Kapitel 13: Die Aussprache

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„Ich habe Kekse mitgebracht", sagte Arielle und reichte Eliza eine braune Papiertüte.

Es war schon spät, und Eliza war überrascht, als sie merkte, dass es ihre Kollegin war, die vor ihrer Tür stand, und nicht etwa ihr männlicher Co-Star. Wieso sie gehofft hatte, dass Charlie vorbeikommen würde, um sich zu entschuldigen, verstand sie zwar selbst nicht. Der Gedanke daran, dass die seltsame Affäre, die sie mit Charlie gehabt hatte, womöglich endgültig vorüber war, versetzte ihr jedoch einen unangenehmen Stich ins Herz. Davon wollte sie sich jedoch nichts anmerken lassen, zumal Arielle eine sehr nette Kollegin war und sie es sehr schätzte, dass sie an diesem Abend zu ihr gekommen war, um nachzusehen, wie es ihr ging. Eliza vermutete nämlich richtigerweise, dass Nick ihr wahrscheinlich erzählt hatte, was vorgefallen war. „Du bist ein wahrer Engel. Aber wahrscheinlich weißt du das längst."

„Nein, das hat noch niemand zu mir gesagt", meinte Arielle und lachte, als sie Elizas Hotelzimmer betrat. „Aber vielen Dank für das Kompliment. Ich bin hergekommen, weil Nick gemeint hat, dass du wahrscheinlich Gesellschaft brauchst."

„Ach, Arielle! Du hast gar keine Ahnung, wie schlimm es heute war!", rief Eliza aus und ließ sich auf dem großen, pinkfarbenen Bett ihres Hotelzimmers nieder.

„Nun ja, Nick hat mir von der neuen Szene erzählt, und ich habe ihm auch gesagt, dass es ziemlich dreist von seinem Vater ist, so etwas von Euch beiden zu verlangen, nachdem die Dreharbeiten längst begonnen haben", erklärte Arielle und setzte sich neben ihre Kollegin.

„Es ist absolut entwürdigend! Ich bin ja alles andere als ein Sexsymbol mit einem perfekten Körper. Unter gar keinen Umständen bin ich mich in der Lage, mich bei den Dreharbeiten zu so einer Szene wohl zu fühlen!"

„Ich finde es sehr mutig von dir, dass du dich wehrst. Ich habe noch nie eine Frau in Hollywood erlebt, die sich dagegen gewehrt hat, dass ein Studioboss versucht hat, ihren Körper auszubeuten."

Eliza war verblüfft, da sie sich selbst eher für einen Angsthasen denn für ein Vorbild für andere Schauspielerinnen hielt, wenn es darum ging, ihren Körper möglichst nicht auf der Leinwand präsentieren zu müssen. „Ist das deine ehrliche Meinung?"

„Klar! Du scheinst gar nicht zu begreifen, wie schlimm Schauspielerinnen mit einem ‚sexy' Image behandelt werden!", erwiderte Arielle und hoffte, dass Eliza diese Aussage nicht als die arrogante Äußerung einer Schauspielerin auffasste, die zwar noch nicht so lange im Filmgeschäft tätig war als sie, jedoch im Gegensatz zu ihr als Sexsymbol galt. „Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie oft Leute im Filmgeschäft, sowohl Männer wie auch Frauen, ohne meine Erlaubnis meinen Körper berührt haben? Ein cleverer Assistent von Rogelio hat mal meine Brüste betatscht und dreist behauptet, er wolle sie ‚ordentlich arrangieren', damit sie in dem Kleid gut aussehen. Ein anderes Mal hat der männliche Hauptdarsteller einfach seine Zunge in meinen Mund gerammt, obwohl er mich laut dem Drehbuch nur auf die Wange küssen sollte. Natürlich ist der Kerl auch damit durchgekommen: Jeder am Set hat behauptet, das wäre nur ein ‚Witz' gewesen, und ich solle doch auch darüber ‚lachen', weil der Schauspieler schließlich zu den ‚guten Jungs' in der Stadt zählen würde. Es gab Zeiten, in denen bin ich mir mehr vorgekommen wie ein Stück Vieh, die Salt Pictures gehört, denn eine Person, so wenig Rücksicht wurde auf mich und meine Gefühle genommen."

Eliza war verblüfft. Bevor sie Arielle bei den Dreharbeiten zu Die Rose von Texas kennengelernt hatte, hatte sie sie ja für dumm und oberflächlich gehalten. Jetzt bemerkte sie, dass neben ihr eine höchst empfindsame, intelligente Person saß, die noch dazu klammheimlich eine Feministin war. „Deshalb hast du also Gerüchte in Umlauf gebracht, dass du auf Frauen stehst? Damit ein paar Männer dich in Ruhe lassen?"

„Nun, ich habe die Gerüchte nicht in Umlauf gebracht. Ich sage einfach nichts dazu. Das war der Tipp, den ich von einer alten deutschen Schauspiellehrerin erhalten habe", gab Arielle zu.

Der Film: Ein Hollywood-Roman #Wattys2021Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt