Kapitel 2

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Die Straßenlaternen waren nur bereit mir sehr wenig ihres schumrigen Lichts zur Verfügung zu stellen, und so stolperte ich mehr, als ich ging, die dunkle Straße entlang. Immer wieder hielt ich an und spähte vorsichtig über meine Schulter zurück. Doch da war niemand. Wieso auch? Und trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Kopfschüttelnd straffte ich meine Schultern und stapfte weiter. Irgendwann würde ich noch vollkommen den Verstand verlieren. Als ich um die nächste Ecke bog, lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Die knochigen Zweige einer alten Eiche erstreckten sich über meinem Kopf und nahmen mir nun auf noch das Mondlicht, sodass es nahezu stockdunkel war. Nicht einmal die Natur hielt mehr zu mir. Wieso auch? Ich war es nicht wert.

Traurigkeit machte sich in mir breit und die nun schon gut bekannte Verzweiflung zerquetschte mir beinahe mein Herz. Sie griff mit ihren eisernen Klauen danach und drückte erbarmungslos zu. Meine Schritte wurden schneller, ich wollte nur noch nach Hause. Auf einmal schien es um mich herum noch dunkler zu werden und der eisige Wind kam wieder auf. Er wirbelte durch meine Haare und stieß mich herum. Ich taumelte, fing mich wieder und ging nun noch schneller, während der Wind wie verrückt an meinen Kleidern riss. Als wollte er mich in Stücke reißen, warf er mich herum, spielte mit mir, nützte meine menschliche Schwäche aus und stahl währenddessen den letzten Rest Wärme aus meinem Körper.

Plötzlich nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr.

Eine Gestalt bewegte sich auf mich zu, der lange schwarze Mantel und die zerrissene Hose sahen nicht aus, als würden sie jemanden einkleiden, der viel Vertrauen verdient hatte. Panik überkam mich. Das letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war ein perverser Betrunkener. Das Adrenalin, das nun durch meine Adern strömte, half mir gegen den Wind anzukommen und machte mir die Flucht erheblich leichter. Die Person hob die Hand. Dachte sie ernsthaft ich würde jetzt stehenbleiben? "Niemals.", zischte ich und kämpfte mich weiter vorwärts. Der Wind wurde immer stärker, er warf mir Blätter und Äste ins Gesicht, doch ich stemmte mich fest entschlossen weiterhin dagegen und steuerte auf unser Haus zu. Nun konnte ich sogar schon das Wohnzimmerfenster erkennen. Hell erleuchtet schien es in der Ferne auf. Ich hatte mich noch nie so sehr gefreut, dass meine Tante zuhause war. Es kam mir vor wie der gesuchte Rettungsring bei einem Schiffsunglück. Als ob ich ein verunglückter Segler wäre, der sich nur noch mit großer Mühe über Wasser halten konnte und nun endlich die Rettung gefunden hatte. Doch innerhalb von zwei Sekunden war meine Rettung außer Sichtweite. Die zwei Sekunden, die der Fremde brauchte um plötzlich zwischen uns zu stehen.

Vom Himmel hochWo Geschichten leben. Entdecke jetzt