FIVE

103 9 1
                                    

Es war still zwischen uns. Ich wollte es nicht zugeben, doch machte mich diese Stille nervös. Ich fuhr mir durch die Haare, sah raus aus dem Fenster. Um mein Unwohlsein in den Griff zu bekommen, fing ich an die Bäume, an welchen wir vorbeifuhren, zu zählen. Zählen war das einzige, was mir bei einer aufkommenden Angstattacke half. Was machte ich hier überhaupt? Hang ich wirklich so wenig an meinem Leben, dass ich nachts zu einem fast fremden Menschen in sein Auto gestiegen bin? Je nüchterner ich wurde, desto mehr merkte ich, wie dumm diese Idee eigentlich sein musste.

Die plötzliche Musik, die der Fußballer wahrscheinlich gegen die Stille anstellte, riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich tatsächlich etwas aufzucken.

,,Alles okay??", fragte mich Havertz, der das Zucken vermutlich gemerkt haben musste, obwohl seine Augen die gesamte Fahrt auf der Straße ruhten. Ich sah ihn an, studierte sein Profil, überlegte, wann mir jemand das letzte mal diese Frage gestellt hatte. Was dachte er eigentlich wer er ist? Natürlich war bei mir alles gut. Schließlich lebte ich ein Leben, von welchem die meisten nur träumen konnten. Schnell löste ich meinen Blick von dem Fußballer und warf eine Haarsträhne über meine Schulter.

,,Wohin fahren wir überhaupt?", ignorierte ich seine Frage gekonnt und richtete meinen Blick, genauso wie er es tat, auf die Straße vor uns.

,,Aufs Feld"

,,Zum Fußballspielen?" Ich zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.

,,jaaa?", man konnte merken, wie unsicher er durch mein Nachfragen wurde. Ich musste leicht grinsen.

,,Weißt du, das ist genau das, was dich langweilig macht. Fußball, nachts, in deiner Freizeit? Das ist doch nicht dein Ernst? Da hättest du mir ja gleich bei einem Glas rotwein deinen Strebergarten zeigen können", sagte ich nach einem enttäuschten Seufzen. Eigentlich war es mir relativ egal, was dieser Typ machen wollte, doch mochte ich das Wissen, dass ich diesen erfolgreichen Fußballstar mit Ach so vielen Fangirls, mit meinen Worten nervös machen konnte.

Ich merkte wie er vom Gas ging. Zum Glück war die Straße leer, sonst hätte ich mich nun schon von meinem Leben verabschieden können. Naja, eigentlich wäre das eigentlich gar nicht allzu schlecht gewesen.

Das erste mal seit dieser Fahrt sah er mich an. Die Lichter der Straßenlaternen schienen in das Auto, direkt auf sein Gesicht. Sein Blick suchte den meinen, welchen er auch leicht finden konnte. Er sah mir in die Augen. Man konnte förmlich sehen, wie ich mit meiner Rede das Leuchten in diesen gestohlen hatte.

,,Hast du nicht irgendwas, was dich besonders macht?", fragte ich noch einmal netter, da er mir doch schon ein bisschen Leid tat. Der Fußballer blieb stumm. Mittlerweile fuhren wir nur noch 20.

,,Ich hab Esel", sagte er plötzlich nach einer Zeit der Stille. Musste er gerade wirklich so lange nachdenken? Seine Antwort ließ mich tatsächlich kurz auflachen. Ich hatte alles erwartet, nur keine Esel.

,,Esel?", fragte ich deswegen mit einem unglaubwürdigen Unterton und sah ihn noch einmal an. Der Junge nickte nur als Antwort, legte seinen Blick wieder auf die Straße und gab Gas.

Wenn ich also nichts falsch verstanden hatte, würde ich nun mit Kai Havertz, mitten in der Nacht, Esel besuchen gehen. Vielleicht hätte ich vorhin doch lieber im Club bleiben sollen.

Runaway / Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt