Tag Drei - Alec

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Auf den heutigen Tag - oder vielleicht passt Nacht besser - bin ich wahrlich gespannt. Nach gestern werden wir mit großer Sicherheit mit den schwierigeren Tänzen beginnen. Ob ich dafür schon bereit bin, weiß ich nicht. Magnus ist mir aber eine große Hilfe und ich bin mir sicher, wenn mir jemand Tanzen beibringen kann, dann er.
Ich laufe die Stiegen hoch und klopfe kurz gegen die Glastür, bevor ich sie von mir wegdrücke. Der schwarzhaarige Mann sitzt am Boden und dehnt sich. Beide seiner Beine bilden eine Linie auf dem hölzernen Boden, während meine Gedanken abschweifen. Ich wusste nicht, dass er so beweglich ist.
Mit einer Bewegung steht er auf und geht zu der großen Anlage, um die laute Musik abzuschalten. „Ich hoffe, dein Schultag war heute nicht allzu anstrengend, denn ich brauche all deine Konzentration für die Tänze heute." Er schnappt sich eines seiner weißen Handtücher und fährt damit durch seine pechschwarzen, seidenen Haare. Er wirkt abwesend und nachdenklich. Das unechte Lächeln erkenne ich schon von weitem. Es geht ihm wohl nicht besser zu gestern.

„Ja, es geht. Könnte besser sein.", erwidere ich leise und gehe nicht auf seine schlechte Laune ein. Er hat gestern deutlich klargemacht, dass er darüber nicht sprechen möchte und das akzeptiere ich. Wir kenn uns schließlich nicht, ich würde ihm meine Probleme auch nicht aufhalsen.
„Gut, beginnen wir dann gleich?" Fragend dreht er sich zu mir um. Ich zucke mit den Achseln und nicke, während ich den Rucksack von meinen Schultern gleiten lasse, um ihn in eine Ecke zu schmeißen. Heute habe ich tatsächlich an eine Flasche Wasser und ein Handtuch gedacht, um nicht wieder so blöd dazustehen wie die letzten beiden Male.
„Ich hoffe doch, die Lockerungsübungen der letzten Male haben bereits etwas bezweckt und wir können sofort starten?" Er zieht zeitgleich einen Mundwinkel und eine Augenbraue nach oben. Amüsiert betrachtet er mich, denn er weiß genau, dass die letzten Tage nicht so glatt gelaufen sind.
Trotzdem nicke ich.

„Okay, starten wir einfach einmal." Er reibt sich erschöpft über sein Gesicht. „Bei den lateinamerikanischen Tänzen ist es anders als bei den Standarttänzen. Die Tanzhaltung ist offen, was aber keinesfalls bedeutet, dass hierbei kein Körperkontakt im Spiel ist. Im Gegenteil würde ich sagen." Magnus dreht sich zu der Anlage um und schaltet die Musik ab.
Besorgt betrachte ich ihn. „Ist alles okay mit dir? Wir können es heute auch auslassen, wenn dir das lieber ist."
Augenblicklich dreht er sich zu mir um und schüttelt den Kopf. „Nein, damit geht viel Zeit verloren, die wir dringend benötigen, um aus dir einen Tänzer zu machen."
„So wichtig ist es nicht. Ich kann Lydia sagen, dass sie sich einen anderen Tanzpartner suchen soll. Das ist wirklich kein Problem." Ich weiß nicht, warum mir sein Wohl so wichtig ist, aber Lydia würde es wahrscheinlich gar nicht stören, müsste sie mit jemand anderem tanzen.
„Schwachsinn. Du wirst neben deiner Freundin glänzen." Magnus lächelt gezwungen und tritt näher an mich heran. „Wir tanzen den Cha-Cha-Cha, wobei hierbei auch die geschlossene Tanzhaltung im Spiel ist."

Ich hebe meine Arme, um Magnus zu zeigen, dass ich bereits dazu gelernt habe, was ihn schmunzeln lässt. Froh darüber, dass ich ihn zum Lächeln gebracht habe, bildet sich auch auf meinen Lippen ein kleines Lächeln, während Magnus meinem Beispiel folgt und in die geschlossene Tanzhaltung übergeht.
Ich trete so nah an ihn heran, dass ich seinen Atem an meiner oberen Lippe wahrnehme und schließe für einen kurzen Moment meine Augen. Seine Ausstrahlung wirkt sehr beruhigend auf mich, auch wenn mir das komisch erscheint.
„So nah musst du gar nicht stehen.", schmunzelt Magnus und tritt einen kleinen Schritt zurück. Enttäuscht öffne ich meine Augen und versuche mir nichts anmerken zu lassen, in dem ich den Blick abwende. „Wie beginnen wir?"
„Ich würde sagen, wir gehen ganz langsam die Grundschritte durch und widmen uns erst nachher den zugehörigen Figuren wie zum Beispiel der Drehung."
Meine Augen weiten sich erschrocken.

„Ich bin derjenige, der sich dreht, keine Sorge." Magnus' Gesicht erhellt und er drückt einmal meine Hand, wobei ich vermute, das war keine Absicht seinerseits. „Folge meinen Schritten." Mein Blick wandert zu unseren Beinen, während meine Ohren seiner Stimme lauschen. „Ich werde nicht sagen, was ich mache, um dich nicht zu verwirren, sondern nur für dich sprechen.", erklärt er. „Du gehst mit deinem rechten Bein einen Schritt nach rechts.", weist er mich an, während er einen Schritt nach links macht. „Und mit links nach rechts, ohne es dort aber abzustellen, sondern gehst sofort einen Schritt nach vorne." Mit ruhiger Stimme erklärt er und führt mich mit schwachem Druck seiner Hände in die richtige Richtung. „Zurück, aber mit dem linken Bein, ohne es abzustellen gleich einen Schritt nach links." Magnus gleicht meiner Bewegung spiegelverkehrt. „Das rechte Bein stellst du zu deinem linken und gehst mit diesem gleich noch einen Schritt nach links." Konzentriert folge ich seinen Anweisungen und achte auch darauf, was er macht. So schlimm ist Tanzen scheinbar gar nicht. „Mit deinem rechten Bein gehst du nach links und ohne es dort abzustellen einen Schritt nach hinten." Magnus füllt mit seinem linken Bein die Lücke zwischen uns auf und ist dementsprechend nah bei mir. „Sehr gut.", flüstert er, während ich meinen Blick hebe, um in sein vor Konzentration angespanntes Gesicht zu sehen. Fasziniert betrachte ich ihn. „Dann gehst du mit dem rechten Bein wieder nach vorne und gleich nach rechts. Wie du es gerade getan hast." Ich folge seiner Anweisung, ohne den Blick von seinem Gesicht zu nehmen, denke darüber aber gar nicht nach. „Links nach rechts neben das rechte Bein und mit diesem noch einen Schritt nach rechts. Das war's." Lächelnd hebt er den Kopf, bevor er bemerkt, dass ich ihn beobachtet habe. „Machst du dich über mich lustig?"

Dance to Love (german Malec ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt