Wenn die Sonnentage vergehen

Schokoladeneis an einem Sommertag

Eleanor kam um halb zwölf nach Hause. Sie war schon müde und angeheitert von dem Wein, aber sie konnte sich unmöglich vorstellen, jetzt ins Bett zu gehen. Eigentlich war es ein guter Zeitpunkt, um endlich den Abwasch zu erledigen.

Es war nach eins, als sie sich hinlegte, aber eigentlich fühlte sie sich viel zu aufgedreht zum Schlafen. Sie wälzte sich hin und her. Schloss die Augen, öffnete sie wieder.

Auch wenn sie nicht vor drei geschlafen haben konnte, wachte sie um sieben wieder auf. Jetzt könnte sie doch das Referat vorbereiten. Ausgeschlafen fühlte sie sich jedenfalls. Also stand sie auf, ging auf die Toilette und startete dann den Computer. Viel Zeit blieb nicht mehr. Es war Mittwoch und den kommenden Dienstag müsse sie das Referat halten. Es gab aber auch wirklich schönere Dinge als dieses Referat. Nach einer Stunde entschied sie sich daher, sich ein schönes Frühstück auf dem Balkon zu gönnen und ging dafür Erdbeeren und Sojajoghurt kaufen. Das Referat, so sagte sie sich, war ja auch nicht so wichtig wie, dass es ihr gut ging. Wohlverdient. Nach all den Wochen der Depression, ging es ihr nun seit zwei Wochen gut. Das genoss sie. Und sie freute sich, dass aus der Freundschaft mit Diana mehr geworden war. Keine Beziehung - einfach etwas Lockeres. Auf einer Party hatte sie dann auch Ivica kennengelernt. Beide hatten nicht gesagt, dass es etwas Exklusives war, also hatte sie es auch nicht für nötig befunden, den beiden voneinander zu erzählen.

Ihre letzte Beziehung lag schon ein paar Jahre zurück, aber mehr als so hin und wieder jemanden zu daten war in den letzten Jahren nicht passiert. Eleanor hatte ewig nicht auf ihr Online Dating Profil geguckt. Sie lud ein Bild mit aktueller Haarfarbe hoch und swipte sich durch die Profile. Viele schieden aus, weil diejenigen in Straßburg oder Metz wohnten und vermutlich noch nicht mal Deutsch sprachen, aber bald schrieb sie unter anderem einen Kaya aus Saarbrücken und eine Lilly aus Neunkirchen an.

Lilly schrieb ihr sogar zurück. Sie hatte braune Locken und einen Pudel, der offenbar auf keinem ihrer Bilder fehlen durfte. Normalerweise war Eleanor total schüchtern beim Online Dating und schrieb erst ewig mit den Leuten, bis es sich irgendwann verlief, aber diesmal fragte sie einfach, ob sie nicht mal an der Saar spazieren gehen wollten. Lilly willigte gleich für das Wochenende ein. Eigentlich hatte Eleanor sich das freigehalten, um das Referat vorzubereiten, aber die Chance wollte sie sich nicht entgehen lassen.

Mittlerweile war es Mittag und mit dem Referat war Eleanor immer noch nicht weitergekommen. Wie viel Zeit solche Apps auch immer wieder fraßen. Eleanor stand nun der Sinn danach, Dinge zu tun und nicht weiter nur am Handy zu hängen. Also machte sie Yoga auf dem Balkon. Da konnte sie sich so richtig auspowern und bei sich ankommen. Und schwitzen. Ja, vor allem schwitzen.

An der Uni hatte Eleanor mal einen Ashtanga Yoga Kurs gemacht. Da war sie nichts ahnend ins kalte Wasser geworfen worden. Kleinlaut hatte sie sich gemeldet, als die Yogalehrerin gefragt hatte, wer noch nie Yoga gemacht hatte. »Das kriegen wir schon hin«, hatte die Lehrerin gesagt. Und das hatten sie. Ashtanga Yoga war eine feste Sequenz, die so überall auf der Welt praktiziert wurde. Eleanor nutzte einfach ein Youtube Video, wenn sie allein Yoga machte. In letzter Zeit hatte sie sich stark verbessert, falls man das beim Yoga so nennen konnte. Kein Wunder bei dem Pensum.

Gerade war jeder Tag wie ein kleines Abenteuer. Voller Dinge, die sie erlebte. Etwas ganz Besonderes. Und das wollte sie sich nicht von dem Referat zerstören lassen. Eigentlich könnte sie das Seminar auch nächstes Jahr wiederholen. Vielleicht hätte sie dann mehr Lust. Wahrscheinlich nicht, aber dann hätte sie jetzt frei. Und darum ging es – um das Jetzt. Sie war jetzt endlich glücklich und das wollte sie sich nicht nehmen lassen.

An diesem Donnerstag hatte Eleanor um 18 Uhr noch eine Vorlesung im Bereich der Vor- und Frühgeschichte. Darauf freute sie sich. Im Grunde liebte sie ihr Studium. Sie war ein unfassbar lebenszufriedener Mensch, wenn sie nicht gerade depressiv war. Hatte auch allen Grund dazu. Das war schließlich ihr Traumstudium und auch so ging es ihr ziemlich gut.