Kapitel 37

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Ich sprintete durch die Korridore auf der Spur von Astor. Seine Fährte war frisch und ich atmete so viel davon ein, wie ich konnte. Desto weiter ich kam, desto wütender wurde ich auf meine Wölfin. Sie hatte ihn am Rücken verletzt und obwohl es längst wieder geheilt war, fühlte ich mich grausam.

Durch die Wut hatte ich sie nicht mehr unter Kontrolle.

Und nicht nur sie, auch mich.

Um ein Monster zu sein, muss man keinen Wolf besitzen.

Ich schloss die Augen, als ich an meine Worte dachte. Wieso hatte ich das zu ihm gesagt? Heute sollte eigentlich ein glücklicher Tag sein, an dem wir endlich zusammen sein konnten, als Gefährten.

Er wollte uns beschützen, ganz Silberblut.

Und wenn er dafür gegen seine eigene Gefährtin handelte...

Plötzlich blieb ich stehen. Ein neuer Geruch mischte sich in den Gang, eine Fährte, die mich entfernt an Astor erinnerte.

Beta Talon.

Er musste vor kurzem hier vorbeigekommen sein.

War er etwa aus Flussklaue zurück? Nicht weit weg lag eine Tür angelehnt und laute Geräusche erklangen dahinter. Neugierig schlich ich mich näher. Die Fährte des Betas lag eng vermischt mit einer anderen.

Sie kam mir auch bekannt vor.

Wer?

Ein lautes Stöhnen erklang hinter der Tür. Ich lehnte mich gegen den Rahmen. Nur ein Blick...

Meine Augen weiteten sich. Die lauten Herzen, die im Raum schlugen, ließen mein eigenes höherschlagen. Ihre Körper waren in einem innigen Kuss verschlungen. So hatte ich Beta Talon nie gesehen. Seine blonden Haare waren ganz durcheinander gewuschelt. Doch es war der andere Wolf, der mich faszinierte.

Lannis, einer von Astors Kriegern.

Dumpfes Knurren erklang zwischen ihnen. Ich konnte nur starren. Noch hatte ich so etwas gesehen. Plötzlich zuckte Beta Talons Aufmerksamkeit weg von dem Kuss und hin zu mir.

Mein Herz setzte einen Schlag aus.

Sein Blick war so animalisch, dass ich vergaß einzuatmen. Seine smaragdgrünen Augen funkelten heller als jeder Edelstein. Und dann verfärbten sie sich gelb.

Verdammt.

Ich trat einen Schritt zurück.

„Was machst du da?"

Beta Talon donnerte auf mich zu wie ein Sturm. Noch bevor ich mich umdrehen konnte, packte er mein Kleid und presste mich gegen die Korridorwand. Die Luft verschwand vollends aus meinen Lungen. Immerhin war er endlich wieder unter Kontrolle, doch die Wut brannte immer noch in seinen Augen.

Ich kannte ein Geheimnis von ihm, eine Schwäche.

Aus Versehen.

„Sieh an, kein Verräter, nur eine Frau", zischte er. Ich umpackte seine Hand und versuchte sie von dem Kleid zu lösen, doch sein Griff war unerbittlich. „Du hältst dich in unerlaubten Korridoren auf. Hier darf sich nur die royale Familie aufhalten."

„Und was macht er dann hier?", fragte ich mit so viel Mut, wie ich aufbringen konnte. Lannis' Augen weiteten sich, als ich ihn mithineinzog. Beinahe tat er mir leid.

„Es ist wohl besser, wenn du erstmal im Kerker schläfst", knurrte Beta Talon und gefror das Blut in meinen Venen. Er riss mich von der Wand, nur um mich durch den Korridor zu schleifen.

Die Auserwählte des KriegersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt