Kapitel 19

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Rian sah zu Tyara auf. "Ich kümmere mich um ihn. Geht besser. Ihr wisst doch, immer nur zwei zusammen."
Tyara nickte mit Widerwillen. Trotzdem erhob sie sich und zog Eny mit. "Komm wir müssen gehen", zischte sie.

Enys Pupillen waren riesig, wie zwei schwarze Monde, vor Angst. Trotzdem straffte das kleine Mädchen die Schultern. Tyara nickte Lyania zu. "Tschüss und viel Glück."
Die Gesichtszüge der Rotlocke entspannten sich etwas. "Euch auch."

"Wir müssen sehr wachsam sein", erklärte Tyara Eny, während die beiden Mädchen durch die Finsternis des Waldes stapften. "Hm." Enys Augen wanderten umher. Es war klar, dass sie sich nicht wirklich wohl fühlte. Tyara ahnte auch wieso.

"Wir werden schon keinem Xylfalis mehr begegnen. In diesem Teil des Waldes kommen sie nicht vor", mit einer kleinen Handgeste deutete Tyara auf den Pfad vor ihnen. Eny schaute sich unsicher um. Für sie sah eigentlich alles gleich aus. Die blonde schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Sie beschloss Tyara einfach zu vertrauen, was diese erleichtert registrierte.

"Komm", meinte sie und setzte noch grinsend hinterher: "Lyania sind wir ja jetzt los". "Da hast du Recht", lachte nun auch Eny und ein wenig Anspannung fiel von ihr ab. Doch die gute Stimmung hielt nicht lange.

Der Teil des Waldes, in den sie jetzt eintauchten schien noch unfreundlicher und kälter zu wirken, obwohl das kaum möglich sein könnte. Die feinen Haare an Tyaras Armen standen zu Berge. Ein eisiger Schauer lief an ihrem Rückgrat hinunter. "Wir müssen nur bis zum Morgen durchhalten", tröstete Tyara sich und Eny gleichermaßen.

Sie hatte sich die Kälte nicht nur eingebildet. Beim Sprechen bildete sich eine weiße Wolke vor ihren Lippen, die sich jetzt mit Frost überzogen. An ihren Wimpern hingen kleine, weiße Klumpen. "W-wollen w-wir umdrehen?", fragte Eny mit klappernden Zähnen.

Um sie herum waberte dichter Nebel, der die Sicht auf Armeslänge beschränkte. Tyara nickte und stolperte in eine andere Richtung. Es fühlte sich an, als würde jemand mit tausenden von Eisnadeln in ihre Haut stechen. Sie begann sich heftig die Arme zu reiben, doch es half alles nichts. Der Nebel verdichtete sich und kroch nun an ihr hinauf.

Jeder Atemzug tat weh. Tyara konnte nicht sehen was vor ihr lag. Als Eny sich an ihrem Arm festklammerte, knisterte die Luft vor Spannung. Wärme glomm an dieser Stelle in Tyara auf.

"Halt!" Ruckartig riss sie Eny zurück, bevor beide Mädchen in einen tiefen Abgrund stürzen konnten. Eny zitterte jetzt am ganzen Leib und presste sich, wie ein Schutz sucherndes Tier, an Tyara. "Am besten gehen wir an der Gruft entlang", sagte Tyara sanft. Eny nickt und löste sich von ihr. Tyara ging auf der Seite des Abgrundes. Sie wollte nicht, dass Eny hineinfiel. Und sich selbst hielt sie für zu aufmerksam, um hineinzufallen.

Enys Augen bekamen nach einer Weile wieder ihren charakteristischen Glanz. "Es wird wärmer", hauchte sie. Und tatsächlich. Tyara konnte es auch spüren. Der wabernde Nebel lichtete sich und es wurde ein wenig heller. "Die Sonne muss bald aufgehen!", rief Eny und sprang förmlich weiter durchs Unterholz.

Tyara warf einen Blick zurück auf den seltsam wabernden Dunst, der so rasant seine Form änderte. Von ihm war die Kälte gekommen, da war Tyara sich sicher. Sobald sie zu Hause war, würde sie das in einem Buch überprüfen.

Als sie ihren Kopf wieder nach vorne wandte, musste sie feststellen, dass sie nicht den Weg zurück gegangen waren. Die Bäume standen hier weiter auseinander und hatten breite, palmenartige Blätter. Eny balancierte munter über eine Wurzel, die von blauen Lianen bedeckt war. "Eny, komm her", rief Tyara besorgt, während sie versuchte sich durch einen Busch zu ihrer Freundin zu kämpfen.

Da schnellte eine blaue Liane hoch und wickelte sich um Enys Knöchel. Das blonde Mädchen schrie wie am Spieß, als sie kopfüber in die Luft gerissen wurde. Tyara wich eilig zurück, als sich jetzt nun auch noch die anderen Lianen wild um sich schlagend erhoben. Wenn sie sich gestreckt hätten, wäre Tyara wohl das Gleiche widerfahren, wie ihrer Freundin. Doch die Lianen schlossen sich um Eny und bildeten einen engen Kokon.

Drinnen rief das Mädchen verzweifelt um Hilfe. Hektisch rannte Tyara zu ihr, doch bevor sie bei der Jüngeren ankommen konnte, schoss eine weiter Liane hervor und verfehlte ihren Kopf nur um Haaresbreite. "Okay, so vielleicht nicht", murmelte sie leicht panisch und ging wieder einen Schritt zurück, bevor die nächste blaue Pflanze sich ihren Weg zu ihr bahnen konnte.

"Hilfe!", ertönte es währenddessen wieder aus dem Kokon, was Tyara verzweifelt herumwirblen ließ. Sie musste irgendetwas tun, doch was?! Hektisch suchte sie die Umgebung ab, als würde ihr dadurch ein Geistesblitz kommen. Doch der kam leider nicht wie erhofft. Die Lianen schlangen sich indes immer enger um Eny, ohne, dass sie etwas dagegen gegen tun konnte. Mittlerweile drängten ein paar Schluchzer zu Tyara. Diese versuchte sie einfach auszublenden. Das brachte sie gerade auch nicht weiter.

Doch plötzlich blitzte etwas unter einem vertrockneten Busch auf. Nein, warte, es war kein vertrockneter Busch. Es war ein verbrannter! Erschrocken lief Tyara darauf zu. Kaum hatte sie die verkohlten Äste erreicht, bemerkte sie auch was aufgeblitzt hatte. Mit dem Stoff ihres Oberteils über die Nase ziehend, um dem beißenden Gestank zu entkommen, der nun vom Wind zu ihr hinüber geweht wurde, schnappte sie sich das kleine Silbermesser.

Fest schlossen sich ihre Finger um den warmen Gegenstand, der von einer leichten Ascheschicht überzogen war. Hier musste es vor kurzem noch gebrannt haben. Und nach dem Geruch zu urteilen auch nicht zu wenig. Doch Tyara dachte nicht weiter darüber nach. Sie musste jetzt erst Eny helfen, bevor die Schülerin hier noch starb.

Geschickt schlängelte sie sich durch die wandelnden blauen Lianen und kämpfte sich zu ihrer Freundin vor. Sofort begann sie die Hülle, die die Pflanzen um Eny schlossen aufzuschneiden. Und tatsächlich, es klappte. Sobald sie die erste Liane durch hatte, begannen sich die anderen von selbst zu lösen. Erleichtert rannte Eny zu Tyara und gemeinsam mit ihr so schnell sie konnten von dieser Todesfalle davon.

Mit mehr oder weniger Erfolg. Denn kaum waren sie aus der Gefahrenzone, stieg ihnen ein sonderbarer Geruch in die Nasen. "Schwefel", röchelte Eny. Tyara nickte.

Nicht mehr als ein Dutzend Schritte entfernt entdeckten sie ein riesiges Feuer, das sich gierig in den Himmel streckte. Und davor zwei Silhouetten, die um ihr Leben rannten. Wie erstarrt blickten die Mädchen auf die monströsen Flammen, nicht fähig sich zu rühren.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 11, 2021 ⏰

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Die Legende der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt