Kapitel 6

346 9 2
                                    

Sicht Ben:
Meiner kleinen geht es soweit und ich habe das Go bekommen sie mit nach Hause zu nehmen. Raya und ich. Irgendwie fühlt es sich falsch an jetzt zu gehen. Es ist einfach nicht richtig ohne meine Verlobte. Leyla. Ich hatte bis jetzt nicht die Kraft sie nochmal zusehen, aber eigentlich sollte ich das. Raya schläft gerade also könnte ich ja... ja! Ich gehe nochmal zu Leyla, bevor wir gehen. Am Stationscounter angekommen frage ich Emma, eine Schwester, ob sie nicht für einige Minuten auf Raya aufpassen könnte, sie tut mir natürlich diesen gefallen weil sie ganz genau, so wie alle anderen hier auch, weiß was heute passiert ist. Der Tag, der einer meiner schönsten im Leben hätte sein sollen wurde zu einem der aller schlimmsten. Ich nehme mein Handy aus der Tasche und rufe bei Professor Patzelt, sie wird mir bestimmt sagen können wo Leyla hingebracht wurde. Nach einem kurzen Gespräch indem sie mir ihre aufrichtige Anteilnahme ausgesprochen hat, hat sie mir gesagt, dass Leyla erstmal in die Kühlhalle gebracht wurde, bevor sie bald vom Bestattungsinstitut abgeholt wird. Ich bin Arzt und eigentlich weiß ich ja wie in solchen Fällen gehandelt wird, aber trotzdem ist das alles für mich so unreal. Ich weiß immer noch nicht wie ich mit einer neugeborenen zurecht kommen soll ohne meine Leyla. Die letzten Wochen haben wir beide uns jeden Tag vorgestellt wie es ist endlich zu dritt zu sein, haben uns vorgestellt wie unser kleines Wunder aussieht und uns ausgemalt wie schön die Zeit zusammen sein wird wenn wir sie aufwachsen sehen. Jetzt muss ich für sie alleine da sein, ohne meine große Liebe. Mittlerweile bin ich in der Kühlhalle angekommen und muss nur noch Leyla's Körper finden. Als ich ein Fach öffne sehe ich nur einen Lockenkopf. Das muss sie sein. Ich ziehe die Liege langsam heraus und sehe in Leyla's blasses und lebloses Gesicht. Das ist nicht sie... nicht mehr. Leider. Sie hat nichts mehr von der Leyla in die ich mich damals verliebt hatte, kein strahlendes Lächeln, keine wunderschönen Augen, keine glückliche, warme Ausstrahlung. Nichts. Ihre so wunderschöne Seele hat ihren Körper schon längst verlassen und ist nun an einem, wahrscheinlich, besseren Ort. Die Tränen laufen mir nur so über mein Gesicht während ich sie ansehe während sie nur so dort liegt. ,,Sie ist wunderschön!" fange ich an mir ihr leise zu reden. ,,Sie sieht aus genau wie du. Nur die Augen... sie hat meine Augen... so... so wie du es dir immer vorgestellt hast." langsam streichel ich ihr dabei über den Kopf, auch wenn sie es nicht mehr spüren kann, mir hilft es irgendwie. ,,I... ich... ich verspreche es dir. Ich werde für unsere kleine da sein. Unsere kleine! Sie ist ein Mädchen, so wie ich mir das immer gewünscht hab... Ich verspreche es dir, ich werde ihr das beste Leben bieten und für sie immer da sein. Ich werde mein bestes tuen um ein guter Vater für sie zu sein. Ein bessere als meiner auf jeden Fall. Ich... ich weiß, dass du jetzt hier bist und für immer über uns beide wachen wirst. Leyla... ich liebe dich und das wird auch für immer so bleiben. Ich werde für den Rest meines Lebens dich lieben. Und... unserer... unserer kleinen werde ich alles über ihre wunderschöne Mutter erzählen. Ich verspreche es dir, wir werden dich nie vergessen." Meine letzten Worte verstehe ich selbst schon fast nicht mehr weil die Tränen und starkes Schluchzen mittlerweile schon die überhand genommen haben. ,,Ich liebe dich schöne Frau!" flüstere ich nochmal leise und gebe ihr auf die Stirn noch einen Kuss. Schöne Frau. Sie hat es immer so geliebt wenn ich sie so genannt habe. Sie hat immer gesagt, dass sie sich dann wie etwas ganz besonderes gefühlt hat weil kein Mann vor mir sie so toll behandelt hat. Ja meine wunderschöne Verlobte habe ich immer auf Händen getragen, denn nur das hatte sie immer verdient. Nie habe ich eine so tolle Person wie sie getroffen... Das war es aber wohl jetzt. Ich schiebe die Liege auf der sie liegt wieder in das Fach und schließe es vorsichtig als hätte ich Angst sie noch verletzten zu können. Frau Professor Patzelt hat mir vorhin versprochen, dass ich mich nicht um Leyla's Bestattung kümmern muss und sie mir natürlich jederzeit zur Seite steht falls ich etwas brauche. Freigestellt bin ich denn das war sowieso der Plan. Nach meiner Facharztprüfung wollten Leyla und ich zusammen die kurze Zeit, die wir noch zu zweit gehabt hätten, genießen und uns auf unser kleines Wesen vorbereiten. Jetzt haben sich ja die Pläne offensichtlich geändert. Ich versuche mich wieder zusammen zuraufen und dann mache ich mich, komplett in mich gekehrt, auf den Weg hoch zur Station. Dort angekommen sehe ich einmal Emma und daneben noch eine andere Schwester die gerade glücklich Raya beobachten. Ja, sie ist zuckersüß, trotzdem fühlt sich die gesamte Situation falsch an. Ändern kann ich das alles jetzt trotzdem nicht, irgendwie muss ich versuchen da drüber zu stehen auch wenn das alles andere als leicht wird. Ich hole Raya zu mir und sehe mir ihr wunderschönes Gesicht noch einige Sekunden an bevor wir zum Auto gehen und dann zu weit nach Hause fahren. Das ist jetzt wohl mein neues Leben.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: May 27, 2021 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Liebe braucht seine ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt