Kapitel 18

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30. Montag der 9. Mondzählung:



Dana,

wo bist du? Was ist passiert? Bitte komm nach Hause. Wir brauchen dich hier. Der Wald braucht dich.

Wieso hast du uns nichts erzählt? Papa ist nicht sauer auf dich. Er ist enttäuscht und er macht sich große Sorgen. Wir können kaum schlafen, wenn wir daran denken, wo du bist...

Bitte komm nach Hause!




Meine Wölfin heulte innerlich.

In den letzten Wochen hatte ich diese Worte hunderte Male überflogen. Ich konnte beinahe die verzweifelte Stimme meiner Mutter hören. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Selbst hier im Norden hatte der Sommer mit voller Kraft eingeschlagen. Meine Wölfin schritt unruhig auf und ab. Ich legte die Schriftrolle auf die Pritsche und griff nach meinem Rucksack.

Ich fischte die Flasche mit dem grünen Trank heraus, an den ich mich mit der Zeit gewöhnt hatte. Es war nicht mehr viel übrig. Ich nahm einen Schluck, als plötzlich der Zelteingang zur Seite schwang.

„Was machst du da?"

Mael kam herein. Hastig ließ ich die Flasche in meinen Rucksack fallen. Seine Uniform hing an den Hüften, während der saure Schweiß an seinem Oberkörper klebte. Selbst die orangenen Haare waren durchgenässt.

„Solltest du nicht beim Wolfstraining sein?", erwiderte ich. Über die letzten Wochen hatte sich die Angst in seiner Gegenwart langsam abgebaut. Auch wenn wir uns hassten, beim Training waren wir ein Team und so verhielten wir uns auch. Meine Wölfin war anderer Meinung. Ich musst ihr Fauchen unterdrücken. Desto mehr Zeit verstrich, desto angespannter wurde sie.

Mael ignorierte meine Frage und ging zu seiner Pritsche. Als er sich hinhockte blieb mir der Mund offen. Sein Rücken war übersäht mit Peitschenhieben. Auf seiner bleichen Haut standen unzählige Narben hervor. Zum ersten Mal seit Tagen verstummte meine Wölfin und gab mir ein wenig Ruhe.

„Wer hat dir das angetan?", fragte ich und stand auf. Es musste eine Silberpeitsche gewesen sein, eine der härtesten Bestrafungen; und seit dem Großen Umschwung verboten. Mael zuckte herum und stand auf.

„Das geht dich gar nichts an", knurrte er, zog seine Uniform über die Schultern und marschiert aus dem Zelt. Ich starrte ihm hinterher. Ob das seine Familie gewesen war?

Meine Wölfin knurrte gereizt. In letzter Zeit machte es ihr immer mehr Spaß auf meinen Nerven herumzutrampeln. Dennoch hatte sie einen Punkt: Das Einzeltraining mit Astor.

Was das anging waren die letzten Wochen die reinste Qual. Seitdem wir beschlossen hatten uns voneinander fernzuhalten tat meine Wölfin alles, um mich vom Gegenteil zu überzeugen. Vielleicht hielt sie deswegen nie die Klappe.

Ich verließ das Zelt und sofort nahm mich die heiße Nachmittagssonne ins Visier. Und zum ersten Mal war ich dankbar für die kurzen Haare, die nicht an meinem Nacken klebten. Ich machte mich auf den Weg zum Platz, an dem wir übten.

In der Gruppe war das Training noch in Ordnung mit Ulf an meiner Seite. Doch jedes Mal, wenn wir allein auf dem Platz waren wuchs dieses Gefühl in meinem Bauch. Astor hatte mir die Grundtechniken des Kampfes gezeigt und zu meiner inneren Wut hatte er dabei nicht mit Körperkontakt gespart.

Die Auserwählte des KriegersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt