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Es war ein normaler Morgen in einem typischen kleinen Dorf inmitten des Neuzehnten Jahrhunderts.
Auf dem Markt, der von einigen Bauern geführt wurde, standen bereits deren selbstgemachte Brote und Käseräder bereit, während die ersten Leute langsam begannen, die Einkaufsstraße entlang zu gehen, um sich und ihren Familien etwas zu essen zu kaufen – wenn sie es sich leisten konnten, denn das Dorf war allgemein dafür bekannt, von sehr armen Menschen bewohnt zu werden, ganz im Gegensatz zu den Burgherren, die daneben im vollsten Genuss des Reichtums lebten und ihre luxuriösen Leben genossen, während die Bauern und deren Familien ums Überleben kämpften.
 
Einer von ihnen war Hikaru Kita. Er war einer der Bauern, der tagtäglich auf dem Feld stand, um genug Ernte zu haben, um es verkaufen zu können. Seine Frau Isako half ihm dabei, verkaufte die Bilder, die sie gemeinsam mit ihrer verstorbenen Mutter als Kind gestickt hatte, sowie den letzten Schmuck, den sie noch besaß. Die Beiden gehörten zu denen, die es wirklich schlimm getroffen hatte, doch das Schwierige, in diesem Dorf etwas zu verkaufen, war nicht, dass andere kein Interesse hatten – denn das hatten sie.
Nein, das Problem war, dass sie es sich nicht leisten konnten. Gerade einmal ihre Lebensmittel wie ein Laib Brot konnten sie sich kaufen, um dann zu Frühstück diese gemeinsam mit der hausgemachten Butter zu essen, die sie selbst herstellten.
 
Auch an diesem Tag stand das etwas ältere Paar wieder an seinem Stand, versuchte, ein paar Leute, von denen sie wussten, dass sie etwas mehr Geld hatten, davon zu überzeugen, wenigstens ein wenig von ihrer Ware zu kaufen.
Glücklicherweise waren es an diesem Tag etwas mehr, die tatsächlich Interesse hatten – eine davon war Cho Miya, die gegen Ende des letzten Monats ein wenig mehr bekommen hatte, weswegen sie sich entschieden hatte, ihrer Familie eine kleine Freude zu bereiten und ausnahmsweise ein wenig mehr einkaufte als sonst.
 
Inzwischen kannte sie die Kitas schon sehr gut, des Öfteren trafen sie sich, wenn sie am Wochenende in die Kirche oder einfach spazieren gingen.
 
Hikaru freute sich, als Cho zu ihnen kam, um etwas Käse bat und dem Paar den richtigen Preis hinlegte.
„Wie geht es den Kleinen?", fragte Isako, als sie die Münzen in ihre Box legte.
„Ach, ganz gut. Sie sind gerade in einem Alter, wo sie alles erkunden wollen", erklärte die junge Mutter. „Ich hoffe, sie zerstören mir in der Zwischenzeit nicht das Haus, denn Chiko ist gestern ins Nachbardorf gereist, um dort eine Lieferung abzuholen."
 
Mit Nachbardorf meinte sie das ungefähr fünfhundert Kilometer entfernte Fukuro, in dem die Zustände etwas besser waren.
Dort gab es nur wenige arme Menschen, denn dort waren die Burgherren anders – sie verteilten Essen an die, die es sich nicht leisten konnten, die Steuern waren in Ordnung, und im Allgemeinen waren die Bewohner dort glücklicher. Erst letzte Woche hatte der derzeitige König eine Art Spielplatz in der Nähe des kleinen Parks, der für alle zugänglich war, errichten lassen, um den Kindern eine kleine Freude zu bereiten.
 
„Haben Sie sie schon untersuchen lassen?", fragte plötzlich ein Mann neben ihr, der ebenfalls um etwas Brot bat – vermutlich einer auf der Durchreise.
Cho seufzte, nahm ihre Sachen entgegen. „Nein, sie sind noch zu jung dafür."
„Man ist nie zu jung, um herauszufinden, wo seine Stelle in der Gesellschaft ist."
„Ich wollte ihnen noch eine unbeschwerte Kindheit geben, ohne, dass sie sich Sorgen darüber machen müssen, mit wem sie einmal verheiratet oder von wem sie gebissen werden."
„So ist aber das Leben", meinte der Fremde, man hörte einen gewissen Abschaum in seiner Stimme, und als Cho sich genauer auf ihn konzentrierte, merkte sie, dass er ein Alpha war – also wahrscheinlich hatte er keine Durchreise, sondern etwas anderes, hier geplant. „Vor allem in dieser Art von Gesellschaft wie hier sind Omegas im Nachteil, da sie noch weiter unten als eh schon stehen." Er bezahlte, nahm sich die Tasche. „Und das sollten sie schon früh wissen", fügte er noch hinzu, dann ging er.
 
„Pah! Unverschämtheit, ich wette, der will sich hier nur einen Mate suchen, aber wenn der meinen Jungen auch nur einmal ansieht, kriegt er eine!", sagte Isako.
Cho sah zu Boden. „Danke für die Sachen. Ich werde jetzt nachhause gehen. Man sieht sich." Sie winkte ihnen noch zum Abschied, machte sich auf den Heimweg.
 
Sie ging über die Straße, auf der gerade der junge Kutscher Takiji seine Pferde absattelte, sie anschließend in den nahegelegenen Stall führte. Heute war sein letzter Arbeitstag gewesen, denn vor wenigen Tagen war er mit dem Sohn des ehemaligen Vorsitzenden des Stadtrates verheiratet worden, der ihn ganz für sich haben und dabei keine Störungen, wie die Arbeit, wollte.
 
Die Frau ging weiter ihres Weges, als sie sah, wie eine Diskussion zwischen den Beiden ausbrach.
 
Mit einer Sache hatte der Fremde recht gehabt – ihr Dorf befand sich unter einer schwierigen Herrschaft, kämpfte tagtäglich ums Überleben. Alphas wurden bereit gehalten, um sich irgendwann mit Omegas oder Betas zu verbinden, welche sowieso schon ganz klar aberkannt wurden, doch bevor das Dorf in der Armut versank, wolle man wenigstens dafür sorgen, dass es genug Nachfahren gab, um vielleicht etwas Geld von der Königsfamilie als Unterstützung zu bekommen.
Cho wollte ihre Zwillinge nicht untersuchen lassen, da sie Angst davor hatte. Was, wenn einer von ihnen ein Omega, wie sie selbst, war? Sie wollte nicht, nein, sie konnte nicht zulassen, dass es einem ihrer geliebten Söhne in zehn Jahren vielleicht so wie Takiji erging.
Natürlich kam sie nicht um die Untersuchung, die spätestens stattfand, wenn sie Zwölf werden würden, herum, doch wenigstens etwas herauszögern wollte sie es.
 
Mit etwas trüber Stimmung öffnete sie die Haustür, hörte absolute Stille, dann eine leise Stimme.
 
„Sei leise!", zischte eine Kinderstimme. „Das ist alles deine Schuld!"
„Wieso ich?!", fragte eine andere.
 
Cho lächelte etwas, ging ins Wohnzimmer, das sie in vollem Chaos vorfand. „Jungs?"
Keine Antwort.
Sie seufzte, öffnete die Schranktür, in der die beiden saßen, erschraken.
 
Der Ältere Junge riss die Hand seines Bruders, die auf seinem Mund lag, von sich, begann, loszureden. „Hier kam so ein riiiiesiges Monster vorbei, das hat das ganze Wohnzimmer zerstört!", rief er.
„Ein Monster?", fragte die Frau, woraufhin ihr Sohn nickte.
„Ja! Das war ganz groß und... und... so... ähm..."
 
Cho lachte. „Okay, kommt jetzt da raus. Euch kann man nicht einmal zehn Minuten alleine lassen, ohne, dass ihr das Haus verunstaltet."
Die beiden verließen den Schrank, stellten sich vor sie.
„Ich habe gar nichts gemacht!", rief der Zweite. „Das war alles Tsumu!"
„Nein, das warst du, Samu!"
„Streitet nicht." Sie kniete sich hin, legte jedem eine Hand auf die Schulter. „Wollt ihr etwas essen? Ich hab sogar Käse und Milch!"
 
Die Augen der Beiden weiteten sich, ihre Münder öffneten sich begeistert.
„Für mich?!", fragte Atsumu, strahlte dabei noch mehr. Osamu setzte nun wieder einen etwas beleidigten Gesichtsausdruck auf, verschränkte wütend die kleinen Arme vor der Brust.
„Es ist nicht immer alles nur für dich!", rief er.
 
Cho strich ihnen über die Haare, erhob sich. „Es ist für uns alle. Euer Vater kommt bestimmt bald nachhause, bis dahin sollte der Tisch gedeckt sein. Wollt ihr mir helfen?"
Die Zwillinge nickten, folgten ihr in die Küche, um dort Teller und Besteck zu holen.
 
Genau in dem Moment öffnete sich die Haustüre und Chiko trat herein.
Atsumu ließ alles liegen und stehen, lief sofort zu ihm in den Flur. „VATER!!", schrie er überglücklich.
 
Der Mann lächelte als er seinen Sohn sah, und als er bei ihm war, hob er ihn hoch. „Ich hoffe, ihr habt nichts angestellt, während ich und eure Mutter weg waren."
„Haben wir nicht!"
 
„Geh besser nicht ins Wohnzimmer", rief Cho von der Küche aus.
„Ich verstehe", sagte Chiko, setzte Atsumu wieder auf dem Boden ab, wuschelte ihm durch die Haare.
 
Der Zehnjährige lief zurück ins Esszimmer, setzte sich mit Mühen auf einen der Sessel, die von seiner Perspektive aus so groß erschienen.
Chiko gab seiner Frau einen Kuss, gab ihr Blumen in die Hand. Die Geste brachte Cho zum Lächeln. „Ich dachte, du holst nur die Lieferung für Teiji?"
„Habe ich, aber die Blumen sahen dort so schön aus, viel schöner als die, die wir hier kaufen können. Und da wir ja ausnahmsweise etwas mehr Geld diesen Monat zur Verfügung haben, war ich überzeugt davon, dir welche mitzunehmen."
Cho lächelte noch etwas breiter, als sie den süßen Duft der Blüten einatmete. Sie war froh, dass ihre Verbindung zu Chiko sowie die Hochzeit nicht arrangiert gewesen war, sondern tatsächlich aus Liebe entstanden war.
„Danke dir", sagte sie, küsste ihn dann wieder.
 
„Ihhh", machte Atsumu, sah zur Seite, weswegen seine Eltern etwas grinsen mussten.
 
Beim Frühstück unterhielten sie sich alle, lachten, verhinderten, dass die Zwillinge sich wieder um die Köstlichkeiten rauften.
So war es immer bei ihnen, und das machte sie zu einer der wenigen Familien, die mit ihrem Leben fast vollständig zufrieden war.
 
Tagsüber spielten Osamu und Atsumu immer mit aus Ästen und teilweise Blättern selbstgemachtem Spielzeug, hatten ihren Spaß daran, und ab und zu spielten ihre Eltern sogar mit – Es war immer etwas los bei ihnen, und obwohl es auch Zeiten gab, in denen die Zwillinge kein Wort miteinander sprachen oder Chiko im Krieg war, genossen sie die viele Zeit, die sie zusammen hatten.
 
Es war schon spät, und eigentlich hatte Cho die Jungs schon schlafen gelegt, als sie aufgrund von Schlafproblemen zurück in die Küche lief, um etwas Wasser zu trinken.
 
Atsumu machte sich unter dem Klavier, das sie von seinem Großvater vererbt bekommen hatten, klein, betete darum, dass seine Mutter ihn um diese Zeit nicht an seinem Lieblingsinstrument entdeckte.
 
„Cho? Können wir reden?", hörte er seinen Vater fragen.
„Natürlich. Was gibt es denn?", fragte sie.
Der Mann zögerte. „Ich... war vielleicht nicht ganz ehrlich zu euch."
„Was meinst du damit?"
Er sah sich um, als wolle er sichergehen, dass niemand sonst hier war, weswegen Atsumu sich noch kleiner machte.
 
„Diese Lieferung, die... die musste ich zwar wirklich holen, aber andererseits war ich in Fukuro, da ich für die Armee wieder gebraucht werde."
 
Cho fiel das Glas aus der Hand, man hörte es zerschellen, und die Scherben flogen mehrere Meter über den Boden. „Ist das dein Ernst?! Du hast gesagt, du lässt das erstmal sein, bis Atsumu und Osamu Zwölf sind!"
„Das wollte ich auch, aber Cho, wir stehen kurz vor einem Krieg, der das ganze Land betrifft. Außerdem sind sie doch schon Zehn, ich-"
„Was, wenn du das nicht überstehst?! Willst du mich alleine zurücklassen? Willst du die Beiden zurücklassen? Chiko, ich bin dann eine verwitwete Omega-Frau, ich habe dann keine Chance mehr, dass ich irgendwie dafür sorge, dass sie ein normales Leben führen können!"
Ihr Mann legte die Hände auf ihre Schultern, um sie etwas zu beruhigen. „Du weißt, dass sie das nicht haben werden. Vor allem Atsumu nicht, und das weißt du auch."
Cho kamen die Tränen. „Willst du, dass sie unglücklich sind?"
„Nein, ich-"
„Oh, doch, sonst hättest du das nicht einfach getan!"
„Cho, beruhige dich."
 
Die Frau strich sich die Tränen aus den Augen, atmete durch. „Ich gehe jetzt schlafen", beschloss sie, drängte sich an ihm vorbei, lief die Treppen hinauf in ihr gemeinsames Schlafzimmer.
 
Atsumu hielt sich selbst die Tränen zurück, hatte die Hand über den Mund gelegt, damit man ihn nicht hörte.
 
 
 
Es war früher Morgen, als Chiko eine leise Melodie aus dem Wohnzimmer hören konnte. Er ahnte bereits, wer da am Werk war, weswegen er sich leise anschlich, um Atsumu dabei zuzusehen, wie er versuchte, die Melodie, die er vor sich auf einem Notenblatt sah, zu spielen, was ihm aber nicht ganz gelang.
„Oh, man!", rief er, verschränkte die Arme vor der Brust.
Sein Vater setzte sich neben ihn, bekam nur einen kurzen Blick von der Seite zugeworfen.
Er nahm die um einiges kleineren Hände seines Sohnes, legte sie wieder auf die Tasten. „Eine der wichtigsten Dinge ist, niemals aufzugeben", sagte er, woraufhin Atsumu ihn ansah. „Die Melodie klang schon schön, versuch nur, sie weiter ineinander verfließen zu lassen."
„Das kann ich nicht...", sagte er.
„Ich denke schon. Probier es mal, ich helf dir."
 
Der Junge zögerte, dann begann er, die Melodie erneut zu spielen, sein Vater spielte gleichzeitig mit.
So wurde das Lied langsam vollständig, und als sie es fertig hatten, erhob Chiko wieder das Wort. „Hast du gesehen? Es funktioniert, du musst nur daran glauben."
Atsumu lächelte, musterte das Notenblatt.
„Das Lied hat mir mein Vater immer vorgespielt, wir haben immer gemeinsam dazu gesungen", erklärte Chiko.
„Wie geht er? Also der Text?"
„Ich glaube, du kennst ihn sogar noch. Ich habe ihn euch immer vorgesungen, wenn ihr nicht schlafen konntet, als ihr noch ganz klein wart."
 
Chiko lächelte, legte seine Hände wieder auf die Tasten, begann, den Anfang des Liedes zu spielen, sang dann dazu.
„I close my eyes and I can see, a world that's waiting up for me, that I call my own~."
 
Atsumu lauschte seinem Vater aufmerksam, erkannte das Lied sofort wieder. „Through the dark, through the door, through where no one's been before... but it feels like home~", sang er.
„They can say, they can say it all sounds crazy~..."
„They can say, they can say I've lost my mind~..."
„I don't care, I don't care if they call me crazy~."
„We can live in a world that we design~...", sangen sie beide.
 
Sein Vater nahm die Hände vom Klavier, als die letzten Töne verstummten.
„Stimmt es, dass du wieder weg musst, Vater?"
 
Der Mann presste die Lippen zusammen, seufzte, wuschelte ihm durch die Haare. „Ich werde bald nachhause kommen. Kannst du mir bis dahin einen Gefallen tun?"
„Was denn für einen?", fragte er.
 
Chiko erhob sich, holte das Notenbuch seines Vaters, in dem sich noch ein paar freie Seiten befanden, hervor und legte es vor ihm hin. „Schreibst du das Lied fertig?", fragte er.
„Aber... wie soll ich denn..."
„Ich weiß, dass du das kannst, Atsumu", sagte er. „Du musst nur an dich glauben."
 
Atsumu lächelte. „Okay. Ich versuch's. Und wenn du nachhause kommst, spiele ich's dir vor!"
„Ich freu mich drauf!", sagte er, dann lachten sie etwas.
 
Cho, die ihnen vom Türrahmen aus die ganze Zeit über zugesehen hatte, lächelte, ging zurück in die Küche.
 
 
Ein paar Monate später
 
Der Regen fiel in schweren Tropfen vom Himmel hinab, die Dunkelheit hatte den Ort eingenommen.
Atsumus Blick war auf den leeren Sarg, da man die Leiche seines Vaters nicht gefunden hatte, vor ihm gerichtet, eine Hand seiner Mutter lag auf seiner Schulter, die andere auf Osamus.
 
Der Pfarrer sprach eine Rede, die er nicht wirklich mitbekam.
 
Zuhause angekommen wirkte plötzlich alles leerer als sonst.
Cho sagte den beiden, sie müsse mal an die frische Luft, Osamu verzog sich auf ihr gemeinsames Zimmer.
 
Und Atsumu saß am Klavier, starrte die Textzeilen vor sich an, an denen er in den letzten Monaten so überzeugt davon, seinen Vater begeistern zu können, geschrieben hatte.
Es machte ihn traurig, dass er das Lied nie hören würde, deswegen dachte er nach, ob es nicht vielleicht eine andere Möglichkeit gab.
 
Als er sich umsah, wurde sein Kopf von Erinnerungen geflutet, sein Atem beschleunigte sich etwas, und dann handelte sein Körper plötzlich ganz von alleine, als er aufstand, aus dem Haus lief, ohne zu wissen, wo er hinwollte.
 
„'Cause every night I lie in bed, the brightest colors fill my head~", sang er währenddessen, ein paar Leute, die an ihm vorbeigingen, sahen ihn komisch an. „A million dreams are keeping me awake~ I think of what the world could be, a vision of the one I see... A million dreams is all it's gonna take..." 
 
Er wurde immer leiser, desto näher er dem Grabstein seines Vaters kam, dort unter Tränen zusammenbrach, das Gesicht in den Händen vergrub. „Oh... a... million d-dreams for the world... we're gonna make...", sang er schluchzend zu Ende, während der Regen wieder vom Himmel tropfte.
 
 
 
In der großen Burg, die neben dem Dorf gebaut war, saß Kiyoomi an dem Fenster in seinem prächtigen Zimmer, zeichnete etwas auf das Blatt Papier, das er von seiner Schwester bekommen hatte, damit er sich mit irgendwas beschäftigen konnte, während seine Familie einmal mehr keine Zeit für ihn hatte.
Er sah hinaus in den riesigen Garten, in den sich einige der Diener und Mägde gerade darum bemühten, die Wäsche ins Trockene zu bringen.
 
Kiyoomi seufzte, schloss die Augen, als es ihm plötzlich vorkam, als hätte er einen Stich im Herzen, während eine Träne aus seinem rechten Auge lief. Er fühlte sich schlecht, als hätte er gerade irgendetwas Schlimmes erlebt und würde nun trauern.
Als eine weitere Träne aus seinem linken Auge lief, erinnerte er sich plötzlich an ein Lied, das seine Schwester ihm immer vorgesungen hatte.
Leise sang er es.
 
„There's a house, we can build, every room inside is filled with things from far away~...", begann er, stand dann auf, ging hinaus in den Flur, den sein Vater zusammen mit seinem Gefolge gerade überquerte.
 
„Vater!", rief er, lief auf ihm zu. „Ich fühle mi-"
„Ich habe keine Zeit, Kiyoomi. Ich sagte doch, du sollst in dein Zimmer gehen."
„Ja, aber ich fühle mich nicht gut."
„Dann sag das einer Magd, die soll sich darum kümmern." Der König lief weiter, ließ seinen zehnjährigen Sohn einfach im Flur stehen, dem es inzwischen schon ganz mulmig zumute wurde.
Doch Kiyoomi ignorierte das, lief wütend hinaus in den Innenhof, sah hinauf, beobachtete die Regentropfen, die vom Himmel fielen, aus sicherer Entfernung.
 
Wie gern er auch so frei sein würde.
 
„Special things I compile, each one there to make you smile on a rainy day~", summte er beinahe, so leise sang er. Er versuchte zu lächeln – seine Erzieherin hatte ihm einmal gesagt, dass er Unwohl oder Schmerzen immer weglächeln musste. So gehöre sich das, meinte sie immer, man dürfe der Welt nicht zu viele schlechte Emotionen zeigen, denn das würde keinen guten Ruf machen.
 
 
Atsumu nahm die Hände von seinem Gesicht, als seine Augen zu tränen aufgehört hatten. Eine gewisse Wärme machte sich ganz plötzlich in ihm breit, er schniefte noch immer etwas, doch als der Regen von einer Sekunde auf die andere wieder verschwand, fühlte er sich, als wäre da jemand, der ihm gerade versucht hatte zu helfen.
Jemand, der sich gerade um ihn sorgte.
 
 
Kiyoomi sah immer noch hinauf, als der Regen erlosch. Es war etwas kühler geworden, doch gleichzeitig hörten seine Augen zu brennen auf, er fühlte, wie es ihm langsam besser ging.
 
„KIYOOMI!", hörte er eine ernste Stimme hinter sich schreien, weswegen er erschrak.
Er drehte sich um, sah, wie seine Erzieherin auf ihn zustampfte, dann lief er weg, durch die nächste Tür, in den Flur, in dem eine der Wachen auf ihn gewartet hatte, ihn am Arm packte und zurück schliff.
„Nein, nein, bitte!", schrie er.
Die Erzieherin musterte ihn wütend, als er wieder vor ihr stand – zwar festgehalten und sich wehrend, aber er war da, und das zählte.
„Es gehört sich nicht, einfach wegzulaufen, wenn jemand mit dir redet, das weißt du doch?", fragte sie mit etwas ruhigerer Stimme, die bei ihr jedoch alles andere als Ruhe bedeutete.
 
Kiyoomi schluckte.
 
„Außerdem habe ich zehn Minuten im Lernraum gewartet. Man lässt niemanden warten, das weißt du doch auch."
 
Der Junge sah zur Seite, dann spürte er die Ohrfeige auf seiner Wange. „Und man schweigt nicht, wenn man was gefragt wird!", brüllte sie.
„Tut mir Leid!", entschuldigte sich Kiyoomi zittrig. „Es tut mir aufrichtig Leid", wiederholte er, da er Angst hatte, dass ihr die erste Entschuldigung zu informell war.
„Gut. Komm jetzt mit, wir haben heute viel vor uns", erklärte sie, dann schliff sie ihn am Arm mit sich.
 
 
 
Atsumu saß noch immer vor dem Grabstein, als er einen Druck an seinem Arm spürte. Er bekam plötzlich Angst, wusste nicht, wovor.
Die Uhr, die zu Mittag schlug, riss ihn aus seinen Gedanken, erinnerte ihn daran, dass er ziemlichen Hunger hatte.
Vielleicht sollte er besser nachhause, bevor seine Mutter sich noch Sorgen machte.

A Million Dreams - SakuAtsuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt