Der frische Sommerwind wehte mir ins Gesicht, als ich den Club, in welchem wir uns diese Nacht befanden, verließ. Erstaunlicherweise war mir heute nicht nach Party. Die engen Klamotten, schwitzende, sich an einen drängenden Menschen und bitter schmeckenden Getränke waren mir heute einfach zu viel. Ich wollte mich lediglich umziehen, mein Outfit in eine gemütliche Jogginghose und Shirt wechseln, mich in mein Bett legen und beten, dass die Welt untergehen würde. Doch nicht mal das konnte ich. Meine Schwester war mal wieder zu Besuch bei uns. Meine ach so tolle, 10 Jahre ältere Schwester, die Weltmeisterin im Kanufahren, welche bereit war, in ein paar Jahren die Firma meines Vaters zu übernehmen. Mit meiner Schwester und meinem Vater in einem Haus, geschweige denn einem Raum, konnte man es nicht aushalten. Ich glaubte wirklich nicht, dass die Zwei mich hassten, schließlich gehörte ich zur Familie, doch den Fakt, dass sie in Allem besser als ich waren, ließen sie nie unausgesprochen. Mindestens 5 Mal in einer Stunde würde ich mir anhören dürfen, was ich wieder falsch gemacht hatte, oder zumindest was ich beim nächsten Mal besser machen durfte. Kein einziges Lob, nur Kritik und Verbesserungsvorschläge. Das hieß für mich tschau Himmelbett und Hallo Julias Ausziehcouch.
In meiner kleinen Tasche kramte ich Owens Autoschlüssel hervor, welchen ich mir zuvor von ihm ausgeliehen hatte. Ich sah auf meine Handyuhr. Es war nicht mal spät, erst 22 Uhr. Wir waren weniger als eine halbe Stunde im Club und ich hatte schon keine Lust mehr. Das konnte ja ein langer Abend werden. Das Auto stand unmittelbar vor dem Club. Mit dem Schlüssel entriegelte ich es, was mit einem kurzen Aufleuchten die warme Sommernacht unterbrach. Ich setzte mich in den Kofferraum, ließ diesen offen und somit meine Beine am Rand dessen baumeln. Danach holte ich mir eine Zigarette aus meiner Tasche und zündete diese an. Rauchen tat ich eigentlich nur selten, doch heute brauchte ich es einfach mal. Ich pustete den Rauch aus meinen Lungen und blickte in den Sternenhimmel, der sich über mir zeigte, um meine Gedanken zu sortieren. Genauso wie ich das Leben der Party war, brauchte ich auch mal meine Auszeit um meine soziale Batterie aufzuladen und über mein Leben und dessen Zukunft nachzudenken. Auch wenn es da nicht viel zu überdenken gab, schließlich lag meine Zukunft nicht in meiner Hand.
,,Steiner!", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Vor Schreck meinen Nachnahmen zu hören, verschluckte ich mich leicht an dem Rauch, den ich zuvor eingeatmet hatte. Ich schaute in die Richtung, woher die Stimme kam. Auf Tennisfans, die ein Foto mit mir wollten hatte ich gerade wenig Lust. Das hatte nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit meiner Abneigung gegenüber diesen Sport. Ich konnte die Person, die mich ansprach erst ausfindig machen, als sie nur wenige Schritte von mir entfernt stand. Auf dem Kofferraumrand sitzend starrte ich also hoch, den braunhaarigen Jungen an. Oh Gott, was wollte der denn jetzt? Ich konnte mich gut an ihn erinnern, auch wenn die Party, bei welcher ich ihn kennenlernte schon fast einen Monat in der Vergangenheit lag.
,,Havertz", sagte ich, als ich der Meinung war, meine Lunge würde wieder funktionsfähig sein und versuchte dabei genauso gelassen wie damals auf der Party zu klingen. Mein Kopf war nun vollgestopfter mit Gedanken, als er es vorher schon war. Woher kam er? Was wollte er? Ich merkte, wie die Angst in mir aufkroch. Gleich würde er mir eine Anzeige vors Gesicht halten, weil ich ihn das letzte Mal so beleidigt hatte. Wow, gut gemacht Tara. Erster Kontakt mit einem etwas berühmten Fußballer und schon ein Gerichtsprozess am Hals. Wie sollte ich das meinem Vater erklären? Gestresst fuhr ich mir durchs Haar und nahm noch einen tiefen Zug meiner Zigarette, bevor ich den Fußballer wieder ansah und mein letztes Stoßgebet in den Himmel schickte.
,,Ich hab dich zufällig im Club gesehen, falls du denken solltest, ich würde dich stalken oder so", versuchte er zu erklären, da er wahrscheinlich merkte, dass sein plötzliches Aufkreuzen mehr als nur komisch war. Ich sah ihn nur fragend an. Also doch keine Anzeige? Oder kommt die noch? Der junge ist sicher Millionenschwer und kann sich die besten Anwälte holen. Okay, stopp Tara, wer hat hier das Klischee der reichen Zicke- du oder Havertz? Das hatte mir etwas Selbstbewusstsein zurückgeholt, sodass ich nun wieder meinen Mund öffnen und selbstsicher ,,Und?", fragen konnte. ,,Und ich habe nachgedacht- über deine Worte" , meinte er nur und sah dabei zu, wie ich meinen Zigarettenstummel auf den Boden fallen ließ. Normalerweise würde ich mir in solch einer nervenaufreibenden Situation sofort wieder die nächste anzünden, doch würde das sicherlich unhöflich erscheinen. ,,Also ich wollte dir nur sagen, dass ich nicht langweilig bin", er sah während des Redens vom Boden auf, direkt in meine Augen. Seine Worte ließen mich kurz auflachen. Hatten ihn meine Rede auf der Hausparty so sehr verletzt? Ein Mann, der so viele Fans hatte sollte doch in der Lage sein, über Kritik stehen zu können.
,,Und um auf diesen Entschluss zu kommen, hast du 3 Wochen gebraucht?", fragte ich leicht grinsend. Die Situation war gerade echt zu absurd für mich. Ich hörte den jungen Mann vor mir leicht seufzen. ,,Ja...Nein...", versuchte er nach Worten zu suchen, ,,Lass uns ein Rollenspiel spielen", sagte er schließlich, nach einer kurzen Denkpause seinerseits und sah mich mit einem leichten Grinsen an. Ich erwiderte seinen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich musste zugeben, dass ich vor meiner Flucht aus dem Club vielleicht wieder etwas zu tief ins Glas geschaut hatte, weswegen ich ein paar Momente brauchte, um seine Worte verarbeiten zu können. ,,Falls du denkst, irgendwelche wilden Sexfantasien ausprobieren zu wollen, bin ich die falsche Person", meinte ich darauf nur, was uns beide kurz zum Lachen brachte. Havertz war heute eindeutig lockerer, als bei unserer letzten Begegnung. ,,Nein, ich meine nicht so eine Art Rollenspiel. Lass uns einfach komplett vergessen, wer wir sind. Keine Berühmtheiten. Nur du und Ich. Für eine Nacht"
,,Und was soll uns das bringen?"
,,Dass du den unlangweiligen Kai Havertz kennenlernst."
DU LIEST GERADE
Runaway / Kai Havertz
Teen FictionZwei Jugendliche, die ihre komplette Kindheit für ihren Traum geopfert haben, sich aber nun in einem Alptraum befinden. ---------------------------------------------------------------------------- ,,Hast du Lust auf so n Art Rollenspiel?", fragte er...