Flucht II

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Pov. Casemiro

Tief atmete ich durch. Viel Zeit blieb uns nicht. Ich hoffte die anderen würden es irgendwie heile aus den Bussen und nach Barcelona schaffen. Ich war zumindest schon Mal einen Schritt weiter, denn wir waren momentan auf einem Rastplatz. Im Grunde musste ich mich also nur noch wegschleichen und dann den schnellsten Weg zum Flughafen nehmen. Das sollte machbar sein. Ich stand von meinem Platz neben Oscar auf und schlurfte möglichst unauffällig in Richtung Ausgang. Niemand beachtete mich. Ich hatte mich relativ ruhig verhalten und da ich mich hier in der brasilianischen Nationalmannschaft befinde ist Ruhe etwas, was diese einfach nicht erträgt. Wir sind normal mit allem beschäftigt was nicht Ruhe heißt. Jemand der ruhig war, war demnach also uninteressant. Normalerweise störte mich das, aber unter diesen Umständen war ich froh als uninteressant durchgehen zu können. "Also gut Carlos, raus damit was ist los?" Ich zuckte zusammen. Na gut anscheinend war ich doch nicht für alle uninteressant. Thiago Silva lehnte neben dem Ausgang und sah mich jetzt auffordernd an. Offenbar hatte er auf mich gewartet. Verdammt. Ich wollte mich umdrehen und vielleicht irgendeinen Hinterausgang nehmen, aber hinter mir standen auf einmal Neymar und David Luiz. Warum war ich mit einem Mal so interessant? Ich drehte mich zurück zu Thiago, welcher sich mittlerweile von der Wand abgestoßen hatte und vor mich gestellt hatte. "Ich mag es normalerweise nicht Leute zum Reden zu zwingen, aber du warst die gesamte Zeit über wahnsinnig still und ich hatte so ein Gefühl du würdest einem Gespräch mit mir ausweichen wollen. Deshalb habe ich David und Ney gebeten mir zu helfen." Ich legte den Kopf schief. "Du wusstest ich würde rausgehen?" "Du sahst mir nicht wie jemand aus der unsere Gesellschaft momentan sehr mag und die meisten gehen nach draußen wenn sie alleine sein wollen. Gerne hauen sie dabei auch Mal ab." Ich blinzelte. Er wusste was ich tun wollte. Das war ein Problem. Aber es würde zumindest erklären, warum er Kapitän ist. Thiago bedeutete mir ihm zu folgen und mir blieb nichts anderes übrig als genau dies zu tun. Immerhin gingen wir nach draußen und das nur zu zweit. Ein vertrauliches Gespräch also? Nein, nicht ganz, Neymar und David blieben in Sichtweite. Also eher ein vertrauliches Gespräch mit, ja mit was eigentlich, mit Beobachtern? Bewachern? Bewachern traf es wahrscheinlich eher. Ungünstig. Ich musste schließlich hier weg. Aber so wie es aussah musste ich erst Thiago davon überzeugen das alles gut war und dann erst abhauen. Irgendwie. Als wir uns außer Hörweite von den beiden Bewachern befanden ergriff Thiago wieder das Wort. "Ich habe verfolgt wie es bei dir in Madrid momentan so zu geht. Laut den Nachrichten sind bei euch so einige krank oder zumindest so weit aus dem Spiel, dass sie keine öffentlichen Auftritte wagen." Ich nickte und fragte mich wohin mich dieses Gespräch wohl führen mochte. Trotzdem antwortete ich ihm "Ja, sie sind ziemlich krank. Öffentliche Auftritte sind in ihrem Zustand keine gute Idee." "Das sagen auch eure Pressesprecher." Ich verstand nicht was er von mir wollte. "Ja, es ist ja auch die Wahrheit." Jetzt blieb Thiago wieder stehen und sah mich direkt an. "Ist es das? Oder ist es nur eine Ausrede um ihnen die Wahrheit verschweigen zu können? Ich habe mir das ganze Mal näher angesehen. Bei eurem Spiel gegen Atletico Madrid ist Nebel aufgetaucht und ganz plötzlich war danach euer Torwart weg. Später wurde gesagt ihm ging es nicht gut. Aber niemand kann so schnell vom Platz verschwinden, gerade nicht bei einem Nebel, der so undurchdringlich ist, wie der, der während diesem Spiel aufgetaucht ist.  Und das ist nicht das einzige was mir aufgefallen ist. Die Anspannung und Nervosität zwischen euch..." Ich konnte ihm nicht länger zu hören. Scheiße. Thiago war aufmerksam, dass wusste ich und jetzt wusste ich auch, dass er zu aufmerksam war. Wie sollte ich ihm das erklären? Die Wahrheit? Nein, dass ging nicht. Aber würde er mir eine Lüge abkaufen? Wenn Thiago es bemerkt hatte, wem hatte er davon erzählt? Wer hatte noch die richtige Schlüsse gezogen? Thiagos Stimme drang wieder an mein Ohr "Ich verlange nicht von dir, dass du mir erklärst was los ist. Real Madrid steckt allem Anschein nach in einer Krise, aber ihr wurdet offenbar dazu verpflichtet die Klappe zu halten. Ich hätte dich darauf auch nicht angesprochen, immerhin erklärt es dein unnormales Verhalten, allerdings bin ich in Kontakt mit einigen aus meinem Verein, darunter auch ein, zwei Franzosen. Einer von ihnen hat mir berichtet, dass ihnen dein Teamkollegen Raphael Varane an einer Raststätte abhanden gekommen ist. Allem Anschein nach ist er abgehauen. Du verstehst sicherlich, dass ich Grund zur Annahme habe, dass auch du versuchst die Fliege zu machen." Okay, wenn ich nicht vorher schon ein Problem hatte, dann hatte ich es spätestens jetzt. Einerseits wusste ich jetzt, dass zumindest Rapha es geschafft hatte seinem Team zu entkommen und er auf jeden Fall in Barcelona sein würde, was gut war. Auf der anderen Seite hatte ich jetzt die unmögliche Aufgabe Thiago auszutricksen. Ich blickte zurück. Neymar und David waren definitiv außerhalb unserer Hörweite, aber...was wussten sie? "Hast du irgendwem von deinen ähm Erkenntnissen berichtet?" Thiago schwieg einen Moment. "Nur Zlatan. Wir sind gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass bei euch in Madrid mehr als nur eine Krankheit schief geht. Aber ansonsten weiß niemand davon." Ich seufzte auf. Das hieß immerhin, dass ich nur eine Person im Zaun halten musste. "Kann ich dich darum bitten es für dich zu behalten?" Thiago nickte. "Klar." "Danke..." Einen Moment zögerte ich noch, aber dann fasste ich einen Entschluss. Es war meine beste Möglichkeit hier möglichst schnell wegzukommen. Ich drehte mich zu ihm und sah ihm jetzt zum ersten Mal, seit Beginn dieses Gesprächs, direkt in die Augen. Sie waren braun. Gut zu wissen. Tief holte ich Luft "Thiago.. ich weiß das muss sich jetzt seltsam für dich anhören und ich kann dir auch nicht sagen wieso, aber ich muss auf schnellsten Weg nach Barcelona." Einen Moment zögerte ich noch, dann fügte ich hinzu: "Alle Madrilenen müssen das, also alle die mit der Natio unterwegs sind." Beinahe hätte ich gesagt also alle die noch übrig sind, aber da hätte Thiago erst Recht stutzig gemacht und dieser wusste ohnehin schon viel zu viel. Ich brauchte da nun wirklich nicht ins Detail gehen. Wer weiß, vielleicht würde ich ihn dann noch in unnötige Gefahr bringen. Thiago zögert. "Du musst wirklich? Also es gibt keinen anderen Weg?" Ich schüttelte stumm den Kopf. Er seufzt. "Also gut, dann helfe ich dir, nimm das Taxi, aber lass es mich nicht bereuen müssen." "Welches Taxi?" Er deutet über den Parkplatz hinweg, wo tatsächlich ein Taxi steht. "Ich hatte es vorhin gerufen für den Fall der Fälle. Also ich werde dich decken und ich hoffe ich werde es nicht bereuen müssen." Ich dachte an Tonis Worte, dass wenn wir versagen, sich niemand mehr an uns erinnern würde. Jetzt noch jagten mir diese Worte einen Schauder über den Rücken. "Keine Sorge", antworte ich. "Das wirst du nicht müssen und wenn doch wirst du es nicht wissen." Bevor er nach fragen konnte, zog ich ihn in eine schnelle Umarmung "Danke" und eilte zum Taxi. "Einmal zum Flughafen bitte."

Der weiße NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt