𝟏𝟑

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Eine Woche später
 
Draußen fielen die Schneeflocken vom Himmel, der kalte Wind wehte um die vielen Bäume im Garten, sodass sie sich etwas bogen.
 
Die Landschaft war vollständig mit Schnee bedeckt, und die Temperaturen waren sogar noch etwas weiter gesunken.
 
Kiyoomi saß auf seinem Fensterbrett, las in einem Buch, während er der Morgenstille lauschte.
Seine volle Aufmerksamkeit galt der Geschichte, in die er versunken war, alles andere interessierte ihn nicht.
 
„Wie lang bist du schon wach?", fragte ihn da jemand.
 
Ohne aufzusehen antwortete er. „Keine Ahnung. Drei Stunden?"
 
Er nahm ein leises Kichern wahr. „Du bist Frühaufsteher, was?"
„Möglicherweise."
 
Er hörte Schritte, dann sah er Ayaka vor sich stehen, wie sie das Buch aus seiner Hand nahm, sich auf seinen Schoß setzte.
 
„Und wenn ich jetzt die Seite nicht mehr finde?"
„Dann ist das dein Pech", sagte sie, kicherte dabei.
 
Kiyoomi rollte mit den Augen, strich ihr über die Seite.
 
„Hoffentlich bist du dann morgen auch so früh auf", sagte sie, strich ihm über die Wange.
 
„Werde ich sein...", meinte Kiyoomi.
 
Ayaka küsste ihn, bewegte ihre Lippen gegen seine, vergrub ihre Hand in seinen dunklen Locken.
 
Sanft erwiderte er den Kuss, schloss dabei die Augen.
 
Nach einiger Zeit löste sich die Omega von ihm, sah ihm tief in die Augen. „Alles okay? Du wirkst angespannt."
Kiyoomi wandte den Blick von ihren Lippen ab, sah ihr in die braunen Augen. „Ja. Passt schon, ich... ich bin nur nervös wegen morgen."
„Brauchst du nicht. Es wird toll werden, da bin ich mir sicher."
 
Für eine Sekunde fühlte er sich schlecht, da er wieder an diese Sache hatte denken müssen.
 
„Und dann werden wir tolle Mates sein, glaub mir!"
 
Er zwang sich zu lächeln, als sie sein Gesicht zwischen ihre Hände nahm und ihn wieder küsste.
 
„Hast du noch nicht genug?", fragte er, als er merkte, wie sie den Kuss wieder intensivierte. „Ich dachte nach letzter Nacht willst du dich ausruhen."
„Ich hab mich lang genug ausgeruht~", hauchte sie ihm ins Ohr.
 
Kiyoomi grinste schelmisch, bevor er sie hochhob, zum Bett lief und sie auf dieses warf. Schnell zog er sich sein Hemd über den Kopf, warf es zur Seite, stützte sich über sie. Ayaka legte ihre Hand an seinen Nacken, zog ihn näher zu sich, während sie ihre Lippen mit seinen verband.
 
 
Schweigend rührte Atsumu in dem Topf herum, dessen Inhalt schon freudig vor sich hin brutzelte.
Immer wieder warf seine Mutter ihm besorgte Blicke zu, doch seit Tagen schaffte sie es nicht, zu ihrem Sohn durchzudringen, weswegen sie sich nicht traute, ihn darauf anzusprechen.
 
„Das passt schon so. Bringst du mir bitte den Topf?", bat sie, woraufhin Atsumu den Topf aus dem Kaminherd nahm, ihn auf die Theke stellte.
 
Vorsichtig befüllte Cho die Suppenteller mit der Köstlichkeit, doch bevor sie beim Vierten ankam, nahm Atsumu diesen weg und stellte ihn zurück ins Regal.
 
„Hast du keinen Hunger?", fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Nein."
„Du hast seit Tagen nicht mehr ordentlich gegessen, du-"
„Soll ich's in mich reinstopfen, wenn ich keinen Hunger habe?", fragte er etwas gereizt.
 
Cho betrachtete ihn besorgt, doch bevor sie noch etwas sagen konnte, war er auch schon in sein Zimmer verschwunden, das er sich mit Osamu teilte.
 
Erschöpft seufzte sie, strich sich über die Stirn. Sie war ratlos, sie wusste nicht, was sie tun sollte, damit es dem älteren Zwilling wieder besser ging. Brauchte er bloß Zeit? Sollte sie mit ihm reden? Sollte sie ihn ablenken?
 
Gerade, als sie die Teller auf dem Esstisch abgestellt hatte, öffnete sich die Haustür, und schon konnte sie die bekannten Stimmen aus dem Flur wahrnehmen.
 
Kurz darauf sah sie Osamu und Rintaro, die auf sie zugingen.
 
„Hallo", sagte ihr Sohn, während der Beta mit einem höflichen „Guten Tag!" grüßte.
Sie grüßte zurück, dann setzten sie sich schon zu Tisch.
 
„Wo ist Tsumu?", fragte Osamu, sah sich dabei um.
„Er hatte keinen Hunger", antwortete Cho, und sie alle wussten, dass dies nicht der wahre Grund war.
Sich etwas schuldig fühlend sah Rintaro auf den Teller vor sich, weshalb Osamu nach seiner Hand griff und sanft über sie strich.
„Dafür kann keiner was", sagte er.
„Ja, aber ich habe dir gesagt, dass es vielleicht nicht der Richtige Zeitpunkt war."
„Wann ist schon der Richtige Zeitpunkt? Irgendwann hätten wir es doch sowieso gesagt, und da hätte er es genauso akzeptieren müssen."
 
„Gib deinem Bruder Zeit, Osamu", wandte Cho ein. „Das ist keine leichte Situation."
„Ich weiß. Aber ich kann es auch nicht ändern, ich kann ihn höchstens trösten und ihm etwas Gesellschaft leisten."
 
 
 
Schweigend saß Atsumu an dem kleinen Klavier, das er vor ein paar Tagen ins Schlafzimmer manövriert hatte, starrte aus dem Fenster, das sich links auf der gegenüberliegenden Wandseite befand.
Den Kopf hatte er mit der Hand abgestützt, während seine andere vereinzelt ein paar Tasten lustlos herunterdrückte.
 
Wieso?
Wieso hatte immer er das Pech?
Wieso bekam Osamu alles, was er wollte?
 
Laut seufzte er, schloss für einen Moment die Augen.
Was wohl Kiyoomi gerade tat?
 
Seine Gedanken wirbelten ausnahmsweise nicht im Kreis herum – stattdessen präsentierten sie sich einzeln vor seinem Inneren Auge, als wären sie irgendwelche Stars auf dem Laufsteg, und spielten ihm die vielen Dinge, die ihn sowieso schon belasteten, immer wieder vor.
 
Er öffnete die Augen wieder – sofort sprang ihm die Ecke eines Stücks Papier ins Auge, die aus einer Schublade von dem kleinen Schränkchen neben dem Klavier lugte.
Neugierig öffnete er sie, betrachtete den Zettelstapel darin – es war das Notenbuch seines Großvaters und Vaters.
 
Vorsichtig nahm er es, blätterte es durch. Die Lieder darin wirkten alle tiefgründig und traurig, aber irgendwie auch abenteuerreich und etwas romantisch.
 
Als er auf einer bestimmten Seite ankam, schwankte er zwischen einfach ignorieren und weiterblättern und spielen – es war das Lied, das ihn und Kiyoomi verbunden hatte.
 
Gerade hatte er sich fürs Weiterblättern entschieden, als ihm eine Notiz rechts unten ins Auge sprang.
 
Egal wie groß, egal wie klein, lass mich ein Teil davon sein, teile deine Träume mit mir.
Wir liegen vielleicht richtig, vielleicht falsch, aber ich will dich zu der Welt bringen, die ich sehe und für die wir zum Sehen unsere Augen schließen müssen.
 
Verwirrt neigte er den Kopf, versuchte, die Buchstaben darunter zu entziffern, doch konnte einfach nicht lesen, was darunter stand, da die Tinte schon ziemlich zerronnen war.
 
I   h ffe,  ir   hen  ns   chste  Dien ag be m  F st. D s h tige Tre n war   hr sc ön. Ni m  d  s al  G   h nk.
-C  ko
 
Vorsichtig legte er das Blatt Papier auf den Notenständer vor sich, als ihm eine Idee kam.
 
Zuerst zögerlich glitten seine Finger über die Tasten des Instruments, hinterließen schöne Klänge, die sich langsam zu einer Melodie entwickelten.
Zum ersten Mal seit Tagen kam er von dem Gefühlschaos in seinem Inneren weg, fühlte sich plötzlich frei und unabhängig.
Immer wieder spielte er die Stelle, so sehr gefiel sie ihm.
 
Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, als er es mit dem Rest des Liedes, das ihm so viel bedeutete, verband, es aufeinander abstimmte. Keine Sekunde dachte er dabei an Kiyoomi – seine Gedanken waren auf das Lied fixiert. Er dachte an seinen Vater, wie sehr er ihm diese Melodie zeigen wollte, wie er ihm den Text, den er geschrieben gehabt hatte, nie zeigen konnte.
 
Einige Minuten vergingen, und als die Melodie immer leiser wurde, langsam verstummte, kamen auch die vielen Sorgen wie ein Wasserfall zurück.
 
Wortwörtlich, denn schon kurz darauf liefen ihm die Tränen über die Wangen, während er das Gesicht in den Händen vergrub, in diese hineinschluchzte.
 
Wieso war das Leben so unfair?
 
Er hatte seinen Vater geliebt, doch er war ihm genommen worden.
Er hatte Kiyoomi geliebt, doch auch dies war ihm nicht zum Bleiben vergönnt gewesen.
 
Schluchzend warf er den Kopf auf die Tasten, weshalb ein schriller Ton erklang, der den zuvor so vor Musik strahlenden Raum in einen gewissen Schreck versetzte.
 
Wieso durfte er nicht einmal Glück haben?
Verlangte er wirklich zu viel?
 
 
 
Am nächsten Morgen war das Schweigen noch größer als die letzten Tage auch schon.
 
Die ganze Zeit über hatte sich Atsumu in seinem Zimmer versteckt, getan, als würde er nicht existieren, um sich vor dem zu drücken, was ihm nun bevorstand.
Er wollte es nicht sehen – Nein, er konnte es nicht.
 
„Kommst du?", fragte Osamu nach einiger Zeit vorsichtig.
Atsumu schüttelte den Kopf, starrte den Boden vor sich an.
„Du weißt, wenn wir nicht müssten, könntest du hierbleiben. Aber wir müssen nun mal da hin."
„Ich will aber nicht", sagte der Omega, als ihm wieder die Tränen aus den Augen traten.
Wie sollte er das nur ohne, dass ihm sein Herz auseinanderbrach, überstehen?
 
 
 
Schweigend und alleine saß Kiyoomi in dem kleinen Vorbereitungsraum. Eine kleine Rose, die er aus der Vase vor sich genommen hatte, drehte er zwischen seinen Fingern herum, betrachtete sie von allen Seiten.
Beim Gedanken daran, dass er in wenigen Stunden verheiratet sein würde, schlug sein Herz kein bisschen höher – kein Wunder.
Er empfand ja auch rein gar nichts für Ayaka.
 
„HEYY!"
 
Kiyoomi zuckte zusammen, wäre fast vor Schreck mit dem Stuhl umgekippt. „MEINE GÜTE!", schrie er.
 
Sein Gegenüber lachte, und er musste zweimal hinsehen, um zu überprüfen, wer da gerade wirklich vor ihm stand – zu sehr hatte er sich seit dem letzten Mal, wo sie sich gesehen hatten, verändert.
 
„Hab ich dich erschreckt?"
„Nein", sagte Kiyoomi, setzte sich wieder ordentlich hin, wandte sich wieder der Blume zu, während der Andere sich vor lachen den Bauch halten musste.
„Sei mal netter zu deinem Lieblingscousin. Wir haben uns seit Sechs Jahren nicht gesehen!"
 
Motoya klammerte sich an ihn, umarmte ihn fest. „Das letzte mal, als wir uns sehen durften, warst du noch voll auf das Zeichnen von Babytieren aus, und jetzt heiratest du einfach."
 
„Andere Frage: Wie bist du hier reingekommen?", erkundigte sich der Dunkelhaarige. Motoya löste sich von ihm, betrachtete ihn nachdenklich, neigte dann den Kopf, grinste.
„Ich hab mich reingeschlichen. Denkst du ernsthaft, das verpasse ich?"
„Nein, aber ich hätte damit gerechnet, dass die Wachen-"
„Wieso sollten sie mich erkennen? Die kennen bloß meine Mutter, und ich habe ja mein Aussehen von meinem Vater geerbt."
 
Kiyoomi wusste nicht, was er sagen sollte. „Schön, dich wieder zu sehen."
„Bisschen mehr Begeisterung? Solltest du nicht aufgeregt sein?"
 
Der Jüngere schluckte, schloss für einen Moment die Augen. „Wieso? Weil ich jemanden heirate, den ich nicht liebe?"
 
Motoyas Augen weiteten sich, dann hielt er in der Bewegung inne, starrte seinen Cousin verwirrt an. „Ich dachte, du hättest sie ausgesucht."
„Nein, das hat mein Vater getan. Ich wollte eigentlich jemand anderes..." Gegen Ende des Satzes wurde er immer leiser, als hätte er Angst, diese Worte auszusprechen.
„Hat sie oder er etwa abgelehnt?", erkundigte der Braunhaarige sich, während er sich einen Apfel aus der Obstschale nahm, sich auf den Tisch vor ihm setzte und genüsslich von der Frucht abbiss.
Kiyoomi schüttelte den Kopf. „Nein... er... er kommt vom Dorf. Und deswegen war Vater nicht damit einverstanden." Als er Motoyas verwirrten Blick sah, fügte er noch etwas hinzu. „Komplizierte Geschichte..."
 
Der etwas Ältere sah zu Boden, aß seinen Apfel weiter. „Wie ein Hund", murmelte er leise und undeutlich, doch Kiyoomi hatte ihn ganz genau verstanden.
„Wie bitte?!"
„Naja, die befolgen auch meistens alles, was Herrchen und Frauchen ihnen sagen. Wenn du diese andere Person wolltest, wieso hast du dann nicht um ihn gekämpft?"
„Hab ich doch..."
„Und wie?"
„Ich... ich bin mit ihm weggelaufen, aber... da wusste ich noch nicht, dass ich ihn liebe... dann haben wir gestritten, und er ist wieder nachhause gelaufen, und ich... ich hatte keine Chance mehr, mit ihm zu reden oder so, weil mein Vater mich für die restliche Zeit bis zur Hochzeit in mein Zimmer gebannt hat."
Tränen drangen aus seinen Augen, mit seinem Ärmel wischte er sie weg. Der Schmerz in seinem Inneren war unbeschreiblich, es war ein Wirrwarr aus den Hilfeschreien seines gebrochenen Herzens und den Gefühlen für Atsumu, die jetzt wieder an die Oberfläche drangen.
 
„Und wieso tust du das alles dann hier trotzdem?"
„Was meinst du?", fragte Kiyoomi, als er das Taschentuch, das Motoya ihm hinhielt, schniefend annahm.
„Wieso tust du nicht einfach das, was du willst? Ich meine, ab übermorgen ist sowieso Junichiro an der Macht, was soll dein Vater dir bis dahin noch tun? Und ich glaube nicht, dass dein Bruder keine Lösung für das alles finden würde."
 
Der Dunkelhaarige hielt in der Bewegung inne, starrte Motoya an, als er eine Idee bekam. „Ich soll also das Gleiche wie deine Mutter tun?", fragte er nach.
„Nicht genau das Gleiche, wenn's geht. Ich glaube, wenn du das tust, hast du mehr Probleme als vorher, aber ich spreche vom Prinzip, und nicht vom Auftritt oder der Ausführung."
 
Kiyoomi putzte sich noch einmal die Nase, dann erhob er sich, richtete sich ein letztes Mal Krawatte und Anzug. „Ich verstehe", sagte er. „Aber das kann ich nicht tun."
 
 
 
Der riesige Saal der Kirche war bereits fast vollständig gefüllt, alles war bereit – alles außer Atsumu.
 
Er versuchte, sich so klein zu machen, damit ihn niemand sah. Ebenfalls verfolgte er damit das Ziel, nicht sehen zu müssen, wie seine Liebe da vorne stand und noch mit seinem Vater sprach, der zufrieden lächelte.
 
Seid Ihr zufrieden? Ihr habt, was Ihr wolltet.
 
Der Chor begann zu singen, als die Braut den Saal betrat.
Sie lächelte breit, doch irgendwie wirkte dieses Lächeln nicht echt, sondern aufgesetzt.
Dieses Mädchen, es war so schön, und allmählich verstand Atsumu, wieso nicht er an ihrer Position war – wieso auch, wenn Kiyoomi so etwas haben konnte?
 
 
Die ganze Trauung über versuchte er, sich abzulenken, was ihm jedoch schwerer als gedacht fiel – immer wieder traten Wasserfälle aus Tränen aus seinen Augen, doch er unterdrückte sich das Schluchzen, das ihm so sehr auf der Zunge lag, mit allem Möglichen, bis sogar Osamu ihn in den Arm nahm, ihn so etwas tröstete, indem er ihm die Wärme schenkte, die er gerade so gut gebrauchen konnte.
 
Die Gäste erhoben sich allesamt, als es zu dem großen Moment kam, den so viele erwartet hatten.
 
„Ayaka Kuroo von Neko, wollt Ihr Kiyoomi Sakusa von Itachi zu Eurem rechtmäßig angetrauten Ehemann und Alpha machen? Seid Ihr damit einverstanden, den Rest Eures Lebens mit ihm zu verbringen, als seine Omega für ihn da zu sein, an seiner Seite zu stehen, sowohl in den guten, als auch in schlechten Zeiten?", sprach der Pfarrer.
 
Ayaka zögerte für einen Moment, doch lächelte dann sofort wieder. „Ja", sagte sie laut und deutlich.
 
Kiyoomi atmete tief durch. Sein Herz schmerzte jede Minute, in der er hier stand und darauf wartete, dass er es endlich hinter sich gebracht hatte, immer mehr, immer stärker – doch er wusste, dass es keinen Ausweg mehr gab.
 
„Kiyoomi Sakusa von Itachi, wollt Ihr Ayaka Kuroo von Neko zu Eurer rechtmäßig angetrauten Ehefrau und Omega machen? Seid Ihr damit einverstanden, den Rest Eures Lebens mit ihr zu verbringen, als ihr Alpha für sie da zu sein, an ihrer Seite zu stehen, sowohl in den guten, als auch in den schlechten Zeiten?"
 
Stille.
 
Der Saal wurde von Schweigen getränkt.
Kiyoomis Mund fühlte sich plötzlich trocken an, als würde man ihm die Luft zum Atmen nehmen, als könne er nicht mehr sprechen.
Gab es wirklich keine Lösung?
 
Sein Blick glitt nach links, unsicher sah er im Augenwinkel durch die vielen, vielen Reihen voller Menschen, die allesamt verwirrt dreinsahen und auf seine Antwort warteten.
Er sah zu seinem Vater, der bereits schon einen wütenden Blick aufgesetzt hatte, dann zu der Säule neben dem großen Eingangstor, neben der er Motoya etwas versteckt stehen sah.
 
Wieso tust du nicht einfach das, was du willst?
 
Erneut sah er durch die Reihen – sein Herz machte einen Satz, als er Atsumu erblickte, der betrübt zu Boden sah.
 
Er wusste nicht, wie lange er so dastand, bis der Blondschopf dann den Kopf hob, und sich ihre Blicke trafen.
 
Und es war, als wäre ein Schalter in ihm umgelegt werden.
 
„Nein", sagte er.
Ein Raunen ging durch den Saal, alle sprachen wild durcheinander.
 
„WAS SOLL DER DRECK?!", schrie Ayakas Bruder Tetsuro, sprang dabei auf, wurde jedoch sofort von seinem Beta wieder zurück auf seinen Sitz gezogen.
 
Atsumus Hände zitterten fürchterlich, als er verwirrt hin und hersah – Träumte er? Was geschah gerade?
 
Kiyoomi atmete erneut tief durch, dann sah er zu Ayaka, die bedrückt den Kopf gesenkt hatte und sich ein Schluchzen unterdrückte.
 
„SAG MAL, WAS-", brüllte Nibori, doch wurde von Junichiro ebenfalls zurück auf den Sitz gezogen.
„Lass ihn reden, Vater."
 
Das Stimmengewirr im Saal wurde lauter.
 
„Das werde ich nicht", wiederholte Kiyoomi. „Und zwar, weil ich es nicht kann."
 
Es wurde wieder still, man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können, so leise war es.
 
„Ich habe nie an die Liebe geglaubt. Ich war mir immer sicher, sowas gäbe es nicht. Ich wollte nie heiraten, ich war mir immer sicher, dass ich ohne Mate besser dran wäre. Ich wollte es nie hinnehmen, als es hieß, dass ich es trotzdem tun müsste." Er machte eine Pause, um erneut durchzuatmen. „Die letzten paar Wochen waren anstrengend, aber sie haben mir etwas bewusst werden lassen, denn hätte man mir vor zwei Monaten gesagt, dass ich eine Person kennenlernen würde, die mein Leben sowas von auf den Kopf stellen wird, hätte ich diesen Jemand ausgelacht, weil ich es lächerlich gefunden hätte – aber es ist passiert... nicht viele wissen davon, doch es gibt immer noch Menschen, die seelenverwandt miteinander sind. Und wer auch immer hier unter euch ist, der eben zu denen gehört, die es nicht wussten: Es ist schön. Es ist anders, bei dem Menschen zu sein, mit dem man quasi verbunden ist. Ein Mensch, den man unterbewusst von Sekunde Eins an mag, obwohl man es vielleicht selbst noch nicht bemerkt hat, obwohl man sich sicher war, dass man all dies nicht brauchte."
 
Er machte eine Pause, als Tränen aus seinen Augen traten. „Aber wenn ich etwas aus den letzten zwei Wochen gelernt habe, dann ist es, dass man erst wertschätzt, wieviel Jemand einem bedeutet, wenn man ihn nicht mehr hat. Ich habe die letzten Nächte viel nachgedacht, habe jegliche Gedanken an ihn immer wieder beiseite geschoben, um mich auf meine Pflichten, wie es mein Vater ja so gerne sagt, zu konzentrieren... aber ich weiß, dass das nicht das Richtige war. Das Richtige ist, dazu zu stehen, was ich empfinde, und dafür auch zu kämpfen."
 
Er sah zu Ayaka, die langsam wieder den Kopf hob, sanft lächelte.
„Und ich kann nicht zulassen, dass du niemals deinen Seelenverwandten treffen kannst, weil du an jemanden gebunden bist, mit dem du vielleicht nie zu Hundert Prozent zurechtkommen wirst. Du bist ein tolles Mädchen, und du verdienst jemanden, der dich über alles liebt, der immer für dich da sein kann, und das kann ich nicht für dich tun."
 
Zögerlich blickte Kiyoomi wieder durch die Menschenmenge, dann ging er den Mittelgang entlang bis zum Tor, trat hinaus, seine Schritte beschleunigten sich dabei immer mehr.
 
Nibori erhob sich, sah entschuldigend im Saal herum. „Ich entschuldige mich für diese... Störung. Ihr könnt euch gerne etwas am Buffet bedienen, bis wir dieses Problem gelöst haben."
 
Die Gäste erhoben sich, und als genug Menschen herumstanden, sprang Atsumu ebenfalls auf, lief nach draußen.
 
Er sah sich um, doch konnte Kiyoomi nirgends mehr sehen – kein Wunder, er hatte einen Vorsprung von fünf Minuten.
 
Wenn ich Kiyoomi wäre, wo würde ich in so einer Situation hingehen?
 
Er schloss die Augen, dachte strengstens nach – geistig ging er jedes Gespräch, das sie geführt hatten, durch, durchdachte jede Möglichkeit, die sich ihm bat.
 
Und dann kam ihm der Geistesblitz.
 
Im Sprint lief er die Straßen, die Gassen, die Wege entlang, und das über eine ziemlich lange Strecke.
 
Die Luft blieb ihm bereits weg, doch er lief trotz allem schwer keuchend weiter – er musste den Alpha finden, und zwar dringend.
 
Als er an der Mauer ankam, über die sie geklettert waren, als sie weggelaufen waren, hielt er erstmals an.
 
Überfordert sah er sich um, doch fand keine Möglichkeit, von außen auf die andere Seite zu kommen.
 
„Ich habe gehofft, dass du mir folgst."
 
Atsumu zuckte zusammen, drehte sich sofort nach rechts.
 
Kiyoomi stand vor ihm, blickte ihn schuldbewusst an. „Es tut mir so Leid, dass ich es nicht schon früher gemerkt habe."
Die Sicht des Omegas verschwamm, als seine Augen mit Tränen gefüllt wurden. „E-Es ist okay."
 
Für eine kurze Zeit starrten sie sich an, dann dachten sie beide dasselbe, als Atsumu seine Arme um Kiyoomis Hals schlang, den Kopf an seiner Schulter vergrub.
Der Alpha legte seine Arme um seinen Körper, drückte ihn an sich.
 
„Ich liebe dich, Atsumu", sagte er schluchzend. „Ich liebe dich so sehr."
 
Atsumu kniff die Augen zusammen, vergrub den Kopf noch weiter an seinem Hals. „Ich dich auch... Ich liebe dich auch."
Kiyoomi löste sich von ihm, griff nach seiner Wange, strich sanft über diese.
 
Der Omega schniefte etwas, als er ihm mit dem Daumen ein paar Tränen aus den braunen Augen strich, die Kiyoomi immer noch so faszinierten – für ihn war es noch immer ein Farbenspiel, das ihm den Atem raubte.
 
Sanft legte er seine Lippen auf die von Atsumu, der den Kuss sofort erwiderte, dabei seine Hand an seinen Nacken legte, um ihn noch näher zu sich ziehen zu können.
 
Sie beide schlossen die Augen, als es sich in ihrem Inneren anfühlte, als würden Tausende Schmetterlinge ihre Tänze in ihren Bäuchen aufführen, als würden ihre Herzen immer höher schlagen, als würde ein Feuerwerk an Gefühlen explodieren.
 
Dieser Moment, er war unbeschreiblich, doch voll von Gefühlen – und Liebe.

A Million Dreams - SakuAtsuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt