allen zeigen, dass nichts in Ordnung ist - wegen ihr.

Ich will laut sein.

Und doch zwinge ich mich zur Ruhe, immerhin habe ich kein Recht wütend zu sein.
Zerkratze lieber meine Handinnenflächen, statt ihre Gesichter mit meiner Faust zu treffen.
Ich habe kein Recht wütend zu sein.
Ich habe kein Recht wütend zu sein.
Ich habe kein Recht wütend zu sein.
Ich habe kein Recht wü-

„Lass uns gehen. Es war eine dumme Idee auch nur herzukommen."
Dankbar blicke zu Nico, lasse meinen Blick kurz schweifen ob er irgendwelche Anzeichen für aufkeimende Panik zeigt - eine inzwischen vertraute Geste, welche er mindestens genauso oft bei mir wiederholt, jederzeit - und folge ihm dann hinaus aus dem Menschenhaufen, welcher sich Party schimpft.
Ohne uns abzusprechen schlagen wir den Weg Richtung einer der Türme mit Außenbalkon ein und stehen schon bald im kühlen Herbstwind.

Der Himmel ist bewölkt und nach wenigen Wimpernschlägen - wer weiß, ob es Minuten oder nur Sekunden waren - treffen die ersten Regentropfen auf mein Gesicht.
Ich genieße das reinigende Gefühl, welches der Regen in mir auslöst und beobachte, wie der schwarze Umhang von Nico sich Tropfen für Tropfen noch dunkler färbt.
Das Verlangen geht nicht weg, aber ich schaffe es mich weiter zu beherrschen.

Meine Haare sind bereits vollkommen durchnässt, als Nico anfängt zu erzählen. Ich weiß nicht warum, aber das ist auch egal, solange seine Stimme nur da und lebendig ist.
„Ich habe mir nie zugestanden auf sie wütend zu sein, weißt du?"
Ich antworte nicht, nicke einfach nur - manchmal ist Schweigen die beste Aufforderung zum Sprechen.
„Ich habe jedem die Schuld gegeben - den Jägerinnen, dir, mir selbst - aber nie ihr. Habe mich geweigert, ihr in irgendeiner Form Verantwortung dafür aufzubürden und diese lieber bei mir behalten oder auf andere geschoben.
Und wohin hat das geführt?
In die Unterwelt, in Verrat, in untragbare Last.
Und am Ende bleibt es, wie es ist - auch Jahre später:
Ich bin wütend, so verdammt wütend.
Darauf, dass sie mich einfach zurückgelassen hat, wegen- wegen nichts.
Das zu verleugnen-", er atmet tief durch und streicht sich eine feuchte, schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, „-das zu verleugnen hat mir nichts gebracht. Es ist einfach so. Sie hat das selbst entschieden, trug selbst Verantwortung.
Ich will diesen Fehler nicht noch einmal machen, Perc, nicht dieses Mal. Nochmal schaffe ich das nämlich nicht."
Ich atme tief durch, „Und das heißt?"
„Das heißt", ein zögerliches Heben seiner Mundwinkel deutet sich an, „dass es okay sein muss, wütend zu sein. Zu hassen. Weil sie uns verlassen haben, verdammt. Weil sie uns hier haben sitzen lassen. Weil sie uns verraten haben."
Und dann tut er etwas, mit dem ich nicht gerechnet habe und das ich mir selbst nicht zugestand.
Er schreit.
Schreit in die Nacht hinein - und ich schreie mit.
Und der Regen wird dichter, der Mond blasser und die Welt älter und wir stehen einfach nur da und tuen, was wir so schmerzhaft verdrängt haben - schreien.

zurückkehren ; Nico di Angelo und Percy Jackson || Harry Potter CrossoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt