Chapter 1

1.3K 45 7
                                    

Laut alter Tradition muss jeder junge Drache eine Prinzessin entführen, um als erwachsen gelten zu können. Eine Scheißtradition, sicher, aber leider keine, die man umgehen konnte. Frustriert knirschte Zoro mit den Zähnen. Er war nun seit einem halben Jahr 21, also schon lange alt genug, um seine eigene Prinzessin zu entführen, doch irgendwie waren die Umstände... unpassend. Vorsichtshalber legte er das dünne Silberarmband zur Seite, an dem er gerade arbeitete. Wenn er schon wieder etwas zerbrach, würde sein Chef ihm das vom Gehalt abziehen, und das wollte er nach Möglichkeit vermeiden.

Kidd warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Was hast du denn jetzt schon wieder? Wenn du weiter so mit den Zähnen knirschst, brauchst du in ein paar Jahren deine Dritten."

Zoro ignorierte seinen bissigen Kommentar. „Das gleiche wie letztes Mal auch, das weißt du ganz genau."

Der Rothaarige murmelte einen Zauber fertig, mit dem er sein eigenes Schmuckstück ausstattete. Er begutachtete es von allen Seiten, schnippte ein Staubkörnchen von dem elegant eingefassten Amethyst des Ringes und legte ihn dann vorsichtig in eine bereitstehende Schale.

„Du machst dir zu viele Gedanken. Lass es doch einfach auf dich zukommen, das hat bei mir auch funktioniert."

„Ja, aber das war fast schon ein Wunder. Außerdem ist „auf sich zukommen lassen" bei dir immer mit einer gehörigen Portion Leichtsinn verbunden. Ich habe keine Lust, bei den feinen Herrschaften im Natursteinpool zu verbluten, weil mich die Wachen erwischt haben."

Kidd winkte lässig ab. „Ach was, von den Wachen habe ich fast nichts gesehen."

„Dafür aber von den Wachhunden. Hast du nicht sogar unfreiwillig einen mitgenommen, weil er sich in deine Hose verbissen hatte?"

„Ja, dieses Mistvieh. Der hat mit das halbe Bein aufgerissen, und hinterher hieß es dann, ich hätte dem armen kleinen Hund wehgetan, weil ich mit ihm über das halbe Königreich geflogen bin. Das hat Bonnie mir noch mehr verübelt als die Entführung." Er schnaubte entrüstet. „Sie hat ihn Teddy getauft. Teddy. Manchmal frage ich mich echt, was sie sich eigentlich denkt. Das müssen irgendwelche seltsamen weiblichen Gefühle sein."

„Danke für deine Weisheit", murrte Zoro. „Die bringt mich aber auch nicht weiter."

Ein hinterlistiges Grinsen stahl sich auf Kidds Züge. „Du bist also immer noch angesäuert, weil ich mir Bonnie zuerst geschnappt habe. Tja, wie sagt man so schön: Wer zuerst kommt, malt zuerst."

„Natürlich bin ich..."

Weiter kam er nicht. Mit einem Knall hatte sich die Tür zur Werkstatt geöffnet, in der die beiden gerade arbeiteten, und herein trat ein stämmiger, schwarzhaariger Mann mit kleinen goldenen Hörnern auf dem Kopf und einer rosafarbenen Schürze.

„Ich störe euch ja nur ungerne bei euren ausgesprochen hochtrabenden Unterhaltungen", knurrte er, „aber in einer halben Stunde kommen die ersten Kunden in den Laden, und so wie es hier aussieht, habt ihr noch nicht allzu viel geschafft. Halbleere Auslagen machen sich nicht gut."

Mit diesen Worten zog er mit Schwung die Tür zu, dass sein Schürzchen nur so wehte. Zoro und Kidd warfen sich einen Blick zu und seufzten dann gleichzeitig.

„Der macht mich echt noch fertig", meinte Kidd mit deutlich gesenkter Stimme und nahm ein weiteres Schmuckstück zur Hand, an dem er mit geübtem Griff und der Hilfe einer winzigen Zange noch letzte Änderungen vornahm, bevor er auch in dieses seine Zauber einfließen lassen konnte. „Wenn man morgens schlechte Laune hat, bin ich der Letzte, der das nicht versteht, aber dann sollte er vielleicht nicht schon um sieben den Laden aufsperren. Und den Anblick seiner Frühstücksschürze könnte er uns eigentlich auch ersparen, irgendwann vermassele ich durch den Schock noch die Schutzzauber."

Zoro verkniff sich das Grinsen. Ja, ihr Chef war schon speziell. Am Anfang hätte Zoro am liebsten auf dem Absatz wieder umgedreht, nachdem er sich in diesen Laden verlaufen und ihn kennen gelernt hatte. Doch die Neugier und die schlechten Aussichten auf eine andere Stelle hatten ihn getrieben zu bleiben, und seitdem hatte er es keine Sekunde mehr bereut, in seiner Schmuckwerkstatt angefangen zu haben. Ausgenommen die Sekunden, in denen der Chef mit seiner rosa Schürze durch die Gegend spazierte, aber abgesehen davon konnte Zoro sich keinen schöneren Arbeitsplatz vorstellen. Er und Kidd stellten die Schmuckstücke her, die dann später im Laden verkauft wurden, und luden sie mit speziellen Zaubern auf, die in den Effekten so ziemlich alles von Diebstahlschutz bis Sofortverschönerung bewirken konnten. Drachen waren in diesen handwerklichen Berufen außerordentlich begabt, somit war er hier vermutlich ganz gut aufgehoben.

„Du wolltest doch vorhin noch was sagen, bevor der Chef uns so liebevoll unterbrochen hatte", nahm Kidd den Faden wieder auf. „Vermutlich irgendwas in die Richtung, dass ich dir deine Chancen vermasselt habe oder so, stimmts?"

Zoro sah zu ihm hinüber. Nein, das war nicht das Problem. Schließlich war Kidd älter als er selbst, und somit auch als erster von den beiden im entsprechenden Alter gewesen, sich seine Prinzessin zu sichern. Unter den gegebenen Umständen war das nur verdammt unpraktisch für Zoro.

Er schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Ich finde schon irgendwas."

Das Problem war, dass die Regeln bezüglich des Erwachsenwerdens eines Drachens sehr genau waren. Entführ eine Prinzessin. Bewache sie vier Wochen lang, außer sie wird vorher ausgelöst. Sie darf nur aus dem eigenen oder den Nachbarkönigreichen stammen. Eine Prinzessin darf nicht mehrfach entführt werden. Das war das langatmige Regelwerk, in seine Hauptbestandteile heruntergekürzt. Wenn es nach Zoro ging, könnte man diese Regeln und die ganze Entführungs-Tradition sowieso in die Vergangenheit verbannen. Schließlich lebten sie im 21. Jahrhundert.

Doch das war weniger das Problem. Es ging eher darum, dass es einfach keine Prinzessinnen mehr gab. Klar, die Königsfamilien existierten sehr wohl noch, auch wenn sie eher symbolisch als wirklich aktiv herrschten, und somit gab es in der Theorie schon Mädchen, die sich Prinzessin schimpfen durften. Nur gab es zurzeit gerade mal eine einzige Prinzessin im Nachbarkönigreich, die in Frage kommen würde. Und die hatte Kidd sich bereits vor drei Jahren geschnappt, also schied sie aus. Die andere, die theoretisch noch zur Verfügung gestanden hätte, war vor einiger Zeit zur großen Freude der Klatschpresse ins Ausland ausgewandert und hatte sich von ihrer Familie losgesagt. Also außerhalb seiner Reichweite. Sie war die Tochter des hiesigen Königs, und außer ihr gab es in der Familie nur noch drei Söhne.

Alles in allem also nicht gerade rosige Aussichten für seinen Ruf. Viele Möglichkeiten blieben ihm nicht, wie er sich aus dieser Situation retten konnte. Entweder, er trieb noch irgendwo eine Prinzessin auf, die dem Geschuppten Ältestenrat genehm war, oder er ließ die ganze Sache bleiben und konnte sein Leben lang in Schande und unter dem Gelächter der anderen Drachen leben.

„Ach, irgendwo findest du schon noch eine", meinte nun auch Kidd, während er prüfend einen Armreif begutachtete. Dabei legte er den Kopf leicht schief, wodurch seine zur Seite fallenden Haare ein dunkles, leicht gekrümmtes Drachenhorn offenbarten. Zoro selbst trug seine Haare kurz, darum waren seine eigenen Hörner gut zu sehen, doch Kidd stylte sich seine Frisur jeden Morgen mithilfe eines Kamms und zweieinhalb Tonnen Haargel nach oben, weshalb er durch die nicht sichtbaren Hörner auf den ersten Blick durchaus auch als Mensch durchgehen könnte. Nicht dass das seine Absicht wäre. Er gab einfach gerne mit seinem Aussehen an, das war alles.

Zoro seufzte. Wenn er doch nur wüsste wo das sein sollte, dann könnte er diesen Blödsinn endlich hinter sich bringen.

Home - ZoSan [One Piece AU] - abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt